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Mit Technologie aus Dresden: Grippe-Diagnose mit nur einem Tropfen Blut

Das Dresdner Technologieunternehmen SAW Components ist vor allem als Chiphersteller bekannt. Nun will das Team um Geschäftsführer Steffen Zietzschmann in die Biosensorik einsteigen und Tests für jede Arztpraxis entwickeln.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Sichere Schnelltests mit nur einem Tropfen Blut: Daran arbeitet das Dresdner Technologieunternehmen SAW Components.
Sichere Schnelltests mit nur einem Tropfen Blut: Daran arbeitet das Dresdner Technologieunternehmen SAW Components. © dpa/Jens Kalaene

Dresden. Corona, Grippe oder nur eine einfache Erkältung? Hausärzte diagnostizieren bei Infekten häufig anhand der Symptome, woran ihre Patienten leiden. Wer einer Risikogruppe angehört, muss im Zweifel einen Nasen-Rachen-Abstrich über sich ergehen lassen. Die Probe schicken die Mediziner für einen PCR-Test ins Labor. Das Ergebnis ist innerhalb eines Tages da. Das Dresdner Technologieunternehmen SAW Components ist mit daran beteiligt, schnellere Diagnosen zu ermöglichen – durch Praxis-Tests, deren Ergebnisse so verlässlich sind wie ein PCR-Test.

SAW Components will in den Biotechnologie-Bereich einsteigen und strebt die Zertifizierung als Medizinprodukte-Hersteller an. So soll der Arztbesuch mit Dresdner Technik einmal so ablaufen: Der Hausarzt lässt von seinem Patienten etwas Blut auf den Sensor tropfen, der nicht größer ist als eine SD-Speicherkarte, und weiß bereits nach drei Minuten, ob er beispielsweise Grippe hat oder nicht.

Nicht nur Infineon und Globalfoundries können Chips produzieren

Biotechnologie ist nicht der Schwerpunkt, mit dem sich SAW Components in den vergangenen 27 Jahren weltweit einen Namen gemacht hat. Das Unternehmen gehört zu den Mikroelektronik-Pionieren in Dresden und erzielt den meisten Umsatz mit der Herstellung von Scheiben, auf denen Mikrochips aufgebracht sind, sogenannte Wafer.

1992 hatte Steffen Zietzschmann, einst ZMD-Mitarbeiter und einer der Firmengründer, gemeinsam mit vier anderen Spezialisten die Technologieentwicklung für SAW-Chips begonnen.

1996 ist das Unternehmen an den Start gegangen – Infineon und Globalfoundries (damals noch AMD) waren damals noch nicht in der Nachbarschaft. Konkurrenten sind die großen Hersteller für die 35 Mann starke Firma im Technopark Nord aber nicht, sagt Geschäftsführer Steffen Zietzschmann. Denn Mikrochips sind nicht gleich Mikrochips.

Die Wafer-Fertigung im Reinraum von SAW Components in Dresden.
Die Wafer-Fertigung im Reinraum von SAW Components in Dresden. © SAW Components/Katharina Grottker

SAW ist die Abkürzung für akustische Oberflächenwellen - "Surface Acoustic Wave". Im Gegensatz zu den Silizium-Scheiben in der Halbleiterindustrie werden in der Chipfabrik unter anderem Quarz und Lithiumtantalat als Grundmaterial für die Scheiben verwendet. Die Dresdner Firma fertigt auf dieser Grundlage spezielle Hochfrequenz-Chips. Sie finden beispielsweise in Smartphones Verwendung, um ein- und ausgehende Funksignale zu filtern. Die Scheiben werden größtenteils von Kunden in Asien weiterverarbeitet, wo die Mobilfunkindustrie weltweit am stärksten ist. Darüber hinaus bietet SAW Components schon fertige Chip-Bauelemente sowie Sensoren an, unter anderem für die Automobilindustrie.

Vom Smartphone-Zeitalter zur Ära der Biosensorik

Im Reinraum am Manfred-von-Ardenne-Ring werden derzeit rund 30 Millionen Chips im Monat hergestellt. Die Exportquote liegt eigenen Angaben zufolge bei 80 bis 90 Prozent.

Vor allem in der Sensorik steckt viel Zukunftspotenzial, ist sich Steffen Zietzschmann sicher. "Im Moment sind wir noch im Zeitalter des mobilen Telefonierens. Dort stellen sich inzwischen aber Sättigungseffekte ein, es kommen keine revolutionären Neuerungen mehr", erklärt der Unternehmensgründer. "Wir denken, dass die Biosensorik im Markt an Bedeutung gewinnen wird. Da wollen wir hinein und zusammen mit den Biologen zu neuen Produkten kommen."

Für den Bluttest, der Infektionen erkennt, arbeitet SAW Components unter anderem mit einem Start-up in Italien zusammen, das sich mit Bioanalytik beschäftigt. "Ziel ist es, die Geschwindigkeit der Popeltests, die wir in den vergangenen Jahren zur Genüge gemacht haben, mit der Präzision der PCR-Tests zu kombinieren", sagt SAW-Components-Vertriebsleiter Frieder Birkholz. "Keine Wartezeiten, keine Laboraufträge. Wir wollen dafür nicht nur Sensoren bauen, sondern am Ende ein fertiges Produkt anbieten."

In Backöfen liegt großes Energiesparpotenzial

Schon zum Einsatz kommen Dresdner SAW-Sensoren in Backöfen überall in Deutschland, und zwar in drahtlosen Bratenthermometern. "Kabel und Batterien können im Ofen natürlich nicht verwendet werden, um das Thermometer mit dem Ofen zu verbinden", sagt Steffen Zietzschmann. Daher würden SAW-Sensoren in das Thermometer eingebaut.

SAW-Components-Geschäftsführer Steffen Zietzschmann (rechts) und Vertriebsleiter Frieder Birkholz
SAW-Components-Geschäftsführer Steffen Zietzschmann (rechts) und Vertriebsleiter Frieder Birkholz © SAW Components/Katharina Grottker

Diese Thermometer funktionieren ganz ohne Stromzufuhr, kommunizieren drahtlos mit dem Ofen und halten sehr hohen Temperaturen stand. Drei bis vier dieser Sensorchips sind in den Thermometern integriert, um zuverlässig die kühlste Stelle zu erkennen, etwa im Hühnchen. "Der Ofen weiß dann, wie viel Grad der kälteste Punkt hat und kann automatisiert die Temperatur so regeln, dass das Essen gelingt", erklärt Zietzschmann diese Technologie, die er in Zeiten gestiegener Energiekosten als überaus wichtig bezeichnet.

Denn in herkömmlichen Öfen bekommen Fleisch oder Kuchen meist zu viel Hitze ab, damit am Ende auch wirklich alles durch ist. "Wenn man die Sensortechnologie im großen Maßstab anwendet, kann man immense Summen an Energie einsparen."

Energiepreise sind auch bei SAW Components ein Thema. Die Kosten haben sich innerhalb eines Jahres vervierfacht. Zietzschmann bleibt kaum etwas anderes übrig, als diese Kosten auf seine Produktpreise umzulegen. "Das erfüllt uns mit Sorge", sagt der Geschäftsführer. Denn insbesondere asiatische Kunden zeigten für die Preissteigerung kaum Verständnis. "Wir bekommen immer mehr Auftragsabsagen, weil wir das internationale Preislevel nicht halten können." Die Energiekrise in Deutschland sei zu einer Standortbedingung geworden, unter der die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen leide. Die Transformation des Unternehmens hin zu einem Technologieanbieter, unter anderem für Biosensoren, sei auch deshalb wichtig.