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„In nur zwei Wochen das Schuljahr angeschoben“

Jana Lüders und Marco Weinhold haben gerade die Leitung der 32. Oberschule übernommen. Warum ihr Job heute schwieriger ist.

Von Nora Domschke
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Jana Lüders ist neue Leiterin in der 32. Oberschule auf dem Campus Tolkewitz. Mit ihrem Stellvertreter Marco Weinhold will sie die Synergien von Oberschule und benachbartem Gymnasium noch mehr nutzen.
Jana Lüders ist neue Leiterin in der 32. Oberschule auf dem Campus Tolkewitz. Mit ihrem Stellvertreter Marco Weinhold will sie die Synergien von Oberschule und benachbartem Gymnasium noch mehr nutzen. © Sven Ellger

Dresden. In Sachsen fehlen Schulleiter: Insgesamt 87 freie Posten gab es im Schuljahr 2019/20 im Freistaat, mehr als 130 Stellvertreter werden bis jetzt gesucht. In der Landeshauptstadt ist das Problem nicht ganz so drastisch: Von insgesamt 151 öffentlichen Schulen haben drei in diesem Schuljahr bislang keinen offiziellen Leiter. Führungslos sind diese Schule aber nicht. Ist der Posten unbesetzt, übernimmt der Stellvertreter oder der Leiter einer anderen Schule die Aufgaben. 

Und die sind in den vergangenen Jahren immer anspruchsvoller geworden. Auch das ist ein Grund, warum es nur wenige Bewerber auf die freien Stellen gibt, räumt das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) ein. "Die Komplexität des Aufgabenportfolios hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was vielleicht den einen oder anderen potentiellen Bewerber von dieser Tätigkeit abschreckt", so Lasub-Sprecherin Petra Nikolov. Zwei, die diese Herausforderung dennoch annehmen, sind Jana Lüders und Marco Weinhold. Sie sind das neue Schulleiter-Duo der 32. Oberschule auf dem Campus Tolkewitz.

Junges Führungsteam

Jana Lüders, 44, löst damit den langjährigen Leiter Andreas Neubert ab, der sich Ende des letzten Schuljahres gemeinsam mit seiner Stellvertreterin und der Sekretärin in den Ruhestand verabschiedet hat. "Ein kompletter Führungswechsel quasi", sagt Jana Lüders, die mit Marco Weinhold, 31, einen recht jungen Vize an ihrer Seite hat. Beide hatten sich im November 2019 auf die Leiterposten einer der beliebtesten Dresdner Oberschulen beworben. Nun liegt ihre erste gemeinsame Schulwoche hinter ihnen.

Dass sie in diesem Schuljahr tatsächlich an der Spitze der Oberschule stehen werden, haben sie erst kurz vor Beginn erfahren. Weinhold hatte sein Eignungsgespräch zwar schon im Januar dieses Jahres - doch dann kam Corona, die Schulkonferenz konnte nicht tagen, es fiel keine Entscheidung. Im Mai bekam er dann die Zusage, Jana Lüders sogar erst im Juli. Seit Mitte August sind sie nun gemeinsam auf dem Schulcampus, haben sich mit den Räumlichkeiten und den Kollegen vertraut gemacht. "In nur zwei Wochen haben wir das neue Schuljahr angeschoben", berichtet Weinhold, der als stellvertretender Leiter die Stundenpläne erstellen musste.

Mittlere Jahrgänge fehlen

Ihm kommt zugute, dass er diesen Posten zuletzt für ein halbes Jahr in der Oberschule Weinböhla innehatte, zumindest kommissarisch. Die entsprechende Fortbildung dafür hat er bereits absolviert, denn von Anfang an habe ihn eine Führungspostion gereizt. "Ich habe schnell gemerkt, dass mir das liegt, trotz meines jungen Alters." Als die Stelle für die 32. Oberschule ausgeschrieben war, hat er nicht lange überlegt. Dass das Lasub inzwischen auf sehr junge Lehrer mit vergleichsweise wenig Berufserfahrung zurückgreift - Weinhold hat vier Jahre unterrichtet - ist auch ein Zeichen dafür, dass es immer schwieriger wird, derartige Posten zu besetzen. 

Wie lange diese in der Regel frei bleiben, kann Lasub-Sprecherin Nikolov nicht beantworten. Das sei sehr unterschiedlich und richte sich vor allem am Sachstand geeigneter Bewerbungen aus. Dabei spielt das Alter durchaus eine Rolle: So seien mittlere Altersjahrgänge, die das größte Potential für künftige Leiter darstellen, quantitativ geringer vorhanden, erklärt Nikolov. Das heißt, in diesem Alter gibt es zu wenige Lehrer. Anders sieht das bei den älteren und den deutlich jüngeren Jahrgängen aus. Bei den älteren Lehrer bestehe aber der Wunsch nach beruflicher Veränderung mitunter nicht mehr, bei den Jüngeren fehle wiederum die Erfahrung.

Oberschule und Gymnasium sollen zusammenwachsen

Gut, dass Marco Weinhold die in Weinböhla bereits gesammelt hat. Das trifft auch auf Jana Lüders zu, die zuletzt drei Jahre lang die Geschicke der 35. Oberschule in Löbtau als Stellvertreterin lenkte. Insgesamt war sie elf Jahre Lehrerin dort, vorher hatte sie an einem Berufsschulzentrum in Annaberg-Buchholz unterrichtet. Für einen Schulleiterposten bringt sie also die besten Voraussetzungen mit. Auch sie hatte von Beginn an eine solche Stelle im Auge. Als sie die Ausschreibung für die 32. Oberschule entdeckte, war die Entscheidung für ihre Bewerbung schnell gefallen. "Ich habe die Chance genutzt. Das ist eine tolle Schule, ich musste das einfach probieren."

Was beiden besonders gut gefällt: der moderne Campus im alten Straßenbahnhof, der erst 2018 eröffnet wurde und den sich die Oberschule mit dem Gymnasium Tolkewitz teilt. Hier wollen Lüders und Weinhold in ihrer Arbeit ansetzen, wollen, dass beide Schulen die Nähe zueinander nutzen und noch intensiver zusammenarbeiten. Ein erster Schritt: Die Ganztagsangebote sollen für Schüler beider Einrichtungen geöffnet werden. "Wir haben schnell gemerkt, dass wir ähnlich ticken, wenn es darum geht, wie Schule funktionieren soll", sagen Marco Weinhold und Jana Lüders übereinander. Ihre neuen Ideen sollen sich mit Altbewährtem mischen, die Lehrer seien eine große Hilfe dabei. 

Neue Herausforderung: digitale Schule

Wenn Jana Lüders ihre Vision einer modernen Schule beschreibt, blickt sie zurück auf ihre eigene Schulzeit, die sie sehr glücklich erlebt habe. Talentwettbewerbe, Sportwettkämpfe, Theater, Chor - all das will sie auf dem Tolkewitzer Schulcampus vorantreiben. "Wir wollen eine ganz eigene Schulkultur entwickeln, der sich Lehrer und Schüler zugehörig fühlen." Dazu gehört aber auch das digitale Lernen. Vor allem jetzt, in Corona-Zeiten und einer möglichen Quarantäne für einzelne Klassen, bei der Schüler wieder daheim lernen müssen. "Unser anspruchsvolles Ziel: Bis zu den Oktoberferien sollen alle Schüler mit dem Programm Lernsax ausgestattet sein", sagt Weinhold. Auch die Lehrer hätten mittlerweile alle einen Zugang und werden nun geschult. 

Die Digitalisierung der Schulen - auch das ist eine neue Herausforderung für Schulleiter, die gemeistert werden muss. Auch in Bezug auf die Eltern, von denen durchaus einige skeptisch gegenüber dieser Art des Lernens sind, sagt Jana Lüders. Für Marco Weinhold zählt zum gestiegenen Anspruch an den Leiterposten auch, dass die Kinder und Jugendlichen auf die Gesellschaft vorbereitet werden müssen. Eine Gesellschaft, die sich derzeit im Wandel befindet, in vielen Themen gespalten ist. Integration und Inklusion - das seien weitere Themen, die die Arbeit des Schulleiters sehr komplex machen. 

"Acht-Stunden-Tage gibt es nur selten"

Auch deshalb ist die Qualifizierung dafür anspruchsvoll. Insgesamt vier Phasen durchläuft ein angehender Schulleiter auf dem Weg an die Spitze einer Schule. Er beginnt mit einem Auswahlverfahren und führt weiter über eine "verpflichtende amtseinführende Qualifizierung", erklärt Petra Nikolov vom Landesschulamt. 

Jana Lüders hat die ersten drei Phasen bereits absolviert, dabei hatte sie Schulungen zur Organisation, zum Qualitäts- und Personalmanagement, aber auch zu rechtlichen Fragen, die im Schulalltag wichtig werden können. Nun folgt berufsbegleitend Phase vier. Für die Mutter eines siebenjährigen Sohnes sicher nicht immer einfach. "Wer Schulleiter sein will, muss sich klar sein, dass es einen geregelten Acht-Stunden-Tag nur selten gibt." Das trifft auch auf den Stellvertreter zu, der in der kommenden Erkältungszeit gut beschäftigt sein wird, die Stundenpläne zu halten, wenn Lehrer krank sind. Diese Herausforderungen will das neue Schulleiter-Duo gern annehmen - auch darin sind sich beide einig.

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