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Pumpspeicherwerk Niederwartha: Was bedeutet die Stilllegung?

Vattenfall hat das Pumpspeicherkraftwerk in Niederwartha energiewirtschaftlich stillgelegt. Was das konkret bedeutet, ob die Stadt Dresden dagegen vorgeht und was der Stadtrat jetzt will.

Von Theresa Hellwig
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Vattenfall hat das Pumpspeicherkraftwerk in Niederwartha energiewirtschaftlich stillgelegt.
Vattenfall hat das Pumpspeicherkraftwerk in Niederwartha energiewirtschaftlich stillgelegt. © Sven Ellger

Dresden. Darüber ist lange diskutiert worden, es gab viel Gegenwind. Zum 1. April hat Vattenfall das Pumpspeicherwerk in Niederwartha dennoch energiewirtschaftlich stillgelegt. Auch bei einer Expertenanhörung zum Klimaschutzkonzept der Stadt Dresden haben sich am Montag gleich mehrere Experten auf die Stilllegung bezogen – und sich dagegen ausgesprochen.

Aber was bedeutet diese energiewirtschaftliche Stilllegung überhaupt? Ist das unumkehrbar? Und wie geht die Stadt Dresden damit um? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist eine energiewirtschaftliche Stilllegung?

Um Punkt null Uhr zum Monatswechsel hat Vattenfall das Pumpspeicherwerk vom Netz genommen – und damit energiewirtschaftlich stillgelegt. Das bedeutet konkret, dass die Anlage dem Strommarkt nicht mehr zur Verfügung steht; weder als Strom-Produzent noch als Speicher. So erklärt es Lutz Wiese, Sprecher von Vattenfall. Diese energiewirtschaftliche Stilllegung ist für Vattenfall "anzeigepflichtig", nicht jedoch "genehmigungspflichtig".

Gibt es noch andere Formen der Stilllegung?

Zu unterscheiden ist zwischen der energiewirtschaftlichen und der wasserwirtschaftlichen Stilllegung. Erstere ist jene, die Vattenfall zu Beginn des Monats umgesetzt hat.

Zweitere würde bedeuten, dass Ober- und Unterbecken voneinander entkoppelt werden. Dafür bräuchte Vattenfall aber eine Genehmigung der sächsischen Landesdirektion in Form eines Planfeststellungsverfahrens. Denn diese Stilllegung hätte Auswirkungen auf den Wasserhaushalt der Stadt und auch auf die Umwelt. Nach Angaben der Landesdirektion liegt aber kein Antrag für eine solche Stilllegung vor.

Ist die jetzige Stilllegung wieder rückgängig zu machen?

Einen Weg zurück gibt es aus Sicht von Vattenfall nicht; eben, weil sich dies wirtschaftlich nicht rentiert. Dies war auch der Grund für die Abschaltung.

"Die Anlage hat mit bald 100 Jahren ihr technisches Lebensende erreicht", sagt Sprecher Lutz Wiese, "und die topografischen Bedingungen vor Ort entsprechen nicht mehr den Anforderungen an einen modernen Pumpspeicherwerk-Betrieb, die es heute für die Energiewende braucht." Was er meint? Nötig seien Speicher, die schnelle Lastwechsel bewerkstelligen können, bei hohem Wirkungsgrad. "Auch für die Netzstabilität wurde die Anlage von den Netzbetreibern als nicht erforderlich erachtet", so Lutz Wiese.

Wird in dem Werk etwas zurückgebaut?

Bereits im August 2023 ist in dem Werk eine Triebwasserleitung von den Maschinensätzen getrennt worden. "Bis dahin erfolgte der Wasseraustausch zwischen Unter- und Oberbecken über die Maschinen der Anlage", sagt Lutz Wiese. "Stattdessen haben wir inzwischen drei neue, kleinere Pumpen installiert, die den Wasseraustausch zwischen Unter- und Oberbecken sicherstellen."

Warum gibt es überhaupt Kritik?

Viel Kritik gibt es an der Abschaltung des Werks. So betonten beispielsweise die Experten bei der Anhörung am Montag die Wichtigkeit von Energiespeichern für die Energiewende. Auch im Bundestag war das Werk aus diesem Grund schon Thema. Denn Windenergie- und Solaranlagen speisen nicht permanent ins Netz sein, sondern sind tageszeit- und wetterabhängig. Um das auszugleichen, sind Energiespeicher wichtig. Ob dafür das Werk in Niederwartha das richtige ist, darüber streiten Vattenfall und die Kritiker.

Will die Stadt rechtliche Mittel gegen die Stilllegung ergreifen?

Auf die Forderung eines Stadtrates hin hat die Stadt Dresden die Rechtslage geprüft: Wäre eine Einstweilige Anordnung gegen die endgültige Stilllegung des Werks möglich? Oberbürgermeister Dirk Hilbert kam zu dem Schluss: Nein.

Eine Grundlage für eine solche Anordnung konnte nicht gefunden werden, berichtet Stadtsprecher Alexander Buchmann. Die Stilllegung sei eine unternehmerische Entscheidung, gegen die die Stadt Dresden keine rechtliche Handhabe habe. Auch Stadtratsbeschlüsse seien für Vattenfall nicht bindend.

Ist das Thema damit nun endgültig durch?

Ganz "durch" ist das Thema damit aber trotzdem noch nicht: Weiterhin steht für Vattenfall nach eigenen Angaben aber das Angebot im Raum, die Stadt Dresden könne das Werk kaufen.

Wie steht der Stadtrat dazu?

Auch im Stadtrat Ende März war das Werk ein Thema. Gleich zwei Anträge gab es dazu – und beide fanden eine Mehrheit. So wollen die Stadträte jetzt, dass Oberbürgermeister Dirk Hilbert dem Stadtrat einen Bericht vorlegt, welche Folgen die energiewirtschaftliche Stilllegung hat. Den Räten geht es dabei sowohl um energiewirtschaftliche Aspekte als auch um das Gebäude, das unter Denkmalschutz steht sowie um das Stauseebad Cossebaude, dessen Betrieb von dem Werk abhängt. Die Räte wollen, dass der Badebetrieb langfristig gesichert wird. Die Stadt solle zudem bis Ende Juni ein Konzept entwickeln, wie das Werk künftig genutzt werden könnte.

Außerdem soll die Stadtverwaltung herausarbeiten, welche Kosten mit dem Fortbetrieb des Bades verbunden sind – und ob vielleicht Fortbetrieb des Werks durch die Sachsen-Energie oder eine städtische Gesellschaft möglich ist.

Einen neuen Eilantrag will jetzt außerdem die Fraktion Freie Wähler/Freie Bürger einbringen. Die Stadträte fordern darin, eine weitere rechtliche Prüfung zu veranlassen. Ihnen geht es darum, ob die Abschaltung des Werks tatsächlich rechtmäßig war. So denkt die Fraktion, dass ein Passus in einer Bundes-Verordnung zu Kritischer Infrastruktur der Stilllegung entgegen sprechen könnte. Die Fraktion geht davon aus, dass die installierte Leistung in Niederwartha 120 MW beträgt - das Werk aber mit 40 MW stillgelegt wird. Damit könnte aus ihrer Sicht ein Grenzwert der Verordnung überschritten sein.

Lutz Wiese von Vattenfall widerspricht dem allerdings. So seien lediglich zwei verbliebene Maschinensätze stillgelegt worden, mit einer verbliebenen Leistung von 40 MW. Die Verordnung sei für das Pumpspeicherwerk "nicht gegenständlich".

Bereits im Herbst vergangenen Jahres hat Vattenfall eine Leitung gekappt - und das Werk damit vorläufig stillgelegt.
Bereits im Herbst vergangenen Jahres hat Vattenfall eine Leitung gekappt - und das Werk damit vorläufig stillgelegt. © Sven Ellger
Dieses zwei Meter lange und 2,2 Tonnen schwere Rohr wurde im Pumpspeicherwerk Niederwartha aus den alten Leitungen ausgebaut.
Dieses zwei Meter lange und 2,2 Tonnen schwere Rohr wurde im Pumpspeicherwerk Niederwartha aus den alten Leitungen ausgebaut. © Sven Ellger
Ein Blick in das Pumpspeicherwerk.
Ein Blick in das Pumpspeicherwerk. © Sven Ellger
Das Pumpspeicherwerk Niederwartha, im Bild die ehemalige Schaltwarte, steht unter Denkmalschutz. Die einstige Energiezentrale war bis etwa 1990 im Dienst.
Das Pumpspeicherwerk Niederwartha, im Bild die ehemalige Schaltwarte, steht unter Denkmalschutz. Die einstige Energiezentrale war bis etwa 1990 im Dienst. © Sven Ellger

Wie funktioniert überhaupt ein Pumpspeicherkraftwerk?

Das Pumpspeicherwerk in Niederwartha ist 1929 in Betrieb genommen worden. Ein Pumpspeicherkraftwerk ist eine spezielle Art von Wasserkraftwerk, in dem Energie gespeichert - und später zurück ins Netz eingespeist werden kann. Dafür transportieren Pumpen unter Energieaufwand große Mengen Wasser von einem tiefer gelegenen Reservoir, also dem Unterbecken, in ein höher gelegenes, also das Oberbecken. Wird Energie benötigt, wird das Wasser über ein Rohrsystem durch Turbinen in das Unterbecken geleitet. Die Turbinen wandeln die Bewegungsenergie des Wassers dann wieder in elektrische um.