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Dresdner Nachsorgeprogramm hilft immer mehr Schlaganfall-Patienten

Das Programm "SOS-Care" vom Uniklinikum Dresden senkt das Risiko eines Rückfalls für Schlaganfallpatienten. Aber noch nicht alle Versicherten können es nutzen.

Von Dominique Bielmeier
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Das "SOS-Care"-Team am Dresdner Uniklinikum (v.l.n.r.): Heike Trost, PD Dr. Jessica Barlinn, Leiterin von SOS-Care, Prof. Heinz Reichmann, Direktor der Klinik für Neurologie, Patient Burkhard Oppitz, Uwe Helbig, Lisa Frost und Nastasja Pfaff.
Das "SOS-Care"-Team am Dresdner Uniklinikum (v.l.n.r.): Heike Trost, PD Dr. Jessica Barlinn, Leiterin von SOS-Care, Prof. Heinz Reichmann, Direktor der Klinik für Neurologie, Patient Burkhard Oppitz, Uwe Helbig, Lisa Frost und Nastasja Pfaff. © Uniklinikum Dresden / Holger Ostermeyer

Dresden. Burkhard Oppitz ist Nummer 1.000. Wie 999 Schlaganfallpatienten und -patientinnen vor ihm wurde er ins Nachsorgeprogramm "SOS-Care" aufgenommen - noch während er Mitte Dezember in der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden akut versorgt wurde. Damit dürfte sein Risiko, einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, deutlich geringer sein als bei Patienten, die das Programm nicht nutzen oder nutzen können, wie die Ergebnisse einer Analyse von Patientendaten nahelegen.

"SOS Care" wurde mit Unterstützung der Krankenkasse AOK Plus am Uniklinikum entwickelt und soll "über eine regelmäßige strukturierte, ambulante Nachsorge eine optimale Versorgung der Betroffenen" sichern, erklärt das Krankenhaus in einer aktuellen Mitteilung. "Dies belegen Erhebungen der vergangenen Jahre, in denen die Gesundheitsdaten von rund 500 Patientinnen und Patienten analysiert wurden, die das 'SOS-Care'-Nachsorgeprogramm durchliefen."

Datenauswertung "sehr vielversprechend"

Seit 2016 ist "SOS Care" als "Besondere Versorgung" zur ambulanten regionalen Regelversorgung mit der AOK Plus vertraglich geregelt. Inzwischen seien mit Krankenhäusern in Arnsdorf, Freital, Dippoldiswalde und Meißen Kooperationsverträge geschlossen worden, wodurch das "SOS-Care"-Team mit nun vier speziell ausgebildeten Case-Managerinnen und -Managern vergrößert werden konnte. Deshalb profitierten nun noch mehr von Schlaganfällen Betroffene von dem Angebot.

Laut PD Dr. Jessica Barlinn, medizinische Leiterin von "SOS-Care" und dem telemedizinischen Schlaganfall-Netzwerk Ostsachsen, seien die Ergebnisse der Datenauswertung von über 500 Patientinnen und Patienten "sehr vielversprechend". Diese seien jeweils in das "SOS-Care"-Programm aufgenommen und in diesem Rahmen ein Jahr lang begleitet und beraten worden.

"Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ließen sich bei den relevanten Punkten positive Ergebnisse nachweisen", so Barlinn. Sowohl bei Zielparametern wie Blutdruckeinstellung und vollständige medikamentöse Sekundärprophylaxe als auch bei der Rezidivrate, also der Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls, hätten SOS-Care-Patientinnen und -Patienten deutlich bessere Ergebnisse als Betroffene gezeigt, die das Nachsorgeprogramm nicht durchlaufen hätten. Die Daten dieser Erhebung werden laut Klinikum gerade für eine wissenschaftliche Publikation aufgearbeitet.

Nur Versicherte der AOK Plus können "SOS Care" nutzen

Die Aufnahme des 1.000. Schlaganfallpatienten in das Nachsorgeprogramm zeige, dass es gelungen sei, "diese innovative, am Uniklinikum entwickelte und etablierte Versorgungsform als Standard zu etablieren", sagt Professor Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Krankenhauses. "Als hochschulmedizinische Institution war es wichtig, dieses Angebot weiter wissenschaftlich zu begleiten. Die Daten von gut der Hälfte aller Betroffenen, die das SOS-Care-Nachsorgeprogramm durchlaufen haben, bestätigen die in der Pilotphase ermittelten positiven Ergebnisse."

Trotzdem könnten nach wie vor nur Versicherte der AOK Plus das Team aus drei Schlaganfall-Lotsinnen und einem Schlaganfall-Lotsen in Anspruch nehmen, wie Professor Heinz Reichmann, Direktor der Klinik für Neurologie, erläutert: "Bedauerlicherweise konnte trotz positiver politischer Entwicklungen bisher noch keine umfassende Finanzierungsmöglichkeit etabliert werden." Trotzdem habe sich der Kreis von Schlaganfallpatientinnen und -patienten erweitert, die von der SOS-Care-Nachsorge profitierten.

Mit dem Sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Arnsdorf, den Helios Weißeritztal-Kliniken Freital und Dippoldiswalde sowie dem Elblandklinikum Meißen hätten drei Krankenhäuser der Region Kooperationsverträge geschlossen, damit ihre bei der AOK Plus versicherten Betroffenen in das Programm aufgenommen werden könnten. "Durch den erweiterten Personenkreis steigt auch die Zahl der neu ins SOS-Care-Programm aufgenommenen Patientinnen und Patienten", teilt das Uniklinikum mit. In den Vorjahren seien es rund 150 pro Jahr gewesen, während es in diesem Jahr über 200 sein würden.

Auszeichnung für Deutschlands ersten Schlaganfall-Lotsen

2011 nahm mit Uwe Helbig Deutschlands erster Schlaganfall-Lotse seine Arbeit auf. Laut Uniklinikum war er "wesentlich an der Ausgestaltung des Konzepts beteiligt und schrieb acht Jahre später eine Bachelor-Arbeit, in dessen Mittelpunkt das Konzept von SOS-Care und deren ersten Ergebnisse standen".

Für die Arbeit mit dem Titel "Case-Management – ein Instrument zur Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung in der ambulanten Nachsorge am Beispiel SOS-Care-Hilfe nach Schlaganfall" sei Uwe Helbig Ende Oktober mit dem Dr.-Jana-Alber-Gedenkpreises 2022 ausgezeichnet worden. In der Laudatio heiße es: "Insgesamt handelt es sich um eine beispielgebende und nachhaltige Arbeit, in der Belange der Nachsorge und Teilhabe der Betroffenen und der Angehörigenarbeit einbezogen sind."

Ausgangspunkt von "SOS-Care" war laut Uniklinikum Dresden, dass bis 2011 standardisierte Versorgungsangebote in der ambulanten Nachbehandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten fehlten, die auch das persönliche Umfeld der Patientinnen und Patienten einbezogen. "Deshalb setzte das an der Klinik für Neurologie des Uniklinikums entwickelte Programm auf ein ambulantes Case Management, in dessen Rahmen die Betroffenen für ein Jahr persönlich betreut werden."

Hausbesuche und telefonische Betreuung über ein Jahr

Dies übernähmen speziell geschulte Schlaganfall-Lotsinnen und -Lotsen, welche die weitere medizinische Versorgung koordinierten sowie Patientinnen und Patienten zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil motivierten. "Wichtige Ziele sind dabei, die individuellen Risikofaktoren zu reduzieren und die Therapietreue zu verbessern – etwa in Form der regelmäßigen Einnahme der Medikamente. Ziel dieser Nachsorge ist es, einen erneuten Schlaganfall und dessen Folgen zu vermeiden", erklärt das Klinikum.

Bereits während des Krankenhausaufenthalts nehme das SOS-Care-Team persönlich Kontakt mit den Patientinnen und Patienten auf und erkläre ihnen dabei das Angebot und die Vorteile, die sich aus der über ein Jahr laufenden Betreuung ergeben. Neben Hausbesuchen berieten die Lotsinnen und Lotsen die Betroffenen und deren Angehörige auch regelmäßig am Telefon.

Dabei gehe es nicht nur um die Therapietreue und einen geänderten Lebensstil, sondern auch um eine Beratung bezüglich der Weiterbehandlung. Im Mittelpunkt stünden beispielsweise Fragen um die häufig schwierige Suche nach einem Facharzt oder adäquate Angebote in den Bereichen Logopädie und Physiotherapie.