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Warum es an dieser Dresdner Schule keine Hausaufgaben gibt und sich alle duzen

An der Montessori-Grundschule lernen 120 Kinder. Anders als an staatlichen Grundschulen gibt es hier Noten erst ab Klasse 4 und keinen Frontalunterricht. Ein Besuch.

Von Julia Vollmer
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An der Montessori Grundschule Dresden-Leuben ist  Silke Kusche die Schulleiterin und unterrichtet auch selbst.
An der Montessori Grundschule Dresden-Leuben ist Silke Kusche die Schulleiterin und unterrichtet auch selbst. © [c] by Matthias Rietschel

Dresden. Wenn die Schulglocke nach der letzten Stunde klingelt, ist für viele Kinder in Dresden der Schultag noch nicht vorbei, denn dann stehen Hausaufgaben an. Nicht so in der Montessori-Grundschule auf der Pirnaer Landstraße. "Die Kinder bringen mir ja auch keine Aufgaben von zu Hause mit und deswegen gebe ich ihnen auch keine Hausaufgaben auf", sagt Schulleiterin Silke Kusche.

An ihrer Schule lernen 120 Kinder in Lerngruppen, Klassen gibt es an der Montessori-Schule nicht. Stattdessen verteilen sich die Schüler auf sechs Lerngruppen, in denen die Kinder von der ersten bis zur vierten Klassenstufe gemeinsam lernen. Auch in den Hort gehen sie alle zusammen als gemischte Gruppen.

"Bei uns können alle Kinder lernen, die die schon sehr leistungsstark sind und schon etwa Bruchrechnung können oder auch Kinder, denen das Lernen noch sehr schwerfällt", sagt die Schulleiterin. Es gibt sechs Inklusionsplätze für Kinder mit einer Beeinträchtigung.

Silke Kusche selbst unterrichtet Ethik, Kunst und Werken und ist von Anfang an seit dabei. 2007 wurde die Schule als Elternverein gegründet, seit 2014 gehören sie zum Träger SRH. Dieser Träger betreibt noch weitere Schulen in der Stadt.

Altersgemischte Gruppen statt Schulklassen

An der Schule sind noch mehr Dinge anders als an staatlichen Grundschulen. "Wir duzen uns alle. Es wird niemand mit Herr oder Frau angesprochen", sagt sie.

Die Mädchen und Jungen lernen nach dem Konzept von Maria Montessori. Die italienische Reformpädagogin und Ärztin ist nicht unumstritten, ein aktuelles Buch mit dem Titel "Der lange Schatten Maria Montessoris. Der Traum vom perfekten Kind" setzt sich kritisch mit ihr auseinander.

Klassische Stuhlreihen und Frontalunterricht gibt es an der Grundschule nach Montessoris Vorbild nicht. Stattdessen machen die Pädagoginnen eine sogenannte Darbietung, also eine Art kleiner Vortrag. In diesem bringen sie den Kindern den Unterrichtsstoff in Deutsch, Sachkunde oder Mathematik näher. Die Kinder hören zu, können aber in der sogenannten "freien Lernzeit" danach selbst den Stoff erarbeiten.

Sie können selbst entscheiden, ob sie dann Folgen des Einmaleins üben oder sich eher mit Wildtieren beschäftigen wollen, erzählt Kusche. Trotzdem gibt es natürlich klare Vorgaben, damit der Lehrplan auch erfüllt werden könne, denn die Grundschule ist eine staatlich anerkannte Schule.

"Richtige" Noten gibt es erst ab der vierten Klasse

Noten gibt es erst ab der vierten Klasse - zumindest sichtbar für Eltern und Schüler. Vorher gibt es schriftliche Bewertungen. Die Bewertung in Notenform läuft nur im Hintergrund, da das zu den Anforderungen des Landesamtes für Schule gehört, wie Silke Kusche erklärt.

Die Kinder sollen ab der vierten Klasse spielerisch an das Thema Noten herangeführt werden und das nicht als Druck empfinden. Um die Noten zu vergeben, werden auch Tests geschrieben oder es werden die Lernerfolge der Kinder bewertet. "Wir erleben oft, wenn Kinder so von staatlichen Schulen zu uns wechseln, dass sie erst mal wieder lernen müssen, dass nicht alles vorgegeben wird", erzählt die 52-Jährige.

Zum Halbjahr der vierten Klasse gibt es aber Bildungsempfehlungen und Halbjahreszeugnisse wie an staatlichen Grundschulen, damit sich die Kinder dann an den weiterführenden Schulen bewerben können. Möglich ist zum Beispiel das Weiterlernen an der Montessori-Oberschule in Dresden. "Viele unserer Kinder wechseln aber auch auf staatliche Gymnasien", sagt Silke Kusche.

Alle Lehrerinnen brauchen das Montessori-Diplom

Alle sechs Pädagoginnen sind staatlich ausgebildete Grundschul-Lehrerinnen. Sie haben aber danach noch das zweijährige berufsbegleitende Montessori-Diplom gemacht, in dem sie alles über die Konzepte von Maria Montessori lernen.

Wichtig ist auch die Arbeit mit den Eltern. Es gibt zwei Mal im Jahr sogenannte Entwicklungsgespräche, an denen Lehrer, Eltern und Kinder gemeinsam teilnehmen. Dabei geht es darum, wie sie sich in der Schule entwickeln und wo es noch Herausforderungen gibt. "Ab und zu haben wir mal verzweifelte Eltern am Telefon, die den Leistungsdruck an den staatlichen Grund schon erleben und in der zweiten Klasse, wenn es dann Note vier oder fünf hagelt sich bei uns bewerben", sagt sie.

Bevor die Kinder an der Schule angenommen werden, gibt es Infoabende, Elterninformationen und ein Kennenlerngespräch mit jeder Familie. "Es muss einfach passen", betont die Pädagogin. Was Familien wissen müssen: Es gibt eine monatliche Schulgebühr von 210 Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Hort und das Mittagessen.

Geöffnet ist die Schule jeden Tag von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Mittags gehen dann Unterricht und Hortzeit ineinander über. Nachmittags gibt es statt Hausaufgaben eine Tanzgruppe, ein Atelier zum Basteln und Nähen als Angebote.