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Der große Gesundheitscheck: Wie fit sind Dresdens Vorschulkinder?

Fast 5.800 Vorschulkinder aus Dresden sind untersucht worden. Wie es um ihre Sehkraft steht, wie viele von ihnen Sprachauffälligkeiten haben und wie viele übergewichtig sind - das sind die Ergebnisse.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Jedes Jahr werden angehende Grundschüler in Dresden gründlich untersucht, bevor sie in die erste Klasse kommen. Nicht alle sind schon bereit dafür.
Jedes Jahr werden angehende Grundschüler in Dresden gründlich untersucht, bevor sie in die erste Klasse kommen. Nicht alle sind schon bereit dafür. © dpa

Dresden. Einmal im Jahr werden Dresdens Kinder gründlichen Tests unterzogen, bevor sie in die Schule kommen. Die Amtsärzte prüfen Sehschärfe, Hörvermögen, Gewicht, Haltung, aber auch mögliche Verhaltensauffälligkeiten, Lernprobleme oder Schwierigkeiten beim Sprechen. Am Ende empfehlen sie, ob ein Kind demnächst die Grundschule besuchen oder noch ein Jahr zurückgestellt werden sollte.

Die Ergebnisse von allen Dresdner Kindern, die im Schuljahr 2023/24 eingeschult wurden, liegen nun vor. Sächsische.de stellt die wichtigsten Befunde vor.

Befund 1: Sprechen bereitet die größten Probleme

Die Aufgabe: Bei der Schuleingangsuntersuchung testen die Kindermediziner, wie gut die zumeist Fünfjährigen sprechen können. Zu den Aufgaben gehört zum Beispiel, die Mehrzahl eins Wortes wie "Haus" zu bilden, Sätze nachzusprechen oder ein Bild zu beschreiben.

Das Ergebnis: Sprache und Sprechen bereiten den angehenden Grundschülern die größten Probleme. Bei 2.287 von 5.791 untersuchten Kindern - das sind 40 Prozent - hat der Kinder- und Jugendmedizinische Dienst Auffälligkeiten festgestellt, unter anderem Lispeln, schweres Stottern oder Schwierigkeiten, ein Wort richtig auszusprechen.

Nicht bei allen sei eine Therapie nötig, betont Natalie Schmitt, Abteilungsleiterin der Kinder- und Jugendgesundheit des Dresdner Gesundheitsamtes. Bei fast 1.000 Kindern waren die Auffälligkeiten aber so gravierend, dass eine Überweisung zum Arzt ausgestellt wurde.

Sorgen bereite der Medizinerin, dass die Zahl der Kinder zunimmt, die in ihrem Leben bislang zu wenig gesprochen haben oder bei zu wenigen Gesprächen mithören konnten. Dieser "Input" müsse normalerweise aus der Familie oder dem Kindergarten kommen. Darüber hinaus gibt es Kinder, die wegen ihrer Herkunft die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen.

Befund 2: Jedes dritte Kind hat Schwierigkeiten mit Zahlen

Die Aufgabe: Rechenaufgaben sollen die Kinder natürlich noch nicht lösen. Allerdings sollen sie zum Beispiel erkennen, dass fünf blaue Bälle auf der linken Seite des Blattes eine größere Menge sind als die drei gelben auf der rechten Seite. Auch bis 14 sollten sie zählen können, dies sei laut Natalie Schmitt altersentsprechend.

Das Ergebnis: Das Positive zuerst: Fast 70 Prozent der untersuchten Kinder sind gut auf den Mathematikunterricht vorbereitet. "Ohne Befund", wie Mediziner sagen. Bei 31 Prozent sieht das anders aus - Auffälligkeiten beim Zahlenvorwissen landen auf Platz 2 der am häufigsten festgestellten Defizite. Die Eltern sollten die Kinder in diesem Alter noch nicht trimmen, die Zahlen auswendig zu lernen. Sinnvoller sei es, das Zählen in den Alltag zu integrieren. "Im Zoo lassen sich zum Beispiel Tiere abzählen, auf der Straße Autos, beim Backen die Eier."

Befund 3: Jedes vierte Kind hat schlechte Augen

Die Aufgabe: Jeder kennt ihn, den Sehtest. Aus einigen Metern Abstand muss man Zahlen und Buchstaben erkennen, die von oben nach unten immer kleiner werden. Bei Kindern kommen Formen zum Einsatz, zum Beispiel Tiere. Nicht nur die Augen werden überprüft, das Gehör wird ebenfalls getestet.

Das Ergebnis: Noch so jung, und doch schon schlechte Augen - das gilt für 26 Prozent der untersuchten Kinder. Ein vermindertes Hörvermögen wurde bei zehn Prozent der baldigen Grundschüler festgestellt. "Tatsächlich wird bei immer mehr Kindern immer früher eine Kurzsichtigkeit festgestellt", sagt Schmitt.

Dies passiere, wenn die Augen zu selten in die Ferne blickten und sich stattdessen zu sehr auf nahegelegene Dinge fokussierten: Smartphones, Lerncomputer oder Bücher zum Beispiel. Auch zu wenig Tageslicht führe dazu. Die Medizinerin betont, dass es sich auch um leichte Ausprägungen von Kurzsichtigkeit handle. Dennoch: Gute Augen seien eine Grundvoraussetzung, um lernen zu können.

Befund 4: Nur wenige Kinder haben Übergewicht

Standardmäßig werden die Kinder bei der Untersuchung auf die Waage gestellt. Man kann es als Großstadtphänomen begreifen: In Dresden gelten lediglich sechs Prozent der Vorschulkinder als übergewichtig oder fettleibig. Sachsenweit ist das der niedrigste Wert. Generell ist Übergewicht in den Großstädten seltener ein Problem, wie die Schuleingangsstatistik zeigt. Dagegen gibt es mehr Kinder mit Untergewicht. 14 Prozent sind leichter, als sie für ihr Alter und ihre Größe sein sollten. Vier Prozent sind sogar stark untergewichtig gewesen.

Die Empfehlung: 385 Kinder sollten mit dem Schulbesuch warten

14 Prozent der Kinder hat der Amtsarzt den Besuch der Grundschule nicht empfohlen. Sieben Prozent - das sind 385 Kinder - sollten aus Sicht der Kindermediziner noch ein Jahr warten, bevor sie eingeschult werden. Zeit, damit sich Sprache, Körperkoordination und Konzentrationsfähigkeit entwickeln können. Den anderen sieben Prozent (412 Kinder) ist ein sonderpädagogischer Förderbedarf nahegelegt worden. Dies kann über einen Schulbegleiter in einer Grundschule umgesetzt werden oder in einer Förderschule.

In jedem Fall gilt: Die Entscheidung über die Schulaufnahme des Kindes trifft die Schulleitung, nicht der Amtsarzt. Natalie Schmitt: "Viele Eltern wissen das nicht und kommen mit einer hohen Erwartungshaltung an ihre Kinder zu uns, was wiederum Druck auf die Kinder ausübt. Das ist überhaupt nicht nötig. Wir empfehlen, eine Entscheidung fällt bei uns nicht."