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So viele Kinder nehmen die Dresdner Schulen im neuen Schuljahr auf

Nicht alle Kinder dürfen ab August an ihrer Wunschschule lernen. An einer Einrichtung haben sogar 105 Familien eine Absage erhalten. Nach welchen Kriterien wurde ausgewählt? Und sind Widersprüche möglich?

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Viele Dresdner Schulen sind so beliebt, dass die Nachfrage das Platzangebot deutlich übersteigt.
Viele Dresdner Schulen sind so beliebt, dass die Nachfrage das Platzangebot deutlich übersteigt. © René Meinig

Dresden. Und plötzlich ist der Schulweg zwei Kilometer länger als gedacht. Eigentlich sollte Pauline ab dem kommenden Schuljahr das Gymnasium Pieschen besuchen. So hatten es sich die Zehnjährige und ihre Eltern gewünscht. Die Familie lebt im Stadtteil. Doch das Gymnasium gehört zu den beliebtesten Schulen in ganz Dresden - seit ihrer Eröffnung. So ist am Freitag Gewissheit daraus geworden, was die Familie schon befürchtet hatte.

"Leider haben wir keinen Platz in Pieschen gefunden und wurden stattdessen auf dem Dreikönigsgymnasium angenommen", erzählt Mutter Eva Schmidt. Der Name ist geändert, der Redaktion jedoch bekannt. Ihren richtigen Namen will die Frau für sich behalten. "Das Dreikönigsgymnasium ist auch eine super Schule, aber wir hatten uns einen kürzeren Schulweg gewünscht", sagt sie. Nun muss Pauline jeden Morgen die dreieinhalb Kilometer mit dem Rad oder der Bahn überwinden. Auch mit der guten Freundin aus der Grundschule muss sie sich jetzt in der Freizeit statt in der Schule treffen. Denn diese hat es auf die Wunschschule geschafft.

Pauline ist nicht allein. Die meisten Kinder werden von ganzem Herzen gehofft haben, mit ihren besten Freunden auf dieselbe Oberschule oder dasselbe Gymnasium zu kommen. Doch der letzte Tag in der Grundschule wird in vielen Fällen mit Tränen enden. Denn insgesamt 477 Kinder werden mangels Plätzen nicht an ihrer Wunschschule in die fünfte Klasse kommen. Das haben die Familien am Freitag erfahren. Auch an den Grundschulen gibt es hunderte Absagen beziehungsweise Umlenkungen.

An welchen Einrichtungen die Nachfrage besonders groß war und was Eltern jetzt noch tun können, um ihr Kind vielleicht doch noch an der Wunschschule unterzubringen.

An welchen Schulen gab es zu wenige Plätze?

Den knapp 5.000 angehenden Fünftklässlern, die an ihrer Wunschschule angenommen worden, stehen 297 zukünftige Oberschüler und 180 Gymnasiasten gegenüber, die dieses Glück nicht hatten. Das geht aus den Zahlen des Landesamtes für Schule und Bildung hervor, die Sächsische.de vorliegen.

Bei den Oberschulen musste die neue Gemeinschaftsschule Albertstadt die meisten Absagen verschicken. Dort waren im Winter 201 Kinder angemeldet worden, doch nur für 98 reicht der Platz.

Offenbar hat das Schulmodell viele Familien überzeugt: Die Schüler, die im Sommer in den Neubau an der Ecke Königsbrücker Straße/Stauffenbergallee ziehen werden, sollen von der ersten bis zur neunten (Hauptschulabschluss), zehnten (Realschulabschluss) beziehungsweise zwölften Klasse (Abitur) gemeinsam unter einem Dach lernen und nach der vierten Klasse nicht mehr die Schule wechseln müssen. Jüngere und Ältere lernen also gemeinsam.

Freundschaften müssen nach der Grundschule nicht enden. Dasselbe passiert zum neuen Schuljahr an der Universitätsschule. Dort hat der Platz jedoch geradeso gereicht, sodass kein Kind an eine andere Schule "gelenkt" werden muss.

Insgesamt neun Oberschulen mussten Ablehnungsbescheide verschicken.

Zum wiederholten Mal reichen die Kapazitäten am Gymnasium Pieschen nicht aus. Dort haben 47 Kinder eine Absage erhalten. Für 162 Fünftklässler geht der Wunsch dagegen in Erfüllung, auf dem neuen Campus zwischen Leipziger und Großenhainer Straße lernen zu dürfen. Auch die Gymnasien Bühlau, Plauen, Tolkewitz sowie das Pestalozzi-Gymnasium und das Marien-Curie-Gymnasium mussten Ablehnungsbescheide verschicken.

Die 477 Kinder, die nicht an ihrer Wunschschule lernen dürfen, werden nun an Schulen umgelenkt, an denen es noch freie Plätze gibt. Das ist durchaus rechtens: Für die Oberschulen und Gymnasien in Dresden gibt es keine Schulbezirke. Das bedeutet, jeder Schüler darf sich an einer beliebigen Schule anmelden - ganz egal, in welchen Stadtteil er lebt. Im Umkehrschluss gilt dies auch, wenn es mit der Wunschschule nichts geworden ist. Dann können Schulleiter sie an eine Schule verweisen, an der noch Plätze vorhanden sind.

Dabei gilt im Prinzip nur eine Regel: Der Schulweg muss noch zumutbar sein. Zumutbar ist ein Schulweg, wenn er nicht länger als 60 Minuten dauert, urteilten Richter des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts 2009. In Dresden sind - so argumentierte die Schulbehörde in den vergangenen Jahren immer wieder - alle Oberschulen und Gymnasien innerhalb von einer Stunde erreichbar.

Nach welchen Kriterien wurde ausgewählt?

Übersteigt die Zahl der Anmeldungen die vorhandene Kapazität, wird an den Schulen ein Auswahlverfahren in Gang gesetzt. Zunächst wird geschaut, ob im kommenden Schuljahr bereits ein Geschwisterkind an der Schule lernt. Ist dies der Fall, gilt dies als Pluspunkt.

Gute Karten hat außerdem, wer in der Nähe der Schule wohnt. Schließlich entscheidet das Los über Kinder, die zwar alle vorangegangenen drei Kriterien erfüllen, aber nicht alle unterkommen können. Alle Dresdner Schulen betonen, in allen Fällen zu prüfen, ob eine Ablehnung für die Kinder eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Können Eltern dem Bescheid widersprechen?

Ja, Eltern haben die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Das muss allerdings innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Briefs passieren. In dem Schreiben an die Eltern ist dies auch noch einmal bei der Rechtsbehelfsbelehrung vermerkt.

Gibt es solche Ablehnungen auch bei Grundschulen?

Ja. Die Einschulungsbescheide der Dresdner Grundschulen sind bereits im Mai an die Familien geschickt worden. Hier sind 357 Kinder umgelenkt worden. Die meisten Absagen gab es an der Universitätsgrundschule, die mit der Oberschule zur Gemeinschaftsschule verschmilzt und so ein gemeinsames Lernen von der ersten bis zur letzten Klasse ermöglicht.