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Dresden: Im Hochhaus ohne Fahrstuhl

Innerhalb von fünf Jahren ist ein Aufzug im Hochhaus an der Zwinglistraße viermal defekt. Warum das so ist und was das für die Mieter bedeutet.

Von Nora Domschke
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Jürgen Schramm wohnt in einem Grunaer Hochhaus in der 14. Etage. Wenn der Aufzug nicht fährt, hat der Rollstuhlfahrer ein massives Problem.
Jürgen Schramm wohnt in einem Grunaer Hochhaus in der 14. Etage. Wenn der Aufzug nicht fährt, hat der Rollstuhlfahrer ein massives Problem. ©  Rene Meinig

Dresden. Nicht schon wieder! Jürgen Schramm kann es kaum fassen, als er am Ostersamstag in seinem Rollstuhl vor den Aufzug fährt. "Außer Betrieb" ist dort in orangefarbenen Lettern an der Anzeige zu lesen. Nach 2016, 2018 und 2019 ist Dresdens Pannen-Fahrstuhl nun schon zum vierten Mal defekt. "Wie kann das denn bitte passieren?", fragt sich Schramm, der in der 14. Etage des Sechzehngeschossers an der Zwinglistraße wohnt. Denn 2018 wurde die Aufzug-Anlage komplett modernisiert.

Bis in die 16. Etage sind es 250 Stufen, zu Fuß kann diese Strecke kaum einer der Mieter dort oben zurücklegen. "Das ist eine Schande", findet der 72-Jährige. Denn in seinem Hochhaus wohnen vor allem betagte Menschen, viele der 135 Wohnungen werden von der Volkssolidarität genutzt, um dort Senioren zu betreuen.

Bewohner, Pflegekräfte, Familienangehörige - sie alle müssen nun lange Wartezeiten vor dem noch verbliebenen zweiten Aufzug in Kauf nehmen. Bis zu 30 Minuten kann es dauern, bis der georderte Fahrstuhl endlich seine Türen öffnet. "Manchmal ist er dann aber schon so voll, dass ich nicht mehr hineinpasse mit meinem Rollstuhl." Dann ist Geduld gefragt. Gar nicht so einfach für Jürgen Schramm, der auf den Rollstuhl angewiesen ist und aufgrund seiner körperlichen Einschränkung öfter zur Toilette muss. "Ich habe regelrecht Angst, nach unten zu fahren, weil ich nicht weiß, wie lange ich dann warten muss, um in meine Wohnung zurückzukommen."

Immerhin: Weil die Aufzüge bereits 2016 längere Zeit defekt waren, hatte Vonovia damals auf jeder Etage Klappstühle anbringen lassen, damit sich die Senioren beim Warten hinsetzen können.
Immerhin: Weil die Aufzüge bereits 2016 längere Zeit defekt waren, hatte Vonovia damals auf jeder Etage Klappstühle anbringen lassen, damit sich die Senioren beim Warten hinsetzen können. ©  Rene Meinig

Seinen Einkauf hat der Senior nun in die zeitigen Morgenstunden verlegt. Punkt 7 Uhr, wenn der Supermarkt an der Zwinglistraße öffnet, holt er sich seine Lebensmittel, damit er möglichst schnell wieder die Fahrstuhlfahrt nach oben antreten kann. "So zeitig ist noch nicht viel los im Haus." Doch auch im Aufzug, der "funktioniert", habe Schramm ein mulmiges Gefühl. "Vor Kurzem ist eine Frau mit dem Fahrstuhl stecken geblieben, zwei Stunden musste sie warten, bis er weiterfuhr." In den vergangenen Jahren kam es zudem immer wieder vor, dass beide Fahrstühle defekt waren - dann sitzen viele der Senioren in ihren Wohnungen fest. So wie Jürgen Schramm.

Er ist wütend, vor allem, weil er das Gefühl hat, dass sich niemand so richtig um das Dauer-Problem Fahrstuhl kümmert. Zwar hat Vonovia inzwischen die Firma gewechselt, die sich um die Wartung und Reparatur der Technik kümmert. "Doch da tut sich seit meinem Anruf gar nichts." Wenn Jürgen Schramm am Ostersamstag dort nicht selbst angerufen hätte, wäre das Problem dort wohl erst am Dienstag nach Ostern bekannt geworden, ist er sich sicher. "Bei Vonovia habe ich am Osterwochenende nämlich niemanden erreicht."

Vonovia: "Wartezeiten bedauern wir"

Mit seiner Vermutung, dass sich am defekten Fahrstuhl gar nichts tut, liegt Jürgen Schramm allerdings falsch. Durchaus hat sich die Aufzugfirma mit dem Schaden befasst. "Die Steuerplatine im Schaltschrank war defekt", teilt Vonovia-Sprecher Matthias Wulff auf SZ-Anfrage mit. Er verweist auf den zweiten Aufzug, der ja funktioniert hat, räumt aber auch ein: "Damit ist zwar der Betrieb sichergestellt, aber es kam leider zu Wartezeiten für die Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses – das bedauern wir." Am Montagabend konnte der Schaden behoben werden, nun fahren wieder beide Aufzüge.

In Bezug auf die vergangenen Defekte sagt Wulff: "Der Ausfall im vergangenen Jahr hatte technisch nichts mit diesem Stillstand zu tun."

Dennoch ist das Thema Fahrstuhl-Stillstand ein Dauerbrenner beim Bochumer Großvermieter. Immer wieder kommt es zu Defekten an den Aufzügen in den Vonovia-Häusern, besonders in den großen Plattenbau-Wohnvierteln in Prohlis und Johannstadt. Zuletzt fiel aber auch der Fahrstuhl in einem Neubau des Vermieters aus - ganze sechs Wochen.

Immerhin: Um den Grunaer Senioren die "Wartezeit" so angenehm wie möglich zu machen, ließ Vonovia bereits 2016 auf jeder Etage Klappstühle vor den Aufzügen anbringen. Dass die Klappstühle noch so oft einen Nutzen haben werden, hätten die Mieter damals allerdings nicht gedacht. Inzwischen gibt es diese Sitzmöglichkeiten auch in etlichen anderen Dresdner Hochhäusern des Großvermieters.

Was auffällt: In den Hochhäusern der Dresdner Wohnungsgenossenschaften gibt es derartig lange Ausfälle kaum. Obwohl auch diese Vermieter Probleme mit der veralteten Technik haben. Viele Dresdner Aufzüge wurden vor mehr als 20 Jahren eingebaut. Zunehmend fallen wichtige Bauteile aus, die Anfälligkeit der alten Technik steigt.

Wie bei einem Auto sind nach einer gewissen Lebensdauer größere Reparaturen nötig, vor allem an Verschleißteilen wie Tragseilen, Getrieben und Antrieben, erklärt ein Aufzug-Experte. Wer rechtzeitig in Neuteile investiere – und zwar vor dem Ausfall – sorgt dafür, dass die Mieter solche Probleme wie Jürgen Schramm gar nicht erst haben. Ersatzteile haben die Aufzugfirmen nicht immer auf Lager und müssen bestellt werden, nicht selten im Ausland. Das dauert.

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