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Landesdirektion stoppt Asyl-Bezahlkarte in Dresden

Zum ersten Mal überhaupt fand im Dresdner Stadtrat im März ein Asyl-Antrag der AfD eine Mehrheit. Im Rat gab es am Donnerstag eine überraschende Wendung in der heiklen Bezahlkartenfrage.

Von Dirk Hein
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Obwohl es auf der Tagesordnung stand, wurde im Stadtrat nicht erneut über eine Bezahlkarte abgestimmt.
Obwohl es auf der Tagesordnung stand, wurde im Stadtrat nicht erneut über eine Bezahlkarte abgestimmt. © Matthias Rietschel

Dresden. Lange bevor andere Landkreise die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen wollten, hatte in Dresden bereits ein AfD-Antrag im Oktober 2023 gefordert, dass die Landeshauptstadt zur Modellregion wird und die Karte so schnell wie möglich einführt. Monate später wurde darüber abgestimmt und erstmals bekam ein AfD-Antrag zum Thema Asyl mit den Stimmen der CDU eine Mehrheit. Kurz darauf wurde bundesweit darüber diskutiert. Eigentlich hätte im Rat nun erneut darüber beraten werden sollen. OB Dirk Hilbert (FDP) verhinderte den Beschluss jedoch, nahm ihn auf Weisung der Landesdirektion von der Tagesordnung.

Was hatte der Rat bisher zur Bezahlkarte beschlossen?

Sachsenweit führen immer mehr Landkreise Bezahlkarten für Geflüchtete ein. Seit Anfang April haben sieben der zehn Landkreise mit der Kartenausgabe begonnen. Bis zu einem Maximalbetrag von 50 Euro für jeden Erwachsenen und zehn Euro je Kind kann pro Monat nur noch Geld abgehoben werden. Überweisungen ins Ausland sind nicht mehr möglich. So sollen finanzielle Anreize für eine Flucht reduziert werden.

Dresden wollte so eine Karte bisher nicht einführen, sondern mit Blick auf die hohen Kosten abwarten, bis die gerade beschlossene bundeseinheitliche Lösung auch tatsächlich umgesetzt wird.

AfD, CDU, Freien Wählern/Freien Bürgern und FDP dauert das jedoch zu lange. Im Rat stimmten sie im März dem AfD-Antrag zu, die Bezahlkarte so schnell wie möglich auch in Dresden einzuführen. Dieser Antrag wurde in der vergangenen Sitzung mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Das sorgte für bundesweite Turbulenzen.

Warum mischte sich die Bundes-CDU ein?

Die CDU hat auf Bundesebene einen "Unvereinbarkeitsbeschluss", also eine Art Brandmauer zur AfD beschlossen. Die Dresdner CDU hat diese Brandmauer unter ihrer Vorsitzenden Heike Ahnert jedoch aufgeweicht. Mehrfach wurde in Asyl-Debatten mit der AfD gestimmt oder deren Positionen gestützt. Eine Mehrheit für die Asyl-Pläne der Stadt ermöglichte meist die FDP, die zum Beispiel konsequent für Anträge hinsichtlich der Unterbringung von Geflüchteten gestimmt hat. Die Union hatte wie die AfD dagegen votiert.

Nach der Abstimmung im vergangenen Monat schaltete sich CDU-Parteichef Friedrich Merz persönlich ein und kündigte eine Prüfung der Vorgänge in Dresden an. "Die Entscheidung ist in der Sache richtig, im Verfahren inakzeptabel", so Merz in Berlin. "Das war ein Fehler. Wir werden über alles Weitere mit den Betroffenen sprechen."

Diese Prüfung blieb in der Sache ohne personelle Konsequenzen. "Wir müssen künftig absichern, dass unsere Positionen in eigenen Anträgen zur Abstimmung gebracht werden", so Heike Ahnert im Nachgang. Dann werde es solche Debatten wie nicht mehr geben.

Weshalb sollte der Rat erneut abstimmen?

Jede Entscheidung im Rat wird nach der Sitzung durch OB Hilbert nochmals geprüft. Der OB muss Beschlüssen widersprechen, wenn das Rathaus zu der Einschätzung gekommen ist, dass Beschlüsse rechtswidrig sind, oder nachteilig für die Landeshauptstadt.

Dem Ratsbeschluss zur Bezahlkarte widersprach Hilbert, da dieser aus Sicht des OBs nachteilig für Dresden ist. "Der Beschluss beeinträchtigt die wirtschaftlichen Interessen der Stadt durch finanzielle und personelle Mehraufwände negativ", so Hilbert. Die Einführung würde mindestens 100.000 Euro und bis zu 460.000 Euro pro Jahr zusätzlich kosten.

Widerspricht der OB, muss sich der Rat in der folgenden Sitzung erneut mit dem Thema beschäftigen. Dies war nun eigentlich der Fall.

Warum wurde nicht abgestimmt?

Um nicht nochmal dem AfD-Antrag zustimmen zu müssen, hatten CDU und FDP im Vorfeld einen eigenen Ersetzungsantrag zum Thema eingebracht. Konkret sollte sich Dresden "unverzüglich" dem Pilotprojekt der anderen Landkreise anschließen. Mit dem AfD-Antrag war ursprünglich beschlossen worden, Dresden solle eine komplett eigene Karte einführen. Dadurch wären womöglich höhere Kosten entstanden.

Im Rat am Donnerstag kam es jedoch gar nicht noch einmal zu einer Diskussion oder einem Beschluss zum Thema. OB Hilbert nahm den Antrag kurzerhand von der Tagesordnung. "Schon frech, oder", witzelte der OB kurz vor dem völlig überraschten Plenum - nur um dann zu erklären, die Landesdirektion habe sich gemeldet. Der Beschluss sei rechtswidrig.

Alle Fragen und Entscheidungen rund um die Einführung so einer Karte sowie zu Vorgaben zu den technischen Regeln und zu möglichen Einschränkungen der Karte fallen laut dem Schreiben der Landesdirektion in Zuständigkeit des Oberbürgermeisters. Das hatte die Rechtsaufsichtsbehörde extrem kurzfristig am Tag der Ratssitzung mitgeteilt. Der Stadtrat sei in diesem Fall nicht zuständig, könne daher auch keine Beschlüsse fassen.

Welche Reaktionen gibt es dazu?

Linke-Chef André Schollbach sieht im Schreiben der Landesdirektion und in der Rechtswidrigkeit des Antrages vor allem eine "maximale Blamage für CDU. Erst paktiert sie mit der extremen Rechten, dann versucht sie den Beschluss zu verschlimmbessern, nun stellt sich heraus, dass der Rat nicht mal zuständig ist."

CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert spielte den Ball an die Stadt zurück. "Wenn der Antrag so offensichtlich rechtswidrig ist, hätte er doch nie über Monate in den Ausschüssen beraten und später vom Rat erstmalig beschlossen werden dürfen." Die zuständige Sozialbürgermeistern Kristin Kaufmann (Linke) hätte im Beratungsprozess darauf hinweisen müssen. "Dass dies jetzt von der Landesdirektion erfolgen musste, ist mehr als ärgerlich".

AfD-Fraktionschef Thomas Ladzinski äußerte sich folgendermaßen: "Wir sehen es sehr kritisch, dass ein demokratisch gefasster Stadtratsbeschluss so ohne Weiteres kassiert werden kann." Man werde "dieses fragwürdige Vorgehen" genau überprüfen.

"Die Passivität unserer Verwaltungsspitze ist erschreckend", sagt Torsten Nitzsche (Freie Wähler). "Der Oberbürgermeister kann handeln und sollte handeln. Wird die Karte nicht zügig eingeführt, trägt er die Verantwortung."