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Stillstand der Strafverfolgung in Dresden droht: Stadtrat rückt zur Sondersitzung an

Im Stadtrat Dresden scheiterte zehnmal die Wahl für den Schöffenwahlausschuss. So werden Gerichte arbeitsunfähig. Jetzt folgt eine Sondersitzung.

Von Dirk Hein
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Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert beruft eine Sondersitzung des Rates nach den Sommerferien ein.
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert beruft eine Sondersitzung des Rates nach den Sommerferien ein. © Sven Ellger

Dresden. In drei Ratssitzungen und zehn Wahlgängen hat der Stadtrat bisher erfolglos versucht, insgesamt sieben Vertrauenspersonen als Beisitzer für den Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht Dresden zu wählen. Diese werden benötigt, damit in einem langwierigen Verfahren etwa 1.100 Schöffen ausgewählt werden können, die ab Anfang 2024 zusammen mit hauptberuflichen Richtern urteilen sollen.

Zehn erfolglose Wahlgänge in Dresden

Eigentlich tagt der Rat in Dresden bis maximal 22 Uhr. Nur bei wichtigen Ereignissen kann überzogen werden, meist maximal eine halbe Stunde. In der vergangenen Sitzung saß das Gremium auch nach 23 Uhr noch zusammen und versuchte erfolglos Beisitzer für die Schöffenwahl zu finden. Nachdem sich der Rat in den zwei vorherigen Sitzungen nicht einigen konnte, wollte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) eigentlich wählen lassen, bis eine Mehrheit steht - ergebnislos. "Sie sehen mich langsam ratlos", so ein frustrierter OB.

Hintergrund war erneut ein Machtkampf im Rat. Gewählt werden müssen sieben Personen als Beisitzer für den Wahlausschuss, allerdings hatte jede der acht Fraktionen im Rat ursprünglich einen eigenen Kandidaten aufgestellt, auch um einen Kandidaten der AfD im Wahlausschuss zu verhindern. Über mehrere Wahlgänge konnten sechs von sieben Kandidaten gewählt werden, auch weil Dissidenten und Linke teilweise auf eigene Kandidaten verzichteten und die Verwaltung Kompromiss-Kandidaten wie die neue Direktorin der Städtischen Bibliotheken Marit Kunis-Michel aufstellte.

Zwei Brandbriefe der Justiz

Ohne Schöffenwahlausschuss können keine Schöffen gewählt werden. "Der Rat trägt so zum Stillstand der Rechtspflege bei. Die Vorschriften sehen so etwas wie eine Ersatzvornahme der Landesdirektion nicht vor. Solch einen Unfug kennt das Gerichtsverfassungsgesetz nicht. Es geht davon aus, dass ein verantwortungsvolles Gremium seine Rechte wahrnimmt", sagte Stadtrat und Richter Hans-Joachim Brauns (CDU).

In einem ersten Brandbrief hatte sich vorher schon der Präsident des Amtsgerichtes an die Stadt gewandt. Er habe den gescheiterten ersten Wahlgang "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen", so Holger Schindler. Im Nachgang der zuletzt gescheiterten Wahl wurde nun das Justizministerium deutlicher. Sollten die Schöffinnen und Schöffen infolge von Verzögerungen im Verfahrensablauf nicht zum 1. Januar 2024 gewählt worden sein, werden die Schöffengerichte und Strafkammern des Amts- und Landgerichts Dresden "keine Hauptverhandlungen eröffnen, verhandeln und entscheiden können."

Laut Justizministerin Katja Meier (Grüne) droht ein "Stillstand der Strafverfolgung im Bereich der mittleren und schweren Kriminalität, und möglicherweise die Entlassung Beschuldigter infolge überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft."

Eine letzte Chance

Laut Ministerium läuft die Frist zur Mitteilung der Ergebnisse Ende Juli aus. Die Landesdirektion Sachsen sieht laut OB Hilbert dennoch von der Anordnung einer Sondersitzung in den Sommerferien ab, "wenn der Stadtrat unmittelbar nach den Ferien einberufen wird". Ein Grund dafür: Für die Wahl muss mindestens die Hälfte des Rates anwesend sein. In Urlaubszeiten ist das nicht sicher.

Die Sondersitzung findet daher am 24. August statt, zehn Tage vorher tagt der wichtige vorbereitende Ältestenrat. "Dass diese Sitzung notwendig ist, wirft ein schlechtes Bild auf den Stadtrat. Alle demokratischen Fraktionen sollten sich dem entgegenstellen und sich bei allen inhaltlichen Unterschieden einig sein, dass grundlegende demokratische Gepflogenheiten eingehalten werden", sagt Andrea Mühle (Grüne). Leicht wird das nicht. Die AfD will weiter am eigenen Vorschlag festhalten. "Als stärkste Fraktion im Rat sollte auch unser Vorschlag berücksichtigt werden", so Fraktionschef Thomas Ladzinski. Offen sei, ob der Vorschlag angepasst werde.