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Wie der Dresdner Stadtrat die Schöffenwahl in Gefahr bringt

Erneut macht ein politischer Patt den Dresdner Stadtrat handlungsunfähig. Weil so keine Schöffen gewählt werden können, schlägt jetzt das Amtsgericht Alarm.

Von Dirk Hein
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Im Dresdner Stadtrat stehen am Donnerstag wichtige Wahlen und Abstimmungen an.
Im Dresdner Stadtrat stehen am Donnerstag wichtige Wahlen und Abstimmungen an. © Christian Juppe (Archiv)

Dresden. Vor dem Stadtrat der Landeshauptstadt liegt eine Mammut-Sitzung. An gleich zwei Tagen soll am Donnerstag und Freitag eine übervolle Tagesordnung abgehandelt werden. Doch gleich am Anfang drohen Streit, Auszeiten und eine Vertagung mit Folgen.

Bisher sechs von sieben Bewerbern gescheitert

Der Rat konnte sich bisher nicht auf die dringend durchzuführende Wahl von sieben Vertrauenspersonen als Beisitzer für den Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht Dresden einigen.

Doch der muss bis spätestes 1. Oktober zusammenkommen. Der Wahlausschuss entscheidet in letzter Konsequenz, wer in Dresden in den nächsten fünf Jahren als Schöffe zusammen mit einem hauptamtlichen Richter Urteile fällen darf. Schöffengerichte sind unverzichtbar, vor allem wenn höhere Strafen ausgesprochen werden müssen.

Gewählt werden dürfen sieben Personen, allerdings hat jede der acht Fraktionen im Rat einen eigenen Kandidaten aufgestellt, teilweise um einen Kandidaten der AfD im Wahlausschuss zu verhindern. Die Folge: Beim ersten Wahlversuch im Mai erhielt nur die Kandidatin der SPD die notwendige Zweidrittelmehrheit, alle anderen Bewerber scheiterten.

Die Wahl muss nun wiederholt werden, allerdings mit hohem Druck. Aus Sicht der Stadt ist die Wahl "bis spätestens zum 30. Juni 2023 durchzuführen" - auch um genügend Zeit für die eigentliche Wahl der Schöffen zu haben.

Brandbrief vom Amtsgericht

In einem Brandbrief hat sich jetzt auch der Präsident des Dresdner Amtsgerichtes an die Stadt gewandt. Er habe den gescheiterten ersten Wahlgang "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen", schreibt Holger Schindler an OB Dirk Hilbert (FDP). Die Tätigkeit der Vertrauenspersonen sei keine politische, sondern eine parteiübergreifend wichtige Aufgabe. Schindler bittet daher den OB, sich im Stadtrat mit all "ihrer Kraft und all ihrem Einfluss dafür zu verwenden", dass über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg gewählt werden kann. Leicht wird das nicht, intern rechnet die Verwaltung mit mehreren Wahlgängen und einer möglichen Vertagung auf Freitag.

"Ich appelliere an die Fraktionen und an den OB: Wir müssen bei diesem Thema miteinander reden, die Initiative muss aber vom OB ausgehen. Er ist verantwortlich, Mehrheiten für die Vorlage der Verwaltung zu organisieren", sagt SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser.

Erneuter Wahlversuch für einen OB-Vertreter

Ebenfalls ungewiss ist, wer in den nächsten Jahren als Erster Bürgermeister Hilbert vertritt und wer in der Macht-Reihenfolge im Rathaus auf Platz drei steht. Auch darüber wird zwischen dem OB und dem Rat seit Monaten ergebnislos diskutiert. Hilbert hatte ursprünglich Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) als seinen Stellvertreter vorgesehen und als Zweiten Bürgermeister den für Bau zuständigen Stephan Kühn (Grüne).

Eine Abstimmung darüber nahm Hilbert im März in letzter Minute von der Tagesordnung. Zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass beide Kandidaten keine Mehrheit bekommen hätten. Kritisiert wurde unter anderem, dass Hilbert eine reine "Männerriege" vorgeschlagen hatte. Hilbert änderte den Vorschlag später um, ersetzte Stephan Kühn durch Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne). Als im Mai final darüber abgestimmt werden sollte, scheiterte dieser Plan.

Die Grünen kritisieren, dass Hilbert seit diesem Debakel nicht erneut nach einer Lösung gesucht habe, es habe "keinerlei durch Herrn Hilbert initiierte Verhandlungen gegeben". Sehr wahrscheinlich wollen die Grünen jetzt dem letzten Vorschlag des OBs zustimmen, obwohl das nicht ihre Vorzugsvariante ist. "Wir wissen, dass wir die Zustimmung des OBs in dieser Frage brauchen, es ergibt keinen Sinn, noch weitere Schleifen zu drehen", sagt Wolfgang Deppe.