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Sitze, WLAN, Ladesteckdosen: So finden die Dresdner die neuen Straßenbahnen

Fünf von 30 neuen Straßenbahnen haben die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) bisher bekommen. Vier fahren schon. Ein Test und die Urteile der Fahrgäste.

Von Christoph Springer
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Eine neue Straßenbahn kommt am Postplatz an. Manche warten extra lange, damit sie mit solch einer Bahn mitfahren können.
Eine neue Straßenbahn kommt am Postplatz an. Manche warten extra lange, damit sie mit solch einer Bahn mitfahren können. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. An diesem Tag haben es die Fans der neuen Straßenbahn schwer. Nur eine ist unterwegs, die anderen drei fahrbereiten stehen im Depot. Eine weitere ebenfalls, aber sie hat noch nicht die Zulassung für den Linienbetrieb. Die Bahn mit der Nummer 2902 kommt um 12.45 Uhr am Postplatz an. Pünktlich, wie es im Fahrplan steht.

Sie fährt nach Kleinzschachwitz und wird das nächste mal erst reichlich zwei Stunden später wieder auf dem Postplatz in Richtung Dresdner Osten vorbeikommen. Schlechte Zeiten für Straßenbahnfans, die mit einer der neuen Bahnen auf der Route der 2 rechnen. Sie müssen lange warten.

Doch keine Internetverbindung

Der erste Blick in die Bahn überrascht. Es ist dunkel. Trotz der riesigen Fenster kommt nur wenig Licht hinein. Draußen ist es an diesem Sonnabendmittag aber auch nicht gerade hell, graue Wolken am Himmel, auch durch das Glasdach der Haltestelle kommt nicht viel Licht.

Dann fährt die Bahn an - mit einem Geräusch, das nach Strom klingt und das Geräuschdesigner am Computer nicht besser hinbekommen hätten. Aber Strom macht keine Geräusche, vermutlich kommen diese Töne, die immer beim Anfahren und Bremsen zu hören sind, von Technik hinter den Sichtwänden der Bahn.

Auf meinem freien Sitz ist viel Platz, gefühlt zumindest viel mehr als in den bekannten Dresdner Straßenbahnen. Mich interessieren gleich erst einmal die Neuerungen. Unter dem Sitz ist blau beleuchtet eine Steckdose - dort kann ich mein Handy laden. Kabel rein, funktioniert. WLAN soll es auch geben und schnell ist auch das "PassengerWIFI" gefunden. Doch es funktioniert nicht.... "Dieses WLAN stellt keine Internetverbindung her", lautet die Erklärung des Telefons. Da haben die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) zu viel versprochen.

Strom fürs Handy gibts in der neuen Bahn, eine Internetverbindung über das DVB-Netz aber nicht.
Strom fürs Handy gibts in der neuen Bahn, eine Internetverbindung über das DVB-Netz aber nicht. © Sven Ellger

Mehr Platz für die Beine

Im Viererabteil nebenan unterhält sich ein Paar mit einem älteren Dresdner. Marion und Frank Müller fahren nach Hause, ihnen gegenüber sitzt Dieter Stolle. Der 85-Jährige ist Straßenbahn-Fachmann. Ab 1963 war er selbst Straßenbahnfahrer, später Fahrleitungsmonteur. Stolle lobt die neue Bahn, die Größe im Innenraum, den Platz, den man hat. "Das ist angenehm für die Füße", sagt Marion Müller und meint damit, dass ihr auch der Fußraum im Viererabteil größer als in den älteren Niederflurstraßenbahnen erscheint. "Die fahren ruhiger, die anderen sind verbrauchter", meint ihr Mann Frank Müller einen deutlichen Unterschied zu den älteren Bahnen ausgemacht zu haben.

In den neuen Bahnen ist mehr Platz - vor allem in im Mittelgang.
In den neuen Bahnen ist mehr Platz - vor allem in im Mittelgang. © Sven Ellger

Frische Farbe, neue Anordnung

Ganz hinten in der Bahn hat es sich Familie Rudolph aus Laubegast gemütlich gemacht. Ihren breiten Kinderwagen haben die jungen Eltern im sogenannten Multifunktionsbereich hinter der letzten Tür abgestellt. Weiter vorn in der Bahn zeigen eine Rollstuhlfahrerin, ein Mann mit einem Handwagen und ein Mann mit einem Rollator, dass sie auf so einem Platz auch zu dritt genügend Raum haben.

Sohn Julius Rudolph lässt die neue Straßenbahn keine Ruhe. Er erkundet jede Ecke. Seinetwegen hat Familie Rudolph bei ihrem Sonnabend-Ausflug in die Stadt drei Bahnen durchfahren lassen. Julius wollte unbedingt mit der Neuen fahren, das hat schließlich geklappt. Der Vierjährige kennt sich aus. Was sich verändert hat? Julius lacht und zeigt sofort auf die Knöpfe, mit denen man einen Halt anmelden kann, und auf den Fahrscheinentwerter. Die Knöpfe sind anders verteilt, der Entwerter ist nicht mehr orange, sondern gelb.

Familie Rudolph hat extra lange gewartet, weil Julius unbedingt mit der neuen Bahn fahren wollte.
Familie Rudolph hat extra lange gewartet, weil Julius unbedingt mit der neuen Bahn fahren wollte. © Sven Ellger

Traumberuf Straßenbahnfahrer

Die Straßenbahn hat inzwischen die Endstation in Kleinzschachwitz erreicht, in wenigen Minuten geht es zurück Richtung Innenstadt. Ein Junge nutzt die Pause, um Fotos zu machen. Mit den Telefon in der Hand umkreist er die Bahn. Er beugt sich hinunter zu den Fahrgestellen, fotografiert sie, macht dann Fotos von den Türknöpfen.

Er heißt Leander und kommt aus Tolkewitz. Dann steigt er in die Straßenbahn ein und gesteht: "Straßenbahnfahrer ist mein Traumberuf." Auch sein Bruder arbeite bei den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB), bis er im richtigen Alter für die Berufsausbildung ist, will der 12-Jährige so viel wie möglich wissen über das Unternehmen und die Fahrzeuge. Auch Busse fotografiert er.

Ein neuer Blick: Die abgeknickten Türen braucht es ebenso, wie die unten abgeknickte Karrosserie, damit die breiteren Bahnen nicht an den Haltestellenkanten schleifen.
Ein neuer Blick: Die abgeknickten Türen braucht es ebenso, wie die unten abgeknickte Karrosserie, damit die breiteren Bahnen nicht an den Haltestellenkanten schleifen. © Sven Ellger

"Zu modern" und Vandalismusgefahr

Es sei sinnvoll gewesen, die breiteren Bahnen anzuschaffen, stellt Leander fachmännisch fest. Auch die breiten Sitze findet er besser. "Sonst muss man immer den Ranzen auf dem Rücken hochheben, um ihn drüberzuhängen, jetzt kann man einfach so sitzen bleiben", erklärt Leander. Die Bahn fährt inzwischen wieder, bald muss Leander aussteigen. Ein Hund "hustet" neben ihm in der Bahn und spuckt dabei auf den Boden. Leander schüttelt streng den Kopf, dann ist seine Haltestelle erreicht. Der 12-Jährige spurtet nach vorn, um die Abfahrt zu filmen. Später wird er seine Fotos in seinem Instagram-Kanal hochladen. "Der DVB-Freund" hat er ihn genannt.

Die neuen Bahnen hätte es nicht gebraucht, um ihn als Freund zu gewinnen. Doch wie offenbar für die meisten Fahrgäste, die in die breiteren Bahnen einsteigen, sind sie aus seiner Sicht ganz klar eine Verbesserung. Nur ein Problem hat er bemerkt: Die Ladesteckdosen unter den Sitzen - die hätte es nicht gebraucht. "Zu modern", meint Leander. Und Freunde hätten ihm berichtet, die seien auch schon mit Kaugummi zugeklebt gewesen.