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Europäisches Parlament beschließt Milliardenförderung für Chip-Industrie

Der EU Chips Act hat die Abstimmung im Europäischen Parlament bestanden. Europäische Staaten dürfen mit Milliardensummen ihre Halbleiter-Industrie stützen - davon profitiert Dresden.

Von Georg Moeritz
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Das neue Europäische Chips-Gesetz lässt voraussichtlich 43 Milliarden Euro in den Ausbau der Mikrochip-Branche fließen. Das Geld kommt nicht  nur vom Staat.
Das neue Europäische Chips-Gesetz lässt voraussichtlich 43 Milliarden Euro in den Ausbau der Mikrochip-Branche fließen. Das Geld kommt nicht nur vom Staat. © Symbolbild: infineon

Dresden. Mehr als 43 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in den Ausbau der Chip-Produktion in der Europäischen Union fließen. Das Europäische Parlament in Straßburg nahm am Dienstag den EU Chips Act an, das Europäische Chips-Gesetz. 587 Abgeordnete stimmten dafür, zehn dagegen, 38 enthielten sich. Sobald auch noch der Ministerrat zugestimmt hat, kann das Gesetz in Kraft treten.

Das Chips-Gesetz führt allerdings nicht zu Subventionen aus dem EU-Haushalt wie etwa bei der Landwirtschaft. Vielmehr erlaubt es den einzelnen Staaten, jeweils die Industrie auf ihrem Gebiet zu unterstützen. Lange Zeit achtete die EU-Kommission darauf, bei Beihilfen Wettbewerbsregeln einzuhalten. Sie werden nun speziell für diese Branche gelockert. 43 Milliarden Euro "öffentlicher und privater" Investitionen sollen so zusammenkommen. Dazu gehört beispielsweise der Ausbau der Dresdner Mikrochipfabrik des Infineon-Konzerns, der schon begonnen hat.

Infineon bekommt voraussichtlich eine Milliarde Euro Zuschuss aus dem deutschen Bundeshaushalt zu seinen fünf Milliarden Euro Ausgaben für den Neubau und die Maschinen. Von der Milliardensubvention sollen drei Viertel nach dem EU Chips Act bezahlt werden, ein Viertel aus einem anderen Förderprogramm namens Ipcei, das auch anderen Unternehmen in Sachsen zugutekommt.

Mehr Chips aus der EU, Frühwarnsystem bei Mangel

Beim Spatenstich für den Dresdner Infineon-Neubau Anfang Mai hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Konzern dafür gelobt, auch in „Zeiten geopolitischer Risiken massiv in die Produktion von Halbleitern zu investieren“. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) besichtigt die schon bestehende Fabrik in Dresden am kommenden Donnerstag während seiner Sommerreise durch vier Bundesländer - am Montag war er bei Bosch in Baden-Württemberg. Den Förderbescheid bringt Habeck aber noch nicht mit zu Infineon.

Das neue Gesetz zielt darauf ab, ein günstiges Umfeld für Chip-Investitionen in Europa zu schaffen. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Der Anteil der EU an der weltweiten Produktionskapazität von Halbleitern liegt laut einer Studie des Parlaments unter zehn Prozent und soll auf 20 Prozent erhöht werden. Weil der Markt insgesamt wächst, könnte dafür eine Vervierfachung der Produktion nötig werden.

Der Branchenverband Silicon Saxony in Dresden hat bereits darauf hingewiesen, dass solche Mengen nicht alleine aus Sachsen kommen können - in Sachsen gibt es die größte Ballung von Mikrochipfabriken in Europa mit Infineon, Globalfoundries, Bosch und X-Fab. Sachsen hofft auch auf eine Ansiedlung der ersten europäischen Fabrik des Chip-Herstellers TSMC aus Taiwan. Er stellt ausschließlich Chips im Auftrag anderer Elektronikfirmen her und beherrscht die allerkleinsten Produktionsstrukturen.

Weil in den vergangenen Jahren Halbleiter fehlten und ganze Autofabriken deswegen die Produktion unterbrechen mussten, richtet die EU nun auch einen Krisenreaktionsmechanismus ein. Anhand von Frühwarnindikatoren in den EU-Staaten soll ein Engpassalarm ausgelöst werden. Dann soll die Kommission die vorrangige Versorgung bestimmter Produkte steuern können oder gemeinsame Beschaffung organisieren.

Für Forschung 3,3 Milliarden Euro bereitgestellt

Ein Netz aus Kompetenzzentren soll außerdem eingerichtet werden, um den Fachkräftemangel in der EU zu beheben und neue Talente für Forschung, Design und Produktion zu gewinnen. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagte, der Chips Act stärke Sachsen als größten Halbleiterstandort in der EU. Jeder dritte in Europa produzierte Chip komme aus dem Silicon Saxony.

Laut Dulig sind die Fördermittel "heute so wichtig wie wahrscheinlich nie zuvor". Denn eine ökologische Transformation stehe bevor, hin zu grüner Energie und Digitalisierung. Halbleiter seien auch nötig für die Energiewende. Wenn Halbleiterhersteller für ihre neuesten Chip-Generationen Fertigungsstandorte suchten, erwarteten sie "angemessene öffentliche Unterstützung". Die EU müsse sich aus der hohen Abhängigkeit vom amerikanischen und vor allem vom chinesischen Markt lösen. Ansiedlungen, die jetzt außerhalb von Europa stattfänden, ließen sich später in der EU nicht nachholen.

Minister Schmidt hofft auf Neubauten

Die Europaabgeordnete Andrea Cavazzini (Grüne) teilte mit, 3,3 Milliarden europäischer Forschungsmittel würden zum Aufbau technologischer Kapazitäten und Innovation bereitgestellt. Die Grünen hätten sich erfolgreich dafür stark gemacht, auch Beihilfen für kleine und mittelständische Betriebe zu ermöglichen. Davon könne der Forschungs- und Produktionsstandort Sachsen profitieren. Die Umweltauswirkungen der Fabriken würden berücksichtigt, Kreislaufwirtschaft werde schon beim Design der Halbleiter mitgedacht. Die Chipfabriken arbeiten mit ätzenden Chemikalien und haben einen hohen Energie- und Wasserverbrauch.

Sachsens Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU) schrieb, ohne Halbleiter gebe es keine Produktion. Das sei auch der Grund dafür, dass alle Regionen in Europa vom Chip-Gesetz profitierten. Wenn es um Neuansiedelungen von Chipfabriken gehe, seien nun vor allem schnelle und großzügige Genehmigungen bei Beihilfen nötig: "Wir haben gute Chancen, neue Fabs nach Europa und nach Deutschland zu holen." Die großen Hersteller knüpften meist an bestehende Halbleiter-Cluster an. Deshalb habe Sachsen mit dem Silicon Saxony gute Chancen, dabei zu sein.