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Wie Dynamo zu seinen Models kam

… und was hinter der Präsentation der neuen Trikots steckt. Das erklären die Geschäftsführer von Verein und Ausrüster.

Von Sven Geisler
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Zwei Fans aus dem K-Block präsentieren Dynamos Trikot für die neue Saison. Angaben zu den Models macht der Verein nicht.
Zwei Fans aus dem K-Block präsentieren Dynamos Trikot für die neue Saison. Angaben zu den Models macht der Verein nicht. © SGD/Denny Bräuer

Dresden. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Oder sogar besonders gut. Das gilt auch für die neuen Trikots, die Dynamo Dresden präsentiert hat. Den meisten Fans, die sich dazu äußern, gefällt das Outfit, auch wenn sich mancher angesichts der vom Saum her aufsteigenden schwarzen Rauten eher an die Sitze in der Straßenbahn als ans Rudolf-Harbig-Stadion erinnert fühlt. Wirklich geteilter Meinung sind die Fans über das männliche Model: Ein an allen sichtbaren Stellen des Körpers tätowierter Mann, der obendrein noch grimmig schaut.

In den sozialen Netzwerken gab es Pro und Contra. „Der Typ steht seit Jahren im K-Block … Die Spieler, die die Trikots anhaben, kommen und gehen“, schrieb ein Nutzer bei Facebook. Ein anderer fragte: „Sollen die Schlägertypen den klassischen Dynamofan widerspiegeln? Keine gute Werbung für uns …“ Sächsische.de hätte das Model gerne vorgestellt, aber er möchte seine private Geschichte nicht erzählen.

Er soll aber – das führen sowohl Dynamo als auch der Ausrüster, der schwedische Sportartikel-Hersteller Craft, auf Nachfrage an – Erfahrungen in dem Bereich haben. Ausgewählt wurden beide Models für den Video-Clip und die Fotos, auch die junge, blonde Frau, durch den Fanshop in Absprache mit dem Verein und Craft. Man sei mit den „authentischen Models sehr zufrieden“, antwortet Dynamos Geschäftsführer Michael Born schriftlich. Auch bei Craft findet man die Präsentation der neuen Spielkleidung sehr gelungen.

Es sei grundsätzlich gut, wenn die Produkte am Markt zur Kenntnis genommen werden, sagt Geschäftsführer André Bachmann. „Beide Darsteller im Videoclip sind authentische Dynamo-Fans“, erklärt er, räumt allerdings ein: „Das männliche Model trägt auffällig viele sichtbare Tätowierungen, das polarisiert sicher in der Diskussion am meisten.“ Dabei haben einige Fans in den sozialen Netzwerken zunächst gemutmaßt, es könne Simon Makienok sein, als das Trikot vorab in einem Video-Schnipsel noch nicht direkt gezeigt wurde und lediglich der tätowierte Hals des Models von hinten zu sehen war.

Beispiele wie Simon Makienok

Der Däne Makienok, der für Dynamo in der Rückrunde drei Tore erzielte, hat einen Körper wie ein Bilderbuch, kaum ein Flecken auf seiner Haut ist noch frei. Manche Figuren entspringen seiner Fantasie, manche erzählen Geschichten – zum Teil sehr private. Der Platz über der rechten Brust gehört seiner vor fünf Jahren verstorbenen Mutter. Ihren Namen, einen Engel und das Geburtsdatum hat er sich dort stechen lassen.

Solche Beispiele meint Bachmann, wenn er argumentiert: „Aber schauen Sie sich doch bitte einmal die Fußballplätze in Schweden, Deutschland oder überall sonst auf der Welt an. Sie werden wohl kaum noch eine Mannschaft finden, in der keiner der Beteiligten auffällige Tattoos offensiv und selbstbewusst zur Schau trägt.“

Manche sehen das trotzdem als eine Art Kriegsbemalung an, einer schrieb: Es sei immer noch ein Fußball-Trikot „und nicht für Wrestling oder ultimative fighting“. Zudem scheint der muskelbepackte Mann das Klischee vom aggressiven Dynamo-Fan zu bedienen, ein „Schlägertyp“ eben. Geschäftsführer Born hält dagegen: „Wir leben als Verein Werte wie Toleranz und Respekt nachhaltig – und denken grundsätzlich nicht in Klischees, sondern wollen gerade solche einfachen, oberflächlichen Weltbilder aufbrechen.“

Dynamos Mitgliedschaft und Fanszene zeichne sich durch eine vielfältige und heterogene Struktur aus, alle gesellschaftlichen und sozialen Schichten seien ein Teil des Ganzen. „So versuchen wir, in unserer Kommunikation alle Menschen mitzunehmen und abzubilden, die unseren Verein zu dem machen, was er ist“, erklärt Born und verweist auf das Leitbild. „Wir sind“, heißt es darin unter anderem, „selbstbewusst, rau und authentisch.“ Und das verkörpert der Fan, der tatsächlich ein Stimmungsmacher im K-Block sein soll, nach den Vorstellungen der Vertragspartner.

Die Fans sind Dynamo

Beim Unternehmen Craft, das Dynamo seit 2018 ausstattet, nehme man die Fanszene „pluralistisch und vielfältig wahr“, meint Bachmann. Nach zwei Jahren enger Zusammenarbeit könne man sagen, „dass wir bestimmte Stereotypen und Klischees der Öffentlichkeit so nicht teilen“.

Trotzdem ist es ungewöhnlich, dass die Trikots nicht von Spielern präsentiert werden, sondern von Fans, auch wenn Dynamo auf die Mitgliederkollektion zum 66. Vereinsgeburtstag 2019 hinweist. Diesmal war die Corona-Krise mit ausschlaggebend. In diesen Zeiten sei es für Vereine zunehmend wichtig, „Möglichkeiten und Methoden zu finden, wie wir unsere Zielgruppe noch enger an uns binden können“, sagt Born. Das Herzstück des Vereinslebens seien traditionell die Spieltage mit Publikum, die vorerst weiter fehlen oder nur eingeschränkt möglich sein werden. „Hier sind Strategien und Antworten gefragt.“

Eine ist, das Trikot von Fans präsentieren zu lassen, die „normalerweise ihren Stammplatz zu unseren Heimspielen im K-Block haben“, erklärt Born. Und Craft-Chef Bachmann betont: „Dabei handelt es sich um nichts Geringeres als den wichtigsten und emotionalsten Fanartikel eines Fußballvereins.“ Nach dem Abstieg aus der zweiten Liga und dem personellen Umbruch in der Mannschaft wollten Fanshop, Verein und Ausrüster gezielt die Assoziation erreichen, die durch die Auswahl der Models garantiert ist: Die Fans sind Dynamo.

Die Idee geht auf: Bis Donnerstagnachmittag wurden fast 1.000 Stück verkauft, mehr als in der gleichen Zeit vor der vergangenen Saison.

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