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Perfides Verbrechen im neuen Dresden-„Tatort“

Ein junger Mann liegt tot im Bett seiner Freundin, die sich an nichts erinnert. Im aktuellen Fall der Dresdner Ermittler geht es um ein Verbrechen, bei dem nicht alles so war, wie es anfangs erscheint.

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Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) besprechen sich zum Verhör der Tatverdächtigen Sarah Monet (Deniz Orta).
Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) besprechen sich zum Verhör der Tatverdächtigen Sarah Monet (Deniz Orta). © MDR

Nach einer durchtanzten Partynacht wacht Sarah Monet in ihrem Bett auf. Es ist halbdunkel, sie blutverschmiert und hat ein Messer in der Hand. Durch die geschwollenen Augen sieht sie ihren schlafenden Freund in einer Blutlache auf dem Laken, tot. Kein Entsetzensschrei, kein Rettungsversuch. Sie steht wie unbeteiligt einfach auf und verlässt die Wohnung, irrt umher, benommen.

Diese Stille zieht sich durch den „Tatort“-Krimi „Was ihr nicht seht“ aus Dresden, der an diesem Sonntag im Ersten läuft. Und mit dieser Stille Ohnmacht, Fassungslosigkeit, Scham und Frust aufseiten der Ermittler.

Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) kennt die junge Frau, die wenig später vom Tatort weggeführt wird. Während für ihren Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) der Fall glasklar zu sein scheint, ist Karin Gorniak (Karin Hanczewski) emotional hin- und hergerissen zwischen weiblicher Solidarität und Professionalität.

„Du weißt, wie das hier aussieht, wie eine Beziehungstat“, begrüßt Kriminaloberkommissarin Gorniak ihre sichtlich verstörte Kollegin neben dem Bett mit der Leiche. „Wir müssen ihr was zum Anziehen bringen“, ergreift Winkler jedoch die Flucht vor kriminalistischer Routine. Und sie reißt Kleidung von Bügeln in Sarahs Wohnung.

Keine Zeit für die Zeugin

Im Revier läuft unterdessen wie in Zeitlupe das übliche Prozedere nach einer Festnahme: Fotos, Fingerabdrücke, DNA-Abgleich, Spuren. Aber die Beschuldigte Sarah Monet kann sich nicht an die Nacht erinnern. „David ist tot. Er wurde erstochen. Sie sind im Moment unsere Hauptverdächtige“, konfrontiert Gorniak die Verdächtige Sarah mit der Realität.

Alle Indizien sprechen gegen Sarah, und sie verhält sich auch sehr verdächtig. „Die spielt uns doch was vor“, resümiert Schnabel entsprechend die ersten Ergebnisse der Untersuchung. „Ihre Fingerabdrücke sind überall. Der Staatsanwalt hat mehr, als er braucht.“ Von Notwehr als Motiv, wie seine Kommissarinnen meinen, will er nichts wissen.

Als Kriminalhauptkommissar Schnabel mitbekommt, dass die Verdächtige mal mit Winklers Bruder zusammen war, wird er förmlich: „Sie sind raus!“ Das stachelt die Kommissarin jedoch nur an. Sie ermittelt ohne Ausweis – und steht gegen alle. Auch als feststeht, dass Sarah K.-o.-Tropfen im Blut hatte, glaubt ihr niemand – bis auf Winkler, die sie sogar vor ihren Kollegen versteckt.

Unterdessen beobachtet ein Mann heimlich Frauen in ihrem Zuhause, kopiert deren Wohnungsschlüssel und feilt Doubletten davon in seiner Heimwerkstatt. Als die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, erinnert sich Gorniak an eine Zeugin, die im Kommissariat wartete, als Sarah Monet hereingeführt wurde. Aber niemand hatte Zeit für sie an diesem Tag.

Neues Opfer im Visier

Da hat der Stalker bereits ein neues Opfer im Visier – und im Fall Monet passen die Spuren irgendwie nicht zusammen. Mit jedem Erinnerungsspot in ihrem Kopf gerät Sarah mehr in eine seelische Katastrophe und die Isolation. Doch schließlich fügt sich das letzte Teil ins Puzzle – mit schockierender Erkenntnis für alle.

„Es ist grauenhaft, was diesen Frauen widerfährt, wie viele dieser Fälle es gibt und wie selten es zu einer Verurteilung der Täter kommt, da die Strafverfolgung extrem schwierig ist“, sagt Regisseurin Lena Stahl über die Art von Verbrechen, die sie gemeinsam mit Co-Autoren in diesem „Tatort“-Drehbuch aufgeschrieben hat. Besonders getroffen habe sie, „dass die Opfer quasi nicht anwesend sind bei der Tat, die an ihnen verbrochen wird“.

Oft werde in Krimis vorrangig von den meist männlichen Tätern erzählt, sagt Drehbuchautor Peter Dommaschk. „Hier nun war uns wichtig, den meist weiblichen Opfern maximalen dramaturgischen Raum zu bieten – Verunsicherung und Verstörung inklusive.“ Und der Fall ist auch für die beiden Kommissarinnen eine besondere Herausforderung – unberechenbar, verstörend, erschreckend und berührend gleichzeitig. Damit bekommt der profilierte Dresdner „Tatort“, der seit 2016 vom MDR produziert wird, eine neue, spannende Facette. (dpa mit SZ)

Die „Tatort“-Folge „Was ihr nicht seht“ ist am Sonntag, 5. November, 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.