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Geht Oberlausitzer Keltereien der Saft aus?

Zu wenig Früchte, trockene Sommer und Corona - das brachte für die Kelterei Dressler bei Bautzen das Aus. So trotzen andere Betriebe den widrigen Umständen.

Von Tilo Berger
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Kathleen Kitsche bietet im Hofladen ihrer Kelterei Kekila in Lauba nicht nur die eigenen Säfte an, sondern auch viele andere Produkte aus der Oberlausitz.
Kathleen Kitsche bietet im Hofladen ihrer Kelterei Kekila in Lauba nicht nur die eigenen Säfte an, sondern auch viele andere Produkte aus der Oberlausitz. © Steffen Unger

Bautzen. "Es geht mir gut!" Selten kommt einem Oberlausitzer Unternehmer diese Antwort so flott über die Lippen wie Gunter Mitschke. Dabei geht es dem Inhaber einer Kelterei in Ebersbach-Neugersdorf nicht anders als der ganzen Branche, die zuletzt in der Region zwei bekannte Adressen verloren hat: 2016 erwischte es die Kelterei Schmieder in Lichtenberg bei Pulsnitz, jetzt schloss der Traditionsbetrieb Dressler in Denkwitz bei Bautzen.

Kleinere Äpfel bringen weniger Saft

Das Klima ist ein Grund, warum es der Branche schon mal besser ging. Trockene Sommer ließen Bäume verdursten und Obst schrumpfen - wie Äpfel. Ein Zentimeter weniger Durchmesser beim Apfel heißt aber auch gleich 30 Prozent weniger Saft, rechnet Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie, vor. Die 326 Fruchtsaft-Hersteller in Deutschland wollten im vorigen Jahr eigentlich 850 Millionen Tonnen Äpfel verarbeiten, doch die Ernte gab nur etwa 520 Millionen Tonnen her.

Trotzdem bezeichnet Gunter Mitschke 2020 noch als ganz gutes Jahr. Schlimmer war 2019 - da kelterte der Familienbetrieb nur etwa ein Zehntel des Üblichen. "Wenn sich so etwas wiederholt, kann das für einen Betrieb das Aus bedeuten."

Es lag aber nicht nur an schlechten Ernten, dass seit 1990 etwa jeder zweite obstverarbeitende Betrieb in der Oberlausitz dichtmachte. Zu DDR-Zeiten brachten die Menschen massenhaft Früchte, um später dafür Saft oder Fruchtwein zu bekommen. Jetzt gibt es alles in den Supermärkten, und die sogenannte Lohnkelterei ist aus der Mode gekommen.

Das gilt aber nicht bei Mitschkes, wirft der 53-jährige Inhaber ein. Zu ihnen locke nämlich die Tatsache, dass die Kunden zusehen können, wie ihr Obst verarbeitet wird. Mehr junge Familien kämen, um dann genau zu wissen, was sie da mit nach Hause nehmen. "Als kleiner Betrieb können wir das so machen", sagt Mitschke, der das über 90-jährige Unternehmen seit 2008 führt.

Hofläden als zweites Standbein

Neben der Saftproduktion hat Mitschke ein zweites Standbein geschaffen: "Wir haben einen richtig coolen Hofladen mit regionalen Produkten. Es ist erstaunlich, was es alles für kleine Hersteller in der Oberlausitz gibt." Eine Marktlücke traf er gemeinsam mit Frenzel-Bräu aus Bautzen: Als Mitschke 2020 wegen Corona auf einer größeren Menge Rhabarbersaft sitzenblieb, machte Frenzel daraus Fruchtbier. "Es gehört dazu, sich auch mal was Neues einfallen zu lassen", sagt der Keltereichef.

Kathleen Kitsche würde diesen Satz sofort unterschreiben. Sie übernahm vor drei Jahren die Leitung von Kekila, was nichts anderes heißt als Kelterei Kitsche, Lauba. Vater Karl-Heinz hatte den Betrieb nahe Cunewalde 1986 gegründet. Tochter Kathleen erlebte seitdem gute und weniger gute Jahre mit. "Als wir 2010 ein schlechtes Apfeljahr hatten, dachten wir, schlimmer geht's nicht", erinnert sie sich. Doch 2013, 2017 und 2019 kam es schlimmer. Da kamen keine 100 Tonnen Äpfel bei Kekila an - normal sind etwa 800 Tonnen. Der Betrieb reagierte und beschaffte einen größeren Tank, um Saft aus guten Jahren für schlechtere aufzuheben.

Außerdem erkannten Kitsches den Trend zu regionalen Produkten. Deshalb machten sie aus dem hauseigenen Getränkemarkt einen Hofladen. Hier gibt es jetzt Nudeln, Eier, Wurst und vieles mehr aus der Oberlausitz.

Hoffnung macht Kathleen Kitsche auch, dass wieder mehr junge Familien mit Kindern das Lohnware-System für sich entdecken: Früchte bringen, Saft bekommen. Deshalb sieht die Kekila-Chefin "positiv, wenn auch nicht leichtfertig, in die Zukunft".

Gastronomie brauchte monatelang keine Säfte

Die Kelterei Neubert in Rothenburg hat die Corona-Zeit genutzt, um ihren Hofladen neu zu gestalten. Das berichtet Konstanze Neubert, die Deutschlands östlichsten Saft- und Weinproduzenten seit 2004 in dritter Generation führt. Weil die Gastronomie monatelang keinen Saft abnehmen konnte, mussten Neuberts "erhebliche Umsatzeinbußen" hinnehmen. "Jedoch hat es die Gastronomie und viele Geschäfte viel schlimmer getroffen, wir kommen mit einem blauen Auge davon."

Aber auch Konstanze Neubert spricht von rückläufigen Zahlen beim Obst aufgrund von Trockenheit und späten Frösten. "Außerdem machen sich viele Leute nicht mehr die Mühe, Obst aufzusammeln und in der Kelterei abzugeben. In heutigen Gärten stehen bedeutend weniger Obstbäume als früher."

Bange machen gilt nicht, sagt Sven Preusche, der gemeinsam mit seiner Frau Kerstin in Lohsa die Obstmosterei am Silbersee betreibt. "Keltereien und Mostereien sind nicht in der Krise. Es handelt sich vielmehr um zum Teil unternehmerische Fehlentscheidungen und veränderte Marktbedingungen." Ihr Betrieb wachse seit Jahren, weil er sich flexibel auf Kundenwünsche einstelle. So fahren Preusches mit einer mobilen Mosterei direkt zu den Kunden.