Wer dieser Tage einen Blick in das Versuchsgut Börnchen wirft, wird staunen. Dort steht eine gelbe Straßenbahn. Eine, die in Dresden jeder kennt. Denn die Tatra-Straßenbahnen aus der Tschechoslowakei prägten Jahrzehnte das Dresdner Straßenbild. Noch heute sind die Wagen unterwegs. Allerdings nur noch, um in Spitzenzeiten auszuhelfen, wie es bei den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) heißt. Doch was macht der Wagen in Börnchen?
Dieser gehört jetzt dem Verein "Tierparadies Muhrielle" um Conny Böttger in Börnchen bei Glashütte. Die Ehrenamtlichen ließen ihn Ende Januar auf dem DVB-Betriebshof in der Trachenberger Straße von zwei Kränen auf einen Schwerlasttransport verladen. Auch für die DVB-Mitarbeiter war das ein bewegender Moment. "Das kommt sehr selten vor", sagt DVB-Sprecher Christian Schmidt. Seine Mitarbeiter hatten den Wagen vor der Abholung dafür vorbereitet, einige Teile waren dafür demontiert worden.
Eigentlich wollte die DVB sieben Tatra-Fahrzeuge verkaufen, aber nur für zwei gab es ernsthafte Interessenten. Einer davon war der Börnchener Verein. Dieser organisierte die Kräne und ließ den Wagen mit dem Transporter zum Vereinssitz nach Börnchen - einem Ortsteil von Glashütte - bringen, um ihn dort auf die eigens verlegten Gleise zu setzen. Seit einer Woche steht der Waggon dort. Er ist aber nicht der Vorbote einer neuen Straßenbahnlinie. Der ausrangierte Wagen soll hier eine neue Aufgabe bekommen.
Der Verein Tierparadies Muhrielle
- Der Verein wurde auf Initiative von Conny Böttger gegründet.
- Sie rettete am 11. November 2015 die letzte Kuh ihres Großvaters vor dem Schlachter. Später gründete sie den Verein. Dieser hat aktuell 24 Mitglieder und über 350 Paten für die Tiere.
- Im Mai 2022 zog der Verein auf das Versuchsgut Börnchen um. Damit wurde er zum Gnadenhof für Rinder im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
- Inzwischen hat der Verein rund 60 Rinder vor dem Schlachthof gerettet, 52 davon leben in Börnchen. Hier können die Tiere ein Leben ohne kommerziellen Zweck genießen.
- Der jetzt angeschaffte Tatra-Wagen wurde 1976 gebaut und 1977 in Dresden in Dienst gestellt. Bis zu seiner endgültigen Ausmusterung im Juni 2023 wurde er nur noch sporadisch im Verstärkerverkehr eingesetzt.
Der gerettete Straßenbahnwagen erhält eine zweite Chance. Der Verein wird ihn zu einem Vorführ-, Ausstellungs- und Besucherraum umbauen. Er soll vor allem bei schlechtem Wetter zum Einsatz kommen. Mitstreiter Henry Susa wird den Umbau tatkräftig unterstützen. Das Vereinsmitglied ist nicht nur aktiver Tierretter, sondern seit 1983 auch Straßenbahnfahrer. Wie seine vor eineinhalb Jahren an Krebs verstorbene Frau Annett liebt er Tatras. Den jetzt geretteten Tatra-Wagen steuerte er einst als "Whiskybahn" durch Dresden. Als er erfuhr, dass die DVB diesen und andere Wagen verschrotten wollte, entstand die Idee, wenigstens diesen zu retten. Er stellte den Kontakt zwischen den DVB und dem Verein her.
Diese "einzigartige Kombination" habe es dem Verein ermöglicht, diese Straßenbahn zu erwerben, sagt Vereinsvorsitzende Conny Böttger. "Henry Susa wird nun aktiv dazu beitragen, das Erbe dieser Straßenbahn zu bewahren." Die Verbindung zwischen dieser Tatra-Straßenbahn und dem Verein besteht allerdings schon länger, sagt Conny Böttger. Der Wagen wurde bereits für eine eindrucksvolle Muhrielle-Sonderfahrt genutzt. Mit der Aufschrift "MUHrielle-Zug fuhr er im April 2023 durch Dresden.
Der Wagen wird jetzt für die Vereinszwecke umgebaut
Nun stehen noch einige Arbeiten an der Tatra an. "Wir planen gerade das Wetterschutzdach", sagt die Vereinsvorsitzende. Außerdem muss der Wagen wieder mit Strom versorgt und die Elektroinstallation angepasst werden. Außerdem müssen die für den Transport demontierten Teile wieder montiert werden. Auch die vorhandene Lautsprecheranlage soll modernisiert werden.
"Der Um- und Ausbau erfolgt in Eigenleistung", sagt die Vereinsvorsitzende. Tatra-Enthusiasten helfen mit. Für das Wetterschutzdach sucht der Verein noch Sponsoren. Der Verein geht davon aus, dass die Arbeiten voraussichtlich im Mai abgeschlossen werden können. Dann soll es eine Vortragsreihe geben. "Natürlich werden wir in diesem Zusammenhang über unsere ,Schattentiere' berichten und aufklären", berichtet Conny Böttger. Auch Tierschutzthemen sollen angesprochen werden. Da ihr Verein Mitglied im Deutschen Tierschutzbund ist, gebe es ein sehr großes Netzwerk, über das man an Experten und Referenten herankomme.