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In den Erstaufnahmen für Flüchtlinge wird es eng

Sachsen will mehr Platz schaffen und so auf die anhaltende Flüchtlingswelle aus Ludwigsdorf reagieren.

Von Matthias Klaus
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Corona-Test für Flüchtlinge bei der Bundespolizei in Ludwigsdorf: Wer positiv ist, kommt nach Dresden, andere nach Leipzig.
Corona-Test für Flüchtlinge bei der Bundespolizei in Ludwigsdorf: Wer positiv ist, kommt nach Dresden, andere nach Leipzig. © Danilo Dittrich

Voll sind sie nicht, aber gut belegt, die Aufenthaltsräume für Flüchtlinge bei der Bundespolizei in Ludwigsdorf. Schwarze Liegen – dort sitzen und warten zumeist Männer darauf, fotografiert und gemessen zu werden, Fingerabdrücke genommen und von einem Dolmetscher befragt zu werden. Die Menschen, die hier am Donnerstagvormittag hinter Glasscheiben warten, wurden in den vergangenen Stunden in der Oberlausitz als illegal Eingereiste aufgegriffen. Unter ihnen ist nur eine Frau.

Eine Statistik, wie groß der Anteil an Frauen, Kindern und Männern ist, die seit Anfang August in Ludwigsdorf angekommen sind, hat Michael Engler nicht. "Der Eindruck heute täuscht", sagt der Sprecher der Bundespolizeiinspektion an der Autobahn. Am Mittwoch beispielsweise war unter den Ankömmlingen mindestens die Hälfte Frauen und Kinder. "Heute ist es erstaunlich ruhig", sagt Michael Engler. Er schaut zu einem Glascontainer, zwei Zelten. Im Container werden Flüchtlinge auf Corona getestet. In den Zelten gibt es Wartebereiche. Eines ist für Menschen gedacht, die positiv auf Corona getestet wurden.

So läuft das nun seit etwa zwei Wochen in Ludwigsdorf bei der Bundespolizei: Schnelltest, dann die persönlichen Daten, Befragung und so weiter. Danach dann der Weitertransport. „Wir versuchen, die Aufenthaltszeit hier bei uns so kurz wie möglich zu halten“, sagt Michael Engler.

Im Haus, in der früher der Zoll sein Domizil hatte, geht es entsprechend professionell zur Sache. In einem Lagerraum ist Bekleidung gestapelt. Das Deutsche Rote Kreuz hat gespendet. "Außerdem bringen unsere Leute auch selbst Sachen von Zuhause mit. Manche Flüchtlinge haben nach dem langen Weg doch ziemlich desolate Sachen an", schildert Michael Engler.

Genaue Zahlen, wie viele Flüchtlinge am Tag, in der Woche ankommen, dürfen derzeit weder die Inspektionen Ludwigsdorf noch Ebersbach herausgeben. Zahlen gibt es nur aus Pirna oder als Gesamtzahl für die deutsch-polnische Grenze aus Potsdam. Allein im Oktober kamen aber offenbar bisher um die 1.000 Flüchtlinge in der Oberlausitz an. In Ludwigsdorf werden auch diejenigen versorgt, die im Kreis Bautzen aufgegriffen werden, etwa wie vor kurzem 26 am Bautzener Stausee. Die Nachbarinspektionen revanchieren sich mit personeller Unterstützung.

In Größenordnungen habe es bisher keine positiven Corona-Fälle gegeben, so Michael Engler, eher Einzelfälle. Auch die werden polizeidienstlich "behandelt", sprich Daten aufgenommen.

So sieht ein Isolationszelt für positiv auf Corona getestete Flüchtlinge am Grenzübergang in Ludwigsdorf aus.
So sieht ein Isolationszelt für positiv auf Corona getestete Flüchtlinge am Grenzübergang in Ludwigsdorf aus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Vor den Zelten auf dem Bundespolizeigelände Ludwigsdorf steht derweil eine Handvoll junger Männer. Sie rauchen und warten auf den Bus. Meist zweimal pro Tag werden Flüchtlinge damit in sächsische Erstaufnahmen gebracht. Im Regelfall werden die Flüchtlinge aus Ludwigsdorf nach Leipzig gebracht. Was passiert aber mit den positiv auf Corona Getesteten?

Generell, so heißt es von der Landesdirektion in Dresden, habe der Freistaat an allen drei Standorten Möglichkeiten, positiv Getestete und deren Kontaktpersonen unterzubringen. Die positiven Fälle aus Ludwigsdorf werden allerdings nach Dresden in die Aufnahme am Hammerweg gebracht, so Landesdirektionssprecherin Jana Klein.

Generell wird es in den Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat offenbar langsam eng. Das ist der Stand vom 21. Oktober: In Dresden können 906 Flüchtlinge untergebracht werden, Belegung 682. Leipzig: Kapazität 1.900 Personen, Belegung 1.472, Chemnitz: Kapazität 1.335, Belegung 992.

Der Freistaat denkt deshalb darüber nach, wie mehr Platz geschaffen werden könnte. Das Innenministerium prüfe derzeit mit dem Finanzministerium und dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement "inwieweit die Aufnahmekapazitäten in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen erhöht werden können", so Jana Klein. Damit solle den "aktuell dynamischen Entwicklungen an der sächsisch-polnischen Grenze angemessen" begegnet und darauf reagiert werden. "Dazu gibt es bereits konkrete Gespräche", so Jana Klein.

Allerdings werden künftig nicht alle Asylsuchenden in Sachsen bleiben, so die Sprecherin. Da der Freistaat gemäß dem Königsteiner Schlüssel mehr aufnimmt, als er muss, werde ein Teil später in andere Bundesländer gebracht. Zuvor müssen aber Registrierung, Gesundheitsuntersuchung und dergleichen abgeschlossen sein. "Dies nimmt in der Regel 14 Tage in Anspruch", so Jana Klein. Die Landesdirektion gehe aber davon aus, dass die Situation stets bewältigt werden könne.

Der größte Teil der momentan ankommenden Flüchtlinge an der Neiße stammt weiterhin aus dem Irak, gefolgt von Syrern, Türken. Vereinzelt werden Menschen aus dem Jemen aufgegriffen, aus dem Iran, in einem der jüngeren Fälle ein Palästinenser. "Bisher hatten wir es nicht mit Afghanen zu tun", sagt Michael Engler. Noch immer werden die Neißebrücken als Schleuserrouten genutzt, manche Flüchtlinge kommen darüber zu Fuß, letztens mehrfach in Podrosche.

Sorgen macht der Bundespolizei in Ludwigsdorf der im Anmarsch befindliche Winter. Aber ob sich bis dahin die Lage entspannt hat, bleibt abzuwarten. So wie es derzeit aussieht, wohl eher nicht.