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81-Jährige im Einsatz für die Erinnerung an Görlitzer Juden

Bald kommen Nachfahren Görlitzer Juden in der Stadt zusammen. Vorher haben nun Helfer aus Deutschland und Polen auf dem jüdischen Friedhof gearbeitet.

Von Susanne Sodan
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Uta Bonadt hat die Aktion auf dem jüdischen Friedhof Görlitz organisiert.
Uta Bonadt hat die Aktion auf dem jüdischen Friedhof Görlitz organisiert. © Martin Schneider

Mit Harke in der Hand kniet Uta Bonadt neben einem der Gräber auf dem jüdischen Friedhof. „Hier wachsen kleine Ahornbäume“. Größer sollten sie nicht werden, nicht dass ihre Wurzeln irgendwann den Grabstein lockern. Mit ihr befreien ein knappes Dutzend Frauen und Männer die Gräber der Görlitzer Juden Stück für Stück von Gestrüpp. Uta Bonadt, 81 Jahre alt, ist Schatzmeisterin des Förderkreises Synagoge und Organisatorin der einwöchigen Aktion.

Häufig wirken jüdische Friedhöfe auf Außenstehende der Natur überlassen. Alles wird zu Staub. Aber überwuchert werden sollen sie auch nicht gerade, erklärte Markus Bauer, Chef des Förderkreises Synagoge und ehemaliger Görlitzer Museumsleiter, kürzlich. Auch er gehörte diese Woche zu den Helfern.

Elsbeth Boxberg hatte einen weiteren Weg, aus der Nähe von Stuttgart kam sie nach Görlitz, um auf dem jüdischen Friedhof zu helfen. Schon seit 1970 setzt sich die Rentnerin für die Erinnerung an jüdisches Leben, im Holocaust millionenfach ausgelöscht, ein. Damals half sie als junge Frau bei ihrem ersten Friedensdienst in Auschwitz. Ein Einsatz, den sie nie vergessen wird. Sie sortierte etwa unzählige Karteikarten der Menschen, die in dem Vernichtungslager ermordet wurden. „Darunter waren Karteikarten von jungen Frauen, die in meinem Alter ihr Leben verloren, nur weil sie jüdisch waren.“

Identität der Görlitzer Juden soll erhalten bleiben

Ein Schicksal, das auch zahlreiche Görlitzer Juden traf. Die Gräber auf dem jüdischen Friedhof stammen großteils aus der Vorkriegszeit. Doch zählen die Friedhöfe zu den letzten materiellen Zeugen jüdischen Lebens in Deutschland. Davon hatte Görlitz einst viel. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde in Görlitz über 600 Mitglieder, darunter Unternehmer, Ärzte, Rechtsanwälte, Kaufleute. 1933 war die Zahl bereits deutlich niedriger, nach dem Krieg hatte Görlitz keine jüdische Gemeinde mehr. Den wenigsten gelang die Flucht, und falls doch kehrten sie freilich nicht zurück. So kommen in acht Wochen aus der ganzen Welt Nachfahren Görlitzer Juden zu einer jüdischen Gedenkwoche, der Jewish Rememberance Week Görlitz/Zgorzelec zusammen.

Ein Schicksal, das auch zahlreiche Görlitzer Juden traf. Die Gräber auf dem jüdischen Friedhof stammen großteils aus der Vorkriegszeit. Doch zählen die Friedhöfe zu den letzten materiellen Zeugen jüdischen Lebens in Deutschland. Davon hatte Görlitz einst viel. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde in Görlitz über 600 Mitglieder, darunter Unternehmer, Ärzte, Rechtsanwälte, Kaufleute. 1933 war die Zahl bereits deutlich niedriger, nach dem Krieg hatte Görlitz keine jüdische Gemeinde mehr. Den wenigsten gelang die Flucht, und falls doch kehrten sie freilich nicht zurück. So kommen in acht Wochen aus der ganzen Welt Nachfahren Görlitzer Juden zu einer jüdischen Gedenkwoche, der Jewish Rememberance Week Görlitz/Zgorzelec zusammen.

„Es ist einfach schön, etwas zu tun, nicht nur für sich selbst“, sagt Sigrun Gröger aus Wiesbaden. „Unsere Generation gehört nicht zu den Tätern, aber wir haben dennoch Verantwortung. Wir müssen die Erinnerung weitertragen, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.“

81-Jährige hilft bis heute, Erinnerung wach zu halten

Auf die Görlitzer Aktion aufmerksam wurde sie durch Uta Bonadt, die auch aus Wiesbaden stammt. 2011 kam sie nach Görlitz und zum Förderkreis Synagoge. Schon zuvor engagierte sie sich etwa bei Freiwilligendiensten der evangelischen Aktion Sühnezeichen. Darüber kennt sie auch einige der jetzigen Helfer. Auch Heidemarie Warneck aus Mainz, die sich ebenfalls schon lange für den Erhalt der Erinnerung einsetzt. Ihre Großmutter hatte ein Geschäft, erzählt sie, kannte andere Geschäftsleute, auch jüdische. „Manche kamen zu meiner Großmutter ins Geschäft um sich von ihr zu verabschieden“, vor ihrer Deportation. „Zwei Familien hinterließen bei ihr Dokumente.“ Sie wurden nie abgeholt. „Es hat mich nie losgelassen.“

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Vor einer Weile half Bonadt bei einer Aktion für den jüdischen Friedhof Wroclaw. So ließ es sich nun Grazyna Wiercimok aus Wroclaw nicht nehmen, nach Görlitz zu kommen. Ein merkwürdiges Gefühl sei es, den Gräbern so nahe zu kommen, an ihnen zu arbeiten, auch wenn sie weit aus Vorkriegszeiten stammen. „Es zwingt zum Nachdenken. Und es erinnert auch an unsere gemeinsame Geschichte.“