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Energiepreise verhageln Umzugslaune in Görlitz

Weniger Umzüge registrierten die Vermieter in Görlitz Ende vergangenen Jahres. Sie machen dafür die höheren Preise, auch für Strom und Gas, verantwortlich. Ändert sich das jetzt mit den staatlichen Hilfen?

Von Susanne Sodan
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Archivbild aus Sommerzeiten: Winter ist ohnehin keine große Umzugszeit. Aber zuletzt war es doch sehr still.
Archivbild aus Sommerzeiten: Winter ist ohnehin keine große Umzugszeit. Aber zuletzt war es doch sehr still. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Langsam scheint sich die Unsicherheit etwas zu legen. Elisa Ritter, Mitarbeiterin bei FT Immobilien in Görlitz, verzeichnet wieder etwas mehr Umzüge. "Ende vorigen Jahres war es aber bedeutend ruhiger als üblich." Ähnlich die Einschätzung von Kommwohnen-Medienreferentin Jenny Thümmler. Auch Kommwohnen hatte zuletzt weniger Umzüge festgestellt. "Das liegt unserer Vermutung nach an den generell gestiegenen Kosten." Das betreffe viele Vermieter und Mieter: Betriebskostenvorauszahlungen werden erhöht, die Zahl der Kaution wird auf die maximale Anzahl von drei Monatskaltmieten erhöht, "Umzugsunternehmen sind teurer und so weiter."

Derzeit keine Sondertarife für Strom-Neukunden

Ein besonders großer Unsicherheitsfaktor: der Strompreis. Wenn man umzieht, seinen alten Stromtarif nicht mitnehmen kann, und in die neue Wohnung ohne neuen Stromvertrag einzieht, muss man in die Grund- oder Ersatzversorgung. Und die ist teurer als langfristige Tarife. Doch mit den plötzlichen Steigerungen seit Herbst 2021 bieten manche Versorger keine Sondertarife für Neukunden mehr an. So ist es derzeit bei den Stadtwerken Görlitz. Derzeit werden Kunden, die in der Grundversorgung sind, erst nach und nach in die günstigeren Sondertarife aufgenommen. Denn jede ungeplante Beschaffung an Energiemengen, die zuvor nicht einkalkuliert war, sei sehr teuer, schildert Prokurist Sacha Caron das Problem der Versorger.

Strom spielt bei Umzugswilligen keine große Rolle

Beim Strom halten viele die Treue zu ihrem regionalen Versorger. In der Regel bietet FT-Immobilien neuen Mietern an, sie bei den Stadtwerken gleich mit anzumelden, erzählt Elisa Ritter. "Das war früher keine Frage. Zuletzt kam es aber schon manchmal vor, dass gesagt wurde, man wolle erst mal schauen, welche Alternativen es gibt." Im Großen, schätzt ihr Chef Frank Tews ein, spielt der Strom bei Umzugsüberlegungen nicht die Hauptrolle. Es sei eher das Zusammenspiel aus Inflation, Kostensteigerungen an vielen Ecken. "Da überlegt mancher schon, macht ein Umzug jetzt wirklich Sinn." Ob für den Strom 50 Euro oder 60 im Monat anstehen, sei dabei nicht wirklich das größte Kriterium - weil es nicht der größte Posten ist. "Viele sind froh über einen halbwegs vernünftigen Gaspreis, schauen auf die Nebenkosten allgemein."

So hatte FT-Immobilien beim Gas zu Jahresbeginn die Reißleine gezogen, den Anbieter gewechselt, die Stadtwerke hatten damit einen Großkunden verloren. Insgesamt, findet Frank Tews, hätten sich manche Anbieter günstiger beim Energieeinkauf aufgestellt.

Unvorhersehbarkeit bleibt

Trotzdem gibt es auch bei den Strompreisen erhebliche Unterschiede. Einige regionale Stromanbieter, räumt auch Sacha Caron ein, seien derzeit günstiger als die Stadtwerke Görlitz. In Görlitz gilt seit Jahresbeginn für den Strom-Sondertarif ein Grundpreis von 114,48 Euro jährlich, und ein Arbeitspreis von 49,91 Cent. In der Grundversorgung sind es 53,93 Cent pro Kilowattstunde. Bei den Stadtwerken Zittau gelten ab Januar auch erhöhte Tarife. Der Grundpreis liegt mit 126,43 Euro höher als in Görlitz, der Arbeitspreis aber deutlich niedriger: im Grundtarif sind es 39,33 Cent, im Sondertarif "Naturpur" - Strom aus Wasserkraft - 37,84 Cent. Auch die Enso-Tarife sind derzeit günstiger.

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Genauso gebe es aber Anbieter mit deutlich höheren Abschlägen, schildert Sacha Caron. In Cottbus kostet die Kilowattstunde Strom in der Grundversorgung derzeit 68,22 Cent. "Die Spreizung ist extrem stark geworden." Und: Es gebe kaum noch Kontinuität bei den Erhöhungen. "Früher wusste man, zu Jahresbeginn kommt eine Anpassung, und das war es. Daran konnte man sich orientieren, Anbieter vergleichen." Diese Sicherheit ist vorbei. Immerhin versichert Caron, dass derzeit in Görlitz in nächster Zeit keine Preisanpassungen vorgesehen sind.

Etwas Sicherheit durch Energiebremsen

Zu tun ist trotzdem. Die staatlichen Entlastungsmaßnahmen sorgen für erhöhten Arbeitsaufwand, auch viele Kundenanfragen. So hatten die Stadtwerke vor Weihnachten bereits alle Hände voll zu tun, um die Soforthilfe und Dezember-Abschlag abzurechnen. Ab März greift die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse, sie soll aber auch rückwirkend für Januar und Februar gelten. Sie deckelt einen Großteil des Verbrauchspreises, wird für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs angerechnet. Bei Gas liegt der Deckel bei zwölf Cent pro Kilowattstunde, bei Fernwärme bei 9,5 Cent und bei Strom bei 40 Cent pro Kilowattstunde. Dass die Energiepreisbremse nicht so leicht umgesetzt ist, wie man sich das vielleicht denkt, bestätigt auch ein anderer regionaler Energieversorger gegenüber der SZ.

Am Ende bedeuten die Preise mit der Energiebremse trotzdem höhere Kosten für die Verbraucher. "Ein hundertprozentiger Ausgleich der Belastungen wird leider nicht möglich sein", sagt Sacha Caron. Daher bleiben die Stadtwerke bei ihrem Rat, sparsam mit Energie umzugehen. Eine gewisse Sicherheit scheinen die Preisbremsen aber doch zu sein. Vielleicht kommt dadurch das Umzugsgeschehen langsam wieder in Bewegung.