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Bürgerrat verliert Görlitzer Denkmalstreit

Der Bürgerrat Weinhübel will eine Gedenkplatte vom alten Kulturhaus an einen neuen Ort versetzen. Das Landesamt für Denkmalpflege sieht das anders.

Von Ingo Kramer
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Die Gedenktafel ist unten rechts an der Fassade des ehemaligen Kulturhauses an der Seidenberger Straße in Görlitz-Weinhübel zu finden.
Die Gedenktafel ist unten rechts an der Fassade des ehemaligen Kulturhauses an der Seidenberger Straße in Görlitz-Weinhübel zu finden. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

„Zum Gedenken an die Helden des Widerstandes gegen Faschismus und Krieg“ steht ganz groß auf der Gedenktafel, die an der Fassade des einstigen Kulturhauses an der Seidenberger Straße 40 in Görlitz-Weinhübel angebracht ist. Darunter wird erklärt, dass es um das 1933 auf dem Gelände der ehemaligen Tuchfabrik an der Neiße in Weinhübel errichtete Konzentrationslager geht, wo Antifaschisten unmenschlich gequält worden seien.

So sieht die Gedenktafel aus.
So sieht die Gedenktafel aus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Der private Eigentümer will das Kulturhaus in den nächsten Monaten sanieren. Für den Bürgerrat Weinhübel ist das ein Anlass, um den Standort der Tafel zu hinterfragen. „Seit über zwei Jahren“, schreibt Detlef Lothar Renner im Namen des Bürgerrates, „steht die Idee: Die Gedenkplatte soll an die in der Platte bezeichnete historische Stelle versetzt werden.“ Also an den Ort des Geschehens, in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Tuchfabrik. Konkret: an die verbliebenen Überreste der Posottendorfer Brücke, wo nur noch die Grundmauern und eine Stahlstele an das Gebäude und seine Historie erinnern.

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Die Idee des Bürgerrates sei mit der Interessengemeinschaft Dorfanger Weinhübel besprochen worden. „Auch die Landestalsperrenverwaltung, unter deren Obhut das Gelände der ehemaligen Tuchfabrik an der Neiße steht, hat nichts dagegen“, berichtet der Bürgerrat.

Die Görlitzer Stadtverwaltung sieht das aber anders. Aus der Sicht des Sachgebietes Denkmalschutz habe die Gedenkplatte ihren Platz am jetzigen Ort, mit dem sie zudem baulich unmittelbar verbunden sei, sagt Rathaussprecherin Juliane Zachmann. Die Stadt als Untere Denkmalschutzbehörde könne aber keine denkmalschutzrechtliche Entscheidung allein treffen. Stattdessen müsse das Landesamt für Denkmalpflege als Fachbehörde um das Einvernehmen zu einer Entscheidung ersucht werden.

Denkmalbehörden sind sich einig

Dieses Einvernehmen kommt nun offenbar zustande, denn das Landesamt stellt sich hinter die Aussage der Stadt. „Nach 1945 zählte neben dem Wiederaufbau auch der Bau von Kulturhäusern zu den vordringlichsten Bauaufgaben“, erklärt Sabine Webersinke vom Landesamt: „Bildeten vormals die Kirchen das geistliche Zentrum eines Ortes, so waren nun die Kulturhäuser das weltliche Zentrum.“ Dort habe auch das zentrale Gedenken an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges stattgefunden.

Das gelte auch für die Seidenberger Straße 40. „Im ehemaligen KZ Leschwitz fanden grausamste Verbrechen statt“, sagt Sabine Webersinke. In der Nähe des Tatorts sei am Kulturhaus – dem zentralen Bau des Dorfes – der öffentliche Gedenkort eingerichtet und eine Tafel angebracht worden. Auch wenn das Gebäude nun zum Wohnhaus umgebaut wird, so bleibe es weitgehend in der Gestaltung der Kulturhauszeit. So erinnere die Gedenktafel weiter an die Opfer des Faschismus. „Sie ist daher als eine Zeitschicht am authentischen Ort zu bewahren“, stellt Sabine Webersinke klar.

Mit dieser Fotomontage möchte der Bürgerrat Weinhübel zeigen, wie die Tafel an den verbliebenen Überresten der Posottendorfer Brücke nahe der ehemaligen Tuchfabrik angebracht werden könnte.
Mit dieser Fotomontage möchte der Bürgerrat Weinhübel zeigen, wie die Tafel an den verbliebenen Überresten der Posottendorfer Brücke nahe der ehemaligen Tuchfabrik angebracht werden könnte. © Montage: Bürgerrat

Das Gedenken am Standort des ehemaligen KZs sei eine andere Form der Erinnerung, die mit neuen Erinnerungsmalen versehen werden könne.

Kulturhaus-Eigentümer Thorben Fritz hält sich aus dem Streit heraus. „Mir ist es vollkommen egal, ich richte mich nach der Entscheidung der Mehrheit.“ Er helfe gern beim Versetzen der Tafel, könnte sie andererseits aber auch gern schick herrichten. Nun wird wohl eher Letzteres passieren.