Wer Jürgen Bergmann und Doreen Stopporka privat besuchen will, muss eine schmale Holztreppe an der Außenwand eines alten Hauses rauf. An Masken vorbei geht es in den ersten Stock. Dort hängt an der Eingangstür ein schon etwas ramponierter Ziegenschädel, künstlerisch gestaltet mit Metall und Perlen. „Ein Urlaubsmitbringsel“, sagt die Geschäftsführerin der Künstlerischen Holzgestaltung, die gemeinsam mit dem Kulturinsel-Gründer und den beiden gemeinsamen Kindern direkt auf der Kulturinsel Einsiedel zwischen Zentendorf und Kahlemeile lebt.
„Insgesamt sind wir sogar zu sechst“, sagt Bergmann. Sein 92-jähriger Vater lebt im Erdgeschoss, seine Schwester Elke nebenan. Dass es sich bei dem Anwesen um ein früheres Bauernhaus und bei der Bergmannschen Wohnung um den alten Heuboden handelt, ist kaum noch erkennbar. Stattdessen sieht alles herrlich individuell aus, überall gibt es Türen und Geheimtüren, Scheiben und Spionscheiben, durch die man bei Tageslicht schauen kann, die aber im Dunkeln zu Spiegeln werden.
Dazu kommen zahlreiche Geschenke sowie jede Menge Urlaubsmitbringsel aus aller Welt, darunter vieles, bei dem die Besitzer selbst schon gar nicht mehr wissen, woher es eigentlich stammt. „Ich sammle Skulpturen von naiven Künstlern“, erklärt Bergmann den Hintergrund vieler Gegenstände. An einer anderen Stelle hängen Musikinstrumente aus aller Welt. Doch es gibt auch Dinge, die nur angedeutet sind. In der Toilette etwa ist unter einer Holzverkleidung ein „ganz normales“ Klo aus Keramik versteckt – mit gewöhnlicher Spülung.
Und überall natürlich: Holz. Gleich am Eingang der Wohnung steht ein schwerer Holztisch. Will man eine halbe Treppe rauf ins Wohnzimmer, sieht man in der Wand sogar Balken verbaut, die genauso gebogen sind wie der Treppenaufgang. Darüber hängt eine mongolische Strickleiter aus Pferdehaar. Für die sind beide aber nicht in die Mongolei gereist: „Sie stammt vom Mongolei-Stand bei der Expo 2000“, berichtet der Hausherr.
Die beiden Kinder haben ihre eigenen Räume und zusätzlich noch einen alten Mercedes-Bus, der auf einer Baumhaus-Plattform in der Kastanie steht und zum Spielen genutzt werden kann. Oder zum Übernachten: Eine Matratze liegt auch darin. „Mit dem Bus sind wir früher in den Urlaub gefahren“, erinnert sich Bergmann. Erreichbar ist der Bus vom Bad aus über einen Holzpfad. Apropos Pfade: Die gibt es überall. In der Wohnung kann man sich problemlos verlaufen – und diverse Ausgänge führen nach unten wie oben.
Ganz oben, auf den Dächern, befinden sich die Büros der beiden. Ihres über den Wohnräumen, seines direkt über dem alten Mercedes. Aber hieß es nicht einst, der oberste Insulaner würde in einem Baumhaus leben? Jürgen Bergmann lacht. Ja, es gibt ein privates Baumhaus, das für die Besucher der Kulturinsel nicht zugänglich ist – auch wenn Neugierige immer wieder versuchen, dort hinaufzugelangen. „Aber mir fehlt die Zeit, es wirklich zu nutzen“, sagt er. Geschlafen habe er schon lange nicht mehr dort oben. Mittlerweile überlegen beide, wie es für Besucher zugänglich gemacht werden könnte: „Es ist ja schade drum, wenn es nicht genutzt wird.“
Das Bauernhaus hat Bergmann noch in den 1980er Jahren gekauft – vor der Gründung der Kulturinsel, die sich heute „Die geheime Welt von Turisede“ nennt. Schnell baute er sich eine Wohnung im Parterre aus – da, wo jetzt sein Vater wohnt. „Der Stall war anfangs die Werkstatt“, erinnert er sich. Doch dann wurde die Firma größer, das Firmenbüro zog in den Stall, die Werkstatt in andere Gebäude – und Bergmann 1995/96 für ein halbes Jahr ins Baumhaus. 1996 lernte er Doreen Stopporka kennen, 1997 zog sie mit ein: „Am Anfang haben wir noch unten in der anderen Haushälfte gewohnt.“ Dann bauten sie für sich selbst den Heuboden aus – mithilfe von Mitarbeitern und Freunden. Die Firma war damals noch klein, hatte 15 bis 20 Mitarbeiter. Heute sind es zehnmal so viele. „Anfangs waren sie noch mit im privaten Bereich, erst abends sind sie gegangen“, sagt er.
Vieles habe sich immer weiter entwickelt, auch in der heutigen Wohnung im alten Heuboden. „Jetzt ist eigentlich jedes Zimmer ausgebaut“, sagt er. Doch sie wirft ein, dass es vielleicht noch möglich wäre, auf dem Flachdach des Zimmers von Sohn Janko einen Raum zu errichten. Aber momentan sei das nicht geplant.
„Mehr in der Firma wohnen geht nicht“, sagt er. Eigentlich, ergänzt Doreen Stopporka, „ist Leben und Arbeit bei uns eins.“ Es gebe kaum eine Trennung. Deshalb müsse alles einen Stil haben, der der Familie Spaß macht: „Es muss schön sein, sodass man sich zu Hause fühlt.“ Ganz oben gibt es noch eine Dachplattform mit Badekessel, Holzschaukel und Aussicht auf das Reich der Vierhornziegen, die auf angrenzenden Dächern leben und dort von Besuchern bestaunt werden können. Und: Altersgerechtes Wohnen ist selbst auf der Kulturinsel möglich: Der Opa lebt ebenerdig und macht täglich seine Spaziergänge mit dem Rollator über die Kulturinsel.
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