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Mehr Vandalismus im Görlitzer Lockdown

Seit vergangenem Frühjahr ist im Stadtgebiet viel zerstört und beschädigt worden. Sogar an Orten, wo man es nicht vermutet.

Von Ines Eifler
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Das Rabryka-Gelände in der Görlitzer Innenstadt-West ist ein Ort, an dem Jugendliche sich frei bewegen können. Einige wenige haben das ausgenutzt und mehrfach randaliert.
Das Rabryka-Gelände in der Görlitzer Innenstadt-West ist ein Ort, an dem Jugendliche sich frei bewegen können. Einige wenige haben das ausgenutzt und mehrfach randaliert. © Pawel Sosnowski/Archiv

Die Bilder sprechen für sich: beschmierte Spielplatzgeräte, verstreuter Müll, herausgerissene Blumen, eingetretene Türen, Hakenkreuze. Bereits in vielen anderen Städten war seit März 2020 zunehmender Vandalismus ein Thema. Häufig wird ein Zusammenhang zwischen fehlenden Möglichkeiten, sich im Lockdown zu beschäftigen, und der Lust an der Zerstörung angenommen. Görlitz ist da keine Ausnahme.

Auch hier ist in den pandemiegeprägten Monaten viel zu Bruch gegangen, wurden Mauern zerstört, Flaschen zerschlagen und liegengelassen, Skulpturen beschädigt, Einbrüche aus reiner Lust an der Mutprobe begangen. Sogar an Orten wie dem Rabryka-Gelände kam das vor, wo sich Jugendliche frei bewegen können, wo sie sonst genügend Anregung bekommen, wo sie sich nicht an so strenge Regeln zu halten brauchen wie etwa in öffentlichen Parkanlagen.

Sogar wo Jugendliche frei sind, wird randaliert

"Dass nicht immer alles ganz und sauber bleibt, damit muss man an Orten der Soziokultur rechnen", sagt Christian Thomas, Leiter der Rabryka Werk I, "das darf auch sein." Aber das Ausmaß der Zerstörung in den vergangenen Monaten überraschte die Rabryka-Mitarbeiter dann doch.

In letzter Zeit mussten sie teilweise mehrmals pro Woche auf dem Gelände aufräumen und Zerstörtes reparieren. Scheiben waren eingeworfen worden, Sitzgelegenheiten zerstört, das Ziegeldach des selbstgebauten Lehmofens hatte nicht standgehalten, das mobile Info-Mobil, in dem die Jugendlichen 2019 die Görlitzer OB-Kandidaten interviewten, wurde beschädigt. Der größte Schaden war ein Einbruch in die Schuppenbar in der Nähe des Tores zum Parkplatz, der bei Festivals wie dem Fokusfest als Bar für eine Chillout-Arena dient.

In den vergangenen Wochen wurde auf dem Gelände der Rabryka viel zerstört. Unter anderem wurde in der Bar am Tor zum Parkplatz eingebrochen und die Tür von innen eingetreten.
In den vergangenen Wochen wurde auf dem Gelände der Rabryka viel zerstört. Unter anderem wurde in der Bar am Tor zum Parkplatz eingebrochen und die Tür von innen eingetreten. © Robert Gröschel/Rabryka

Dort wurden Fensterläden beschädigt, im Inneren wüteten die Zerstörer mit einem Feuerlöscher und traten die Tür von innen ein. "Wir wissen schon etwa, welche Gruppen da unterwegs waren", sagt Christian Thomas. Es seien immer nur ein bis zwei Jugendliche, die zu Mutproben anstifteten und andere mit hineinzögen. Teilweise seien auch Kinder ab etwa zehn Jahren dabei. Die Polizei habe viele von ihnen befragt, die entsprechende Gruppe habe im Mai Hausverbot auf dem Gelände und halte sich auch daran. Dank eines Geländepass-Systems lasse sich das gut kontrollieren.

Im Lockdown fehlen Jugendangebote und Sport

Einen Grund für die Zerstörungslust sieht Christian Thomas durchaus im Fehlen von Jugendangeboten im Lockdown. Zu anderen Zeiten bietet die Rabryka Workshops oder Veranstaltungen an, in denen Kinder und Jugendliche ihre Energie positiv nutzen können. Auch Sport sei wichtig dafür, Aggressionen loszuwerden, Anspannungen zu verarbeiten. Jetzt aber, da seit Monaten vieles ausgesetzt ist, breche sich der Wunsch nach Aktivitäten offenbar anders Bahn.

"Trotzdem sind die Jugendlichen kein wütender Mob, der randalierend durch die Görlitzer Straßen zieht", sagt Christian Thomas in Bezug auf all die anderen Vandalismusschäden in der Stadt.

Zahlreiche Schäden in fast allen Stadtteilen

Eine große Zahl erschreckender Vorkommnisse hat die Stadtverwaltung in diesem und vergangenem Jahr sogar an Orten dokumentiert, wo Vandalismus zu anderen Zeiten eher selten ist. Etwa im Kreuzkirchenpark, wo im März eine lange Reihe abgebrochener Flaschenhälse aufgereiht vor einer Bank lag und außer den vielen Scherben an Spielplatzgeräten massive Schmierereien zu beseitigen waren.

Abgebrochene, aufgereihte Flaschenhälse im Kreuzkirchenpark.
Abgebrochene, aufgereihte Flaschenhälse im Kreuzkirchenpark. © Stadtverwaltung Görlitz
Graffitischaden auf dem Spielplatz im Kreuzkirchenpark.
Graffitischaden auf dem Spielplatz im Kreuzkirchenpark. © Stadtverwaltung Görlitz
Eingebranntes Hakenkreuz auf einer Bank am Postplatz.
Eingebranntes Hakenkreuz auf einer Bank am Postplatz. © Stadtverwaltung Görlitz
Vermüllung im Kidrontal.
Vermüllung im Kidrontal. © Stadtverwaltung Görlitz
Vermüllung und Feuerstelle am falschen Ort: an der Skiwiese unterhalb der Landeskrone.
Vermüllung und Feuerstelle am falschen Ort: an der Skiwiese unterhalb der Landeskrone. © Stadtverwaltung Görlitz
Beschädigung der Skulptur in der Friedenshöhe.
Beschädigung der Skulptur in der Friedenshöhe. © Stadtverwaltung Görlitz
Vermüllung im Loenschen Park.
Vermüllung im Loenschen Park. © Stadtverwaltung Görlitz
Vandalismus an der Landeskrone. Mehrere Schilder und die Ortungstafel einer Trinkwasserleitung wurden abgerissen.
Vandalismus an der Landeskrone. Mehrere Schilder und die Ortungstafel einer Trinkwasserleitung wurden abgerissen. © Stadtverwaltung Görlitz
An der Landeskrone wurden Schilder aus dem Boden gerissen.
An der Landeskrone wurden Schilder aus dem Boden gerissen. © Stadtverwaltung Görlitz
Zerstörung am Aussichtsrondell im Kidrontal.
Zerstörung am Aussichtsrondell im Kidrontal. © Stadtverwaltung Görlitz
Hakenkreuz am Denkmal für die Opfer des Faschismus am Wilhelmsplatz.
Hakenkreuz am Denkmal für die Opfer des Faschismus am Wilhelmsplatz. © Stadtverwaltung Görlitz
Umgelegte Geländer im Görlitzer Stadtpark.
Umgelegte Geländer im Görlitzer Stadtpark. © Stadtverwaltung Görlitz
Vermüllung im Pontegarten.
Vermüllung im Pontegarten. © Stadtverwaltung Görlitz

An der Landeskrone gab es schwere Schäden. Erst diese Woche Mittwoch wurden zwei wiederholt abgetretene Abfallbehälter gefunden. Deren Inhalt lag herum, ein Behälter war die Skiwiese heruntergerollt worden. Zuvor war dort ein Lagerfeuer abgebrannt, der Platz vermüllt und voller Scherben hinterlassen worden.

Bereits 2020 waren an der Landeskrone massive Aufräumarbeiten nötig. Im Mai vor einem Jahr waren eine Lehrtafel des Naturkundemuseums und die Ortungstafel einer Trinkwasserleitung abgerissen worden, Hinweisschilder und Verkehrszeichen wurden mitsamt Pfosten und teilweise Fundament aus dem Boden gerissen und verbogen oder verschleppt. Ein mobiler Jägerhochsitz hielt der Zerstörung nicht stand, genau wie ein Holztisch an der Skiwiese. Ähnliche Fälle finden sich auch immer wieder im Loenschen Park, Scherben liegen häufen an allen möglichen Plätzen der Stadt.

    Beliebte Opfer: Skulpturen, Pflanzungen, Bänke, Parks

    In der Friedenshöhe versuchten im April erneut Menschen, der Skulptur "Junge mit Katze" den Kopf abzuschlagen. Im Stadtpark wurden einige erst kürzlich aufgestellte Rabattengeländer niedergerissen, die eigentlich die Grünanlagen am ehemaligen botanischen Garten schützen sollen. Im Ölberggarten stand eines Tages plötzlich der Zugang zu einem Schacht offen, jemand hatte den schweren Stahldeckel verrückt, es aber offensichtlich nicht geschafft, ihn wieder in die richtige Position zu bringen. Der Schacht soll nun zugeschüttet werden.

    Auf dem Wilhelmsplatz hatten die Stadtgärtner gerade frische Stiefmütterchen gepflanzt. Kurz danach lagen einige davon herausgerissen auf dem Rasen. Ebenfalls am Wilhelmsplatz fand sich im vergangenen Jahr am Denkmal für die Opfer des Faschismus ein aufgespraytes Hakenkreuz, wie auch auf einer Bank am Postplatz, allerdings eingebrannt.

    Eine der Liegen, die auf dem Wilhelmsplatz der Erholung dienen, wurde 2020 gestohlen, aber dank einer Zeugenaussage in einem Privathaushalt wiedergefunden und zurückgebracht. Die gleichen Liegen in Gelb wurden erst kürzlich auf Initiative des Bürgerrats Innenstadt-Ost im Uferpark aufgestellt. Eine davon lag bereits in der Neiße, sodass die Stadtverwaltung höflich in der Presse mitteilen ließ: Die Liegen dürfen auf der Wiese umgestellt, sollen aber bitte nicht "in die Neiße" gestellt werden.

    Bienenhotel im Brennpunkt Kidrontal

    Über den ständigen Vandalismus im Kidrontal trotz regelmäßiger Reinigung immer vermüllten Teichen hatte saechsische.de erst kürzlich berichtet. Nun kam es erneut zu einem Vorfall. Der Bürgerrat Königshufen hatte sich dafür engagiert, nach dem ersten Insektenhotel, dass er aus seinem Budget angeschafft hatte, noch ein zweites errichten zu lassen. Das erste steht an der Straßenbahnhaltestelle Alexander-Bolze-Hof, das zweite wurde Ende März im Kidrontal aufgestellt, weil da das ganze Jahr über viel blüht.

    Der Bürgerrat Königshufen engagierte sich dafür, ein zweites Bienenhotel in Königshufen aufstellen zu lassen, das erste auf der Lausitzer Straße, das zweite im Kidrontal. Wenige Wochen, nachdem die Stadt Görlitz es hier aufgestellt hatte, wurde es bereits
    Der Bürgerrat Königshufen engagierte sich dafür, ein zweites Bienenhotel in Königshufen aufstellen zu lassen, das erste auf der Lausitzer Straße, das zweite im Kidrontal. Wenige Wochen, nachdem die Stadt Görlitz es hier aufgestellt hatte, wurde es bereits © Stadtverwaltung Görlitz

    Keine sechs Wochen vergingen, da hatte das neue Bienenhotel schon keine Dachpappe mehr und das Holz war eingeschlagen. Ein Gitter, hinter dem sich Hummeln und wilde Bienen hätten einrichten können, war herausgerissen. "Das ist wirklich eine Sauerei", sagt Peter Hoffmann, einer der Vorsitzenden des Bürgerrats. "Den kleinsten Geschöpfen auf der Welt so etwas anzutun!" Jetzt soll das Insektenhotel repariert und umgesetzt werden. "Wenn es da stehenbleibt, ist in 14 Tagen nichts mehr davon übrig", sagt Hoffmann. Den Standort hatte der Bürgerrat nicht selbst bestimmt. "So etwas muss an einen Ort, der von allen Seiten einsehbar ist."

    Ob die Schäden tatsächlich in der Corona-Zeit im Vergleich zu früheren Jahren zugenommen haben, mag die Stadtverwaltung nicht eindeutig bejahen, weil das Vandalismus-Aufkommen von Jahr zu Jahr schwanke. Die Täter seien in kaum einem Fall bekannt. Die Reparaturen werden aus dem Städtischen Haushalt bezahlt. Allein die Beseitigung der Schäden an der Landeskrone und im Kidrontal kosten jeweils mehrere Tausend Euro.

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