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So fährt es sich im Elektrobus durch Görlitz

Nach einem Wasserstoffbus testeten die Görlitzer Verkehrsbetriebe jetzt einen E-Bus im Stadtverkehr. Das Urteil der Kunden und Fahrer fällt einheitlich aus.

Von Susanne Sodan
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Auf geht's vom Demianiplatz aus nach Klingewalde - mit dem Elektrobus.
Auf geht's vom Demianiplatz aus nach Klingewalde - mit dem Elektrobus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Schön geräumig, finden Doris und Hans-Jürgen Becker. In Klingewalde sind sie in den Bus gestiegen und fahren jetzt in die Görlitzer Innenstadt, sie wollen ins Kino. Der Bus, der das Ehepaar dahin bringt, ist keiner der üblichen. Es ist ein E-Bus. Eine reichliche Woche lang haben die Fahrer der Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB) ihn getestet. Die Fahrt am vorigen Montagmittag auf der D-Linie von der Hochschule nach Klingewalde und wieder zurück war eine der letzten des Testbetriebes.

Ticketautomaten und Entwerter fehlen noch, fällt Hans-Jürgen Becker auf, als er eingestiegen ist. Was allerdings daran liegen dürfte, dass der Bus, ein MAN Lion’s City 12E, erstmal nur für den Test ausgeliehen ist. Wer mitfahren wollte, musste sich sein Ticket an den Haltestellen kaufen. Auch der Monitor an der Busdecke zeigt noch keine Haltestellen an, sondern Testbilder in Grün, Blau, Rot und Grau. Und: Der Bus müsste beim Halten tiefer absenken können, dass auch Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl leichter zusteigen können, finden Beckers. Abgesehen davon können sie dem Elektrobus viel Positives abgewinnen.

Elektrobus leichter zu "betanken"

Eine Linien-Anzeige gibt es noch nicht, war aber auch nur ein Test: Nach dem Wasserstoffbus testeten die GVB jetzt einen Elektrobus. Einen Vorteil hat er: Er ist leichter zu laden.
Eine Linien-Anzeige gibt es noch nicht, war aber auch nur ein Test: Nach dem Wasserstoffbus testeten die GVB jetzt einen Elektrobus. Einen Vorteil hat er: Er ist leichter zu laden. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

"Leise ist er", sagt Doris Becker. Und eben schön geräumig. Sie haben im hinteren Teil des Busses Platz genommen, mit Blick auf den Bereich, der offenkundig für mehrere Kinderwagen oder Rollstühle vorgesehen ist. Im Juli hatten die GVB bereits einen Wasserstoff-Bus getestet, genau genommen zwei. Mit dem kleineren war das GVB-Personal zunächst zu Schulungszwecken unterwegs, mit dem größeren ging es in den öffentlichen Testbetrieb. Die Funktionsweise war gleich: Eine Brennstoffzelle an Bord wandelte den Wasserstoff in elektrische Energie für den Antrieb eines Elektromotors. Zumindest beim jetzigen Stand der Technik sind Beckers aber eher für den Elektrobus.

"Elektroladestationen werden gerade überall gebaut", sagen sie. Währenddessen musste der Wasserstoffbus nach ungefähr vier Tagen zum Volltanken nach Polen gebracht werden. Es gibt zwar Initiativen, die Wasserstoff-Infrastruktur im Landkreis Görlitz auszubauen. So forderte im Sommer etwa die Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, den Wasserstoff zu nutzen, der auf dem Siemens-Campus beim Fraunhofer Hydrogen Lab anfällt. Doch das hat Hürden. In Dresden gibt es seit 2018 die erste Wasserstofftankstelle, und im Frühjahr haben die Cottbuser Verkehrsbetriebe mit der Leag einen Kooperationsvertrag unterschrieben, die Fahrzeugflotte auf Wasserstoffantrieb umzustellen, mit Wasserstofftankstelle. Doch Dresden und Cottbus sind, zumindest zum Tanken, recht weit entfernt. Wie lange wird es dauern, bis Görlitz wirklich eine Wasserstofftankstelle hat?

Außenspiegel kann man nicht mehr abfahren, Kameras statt Spiegel zeigen dem Fahrer, was um ihn her geschieht.
Außenspiegel kann man nicht mehr abfahren, Kameras statt Spiegel zeigen dem Fahrer, was um ihn her geschieht. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

In Klingewalde hat GVB-Fahrer Zbigniew Zandarski ein paar Minuten Zeit: Er öffnet den Tankdeckel des Elektrobusses, hinter dem sich ein Ladeanschluss verbirgt, wie man ihn von E-Autos kennt. Dahinter ist eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Leistung von 160 bis maximal 240 Kilowatt verbaut. Zumindest laut Datenblatt soll der E-Bus damit ähnlich weit kommen wie der Wasserstofftestbus mit seinem 51-Kilo-Tank: rund 350 Kilometer. Was Wasserstoff- und Elektrobus - wie die allermeisten modernen Busse - nicht mehr haben: Außenspiegel. Stattdessen zeigen mehrere Kameras dem Busfahrer auf einem Monitor an, was um ihn herum geschieht. Zbigniew Zandarski kennt nun E- und Wasserstoffbus: "Sie fahren beide sehr gut", sagt der GVB-Fahrer.

Schön leise

Und vor allem: Sie fahren leise. Auf der Huckelpiste namens Rothenburger Landstraße, auf der es zurück in die Innenstadt geht, merkt man das zwar nicht unbedingt. Aber ging es über die Berliner Straße, hörte man nur ein Summen. Ob der Bus ob fehlender Geräuschkulisse schon mal Passanten zur Gefahr wurde? Zbigniew Zandarski lacht und verneint. Er findet, ihre Ruhe mache die modernen Busse zumindest für die Fahrer sogar sicherer: "Man wird nicht müde", sagt er und erklärt: Der Geräuschpegel herkömmlicher Busse wird irgendwann belastend, wirkt auf Dauer ermüdend.

Die Tests der Busse mit modernen Antriebsarten sind Teil des Projektes „ÖPNV-Modellstadt Görlitz“. Die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs in Görlitz soll modernisiert werden, der ÖPNV umweltfreundlicher werden. In drei Jahren sollen auch Wasserstoff-Straßenbahnen getestet werden. Wenn Zbigniew Zandarski entscheiden müsste, würde er derzeit eher zum E-Bus tendieren. Einfach, weil es beim aktuellen Stand der Dinge unkomplizierter ist, ihn zu "tanken", also zu laden.

Fahrgäste: Mehr Fahrten für mehr Umweltfreundlichkeit

Familie Becker jedenfalls findet es gut, dass die GVB sich über neue Technologien für den Görlitzer Stadtverkehr kundig macht. "Doch, das ist schon richtig", sagt Doris Becker. Man hätte aber früher damit anfangen können, sagt ihr Mann. 2019, mit dem Übergang der Verkehrsgesellschaft Görlitz zur städtischen GVB, wurden zwei neue Busse angeschafft, mit Euro 6 zwar auf dem damals neuesten Stand, aber noch Diesel-Busse. Beckers hätten noch einen Vorschlag, den Stadtverkehr umweltfreundlicher zu gestalten: Sie fahren sehr oft Bus, sind aber manchmal aufs Auto angewiesen, vor allem abends am Wochenende. Selbst der Rufbus würde sie sonnabends kurz nach 18 Uhr letztmalig nach Klingewalde zurückbringen. Eine Ausweitung bestehender Linien, dass mehr Menschen öfter Bus fahren können, wäre ihr Vorschlag.