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Görlitz: Polizei erwartet sinkende Ausländerkriminalität

Die AfD möchte am Dienstag in einem Sonderstadtrat über Sicherheit sprechen. Tatsächlich hat sich die Lage laut Polizei und Innenministerium nicht verschlechtert.

Von Marc Hörcher
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Stadt und Polizeidirektion wollen den Marienplatz intensiver bestreifen. Unsicherer als andere Plätze in der Stadt ist dieser laut Polizei nicht.
Stadt und Polizeidirektion wollen den Marienplatz intensiver bestreifen. Unsicherer als andere Plätze in der Stadt ist dieser laut Polizei nicht. ©  SZ-Archiv

Auf Antrag der AfD-Fraktion kommt der Görlitzer Stadtrat am heutigen Dienstag zu einer Sondersitzung zusammen. Die Rechtspopulisten möchten über die Sicherheitslage reden - diese verschlechtere sich. Sie stellen einen Zusammenhang her zwischen der Sicherheitslage in der Stadt und aktuellen Flüchtlingsbewegungen. Ihr Bestreben: Der Stadtrat möge feststellen, dass die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber und Flüchtlinge, ausgenommen Flüchtlinge aus der Ukraine, erschöpft seien. Die Zahlen, welche die Polizeidirektion Görlitz der SZ auf Anfrage mitteilt, liefern hingegen ein anderes Bild.

„In Summe kann in den vergangenen zwei Jahren im Stadtgebiet von Görlitz objektiv keine Verschlechterung der Sicherheitslage festgestellt werden. Die Fälle der Gewalt- und Straßenkriminalität nehmen rein zahlenmäßig im Vergleich zur Gesamtkriminalität eine eher kleinere Bedeutung ein“, sagt Anja Leuschner, Pressesprecherin der Polizeidirektion Görlitz. Grundlage für diese Aussage bilden die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).

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Zur Gewaltkriminalität zählt die Polizei Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen und sexuelle Übergriffe im besonders schweren Fall, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Autofahrer sowie gefährliche und schwere Körperverletzung. 206 solcher Gewaltdelikte seien 2021 in Görlitz laut PKS registriert worden, davon 170 aufgeklärt. 2022 sank die Zahl der Gewaltdelikte auf 186, davon seien 145 aufgeklärt worden. Für das Jahr 2023 ist die Statistik noch nicht ausgewertet, aber es werde bei der Gewaltkriminalität „aktuell ein leichter Anstieg erwartet.“

Die Straßenkriminalität fasst die Delikte zusammen, die typischerweise auf Straße, Wegen oder Plätzen begangen werden. In Görlitz sind das überwiegend Autoknackereien und sonstige Sachbeschädigungen. Im Bereich der Straßenkriminalität wurden 2021 insgesamt 1.069 Fälle in Görlitz registriert, davon 310 aufgeklärt. 2022 waren es 1.117, davon 278 aufgeklärt. Für das Jahr 2023 wird erwartet, dass die Fallzahlen der Straßenkriminalität dem Vorjahresniveau entsprechen. In den Feldern der Gewalt- und Straßenkriminalität gibt es Überschneidungen, die auch bei der Zahl der Tatverdächtigen zu beachten sind. „Die Tatverdächtigen aus Gewalt- und Straßenkriminalität können also nicht einfach summarisch zusammengerechnet werden. Jedes Deliktsfeld muss einzeln betrachtet werden“, sagt Leuschner.

Die meisten nichtdeutschen Täter sind Polen

Was laut Polizei „immer häufiger“ geschieht, ist, dass Fotos oder Videos von Gewalt- und Straßenkriminalität im Internet und Social Media die Runde machen. So kursierten beispielsweise Videos der Schlägerei in der Diskothek „L2“ Anfang Juli sowie der Schlägerei auf dem Marienplatz Ende August in den vergangenen Wochen im Netz. Durch die öffentlich wahrnehmbare Diskussion habe „dieses Deliktsfeld großen Einfluss auf das Sicherheitsempfinden, was zu einer Diskrepanz zwischen der objektiven Sicherheitslage und der subjektiv wahrgenommenen Sicherheit führen kann“, sagt Leuschner. Die Polizei möchte zur Stärkung des Sicherheitsgefühls in Absprache mit der Stadt ihre Präsenz auf dem Marienplatz und der Berliner Straße erhöhen, wie die SZ bereits berichtete.

Und wie oft gehen Gewalt und Kriminalität in Görlitz tatsächlich von Ausländern aus? „Der Anteil von nichtdeutschen Tatverdächtigen ist, abgesehen von naturgemäßen Schwankungen, annähernd gleichbleibend.“ Im Jahr 2021 seien 30 Prozent der Tatverdächtigen zur Gewaltkriminalität und 33 Prozent zur Straßenkriminalität nichtdeutsch gewesen. Im Jahr 2022 waren es 28 beziehungsweise 41 Prozent. Für das Jahr 2023 erwartet die Polizei in beiden Phänomenbereichen einen fallenden Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger.

Bei den nichtdeutschen Tätern handelt es sich meist um Polen – bedingt durch die Grenzlage. Im Jahr 2021 „traten in Summe nur 18 Tatverdächtige mit syrischer, irakischer, afghanischer, libanesischer, tunesischer beziehungsweise türkischer Nationalität als Tatverdächtige zur Gewaltkriminalität und 14 zur Straßenkriminalität in Erscheinung.“ Im Jahr 2022 waren es 18 nicht-polnische ausländische Gewalttäter und 18 nicht-polnische ausländische Straßenkriminelle. 2023 bewegen sich diese Zahlen bislang „jeweils im einstelligen Bereich.“

Orte in der Stadt, an denen sich die Sicherheitslage verschärft hat beziehungsweise die als Brennpunkt im Sinne eines besonders unsicheren Ortes gelten, gibt es aus Sicht der Polizeidirektion Görlitz nicht. Allgemein lasse sich jedoch sagen, dass öffentliche Plätze der Zusammenkunft wie beispielsweise der Marienplatz „auch auf Grund des dort häufig stattfindenden Alkoholkonsums – immer ein gewisses Konfliktpotential bergen und daher bei der polizeilichen Arbeit selbstverständlich im Fokus stehen.“

Mehrzahl der Zuwanderer begeht keine Straftaten

Das Sächsische Innenministerium sieht keinen Zusammenhang zwischen den aktuellen Migrationsbewegungen und der objektiven Sicherheitslage in Görlitz, so eine Sprecherin am Montag auf SZ-Anfrage. Für die bundesweite Situation liefert das Bundeskriminalamt eine Untersuchung, welche die Entwicklungen und Auswirkungen des Zustroms von Flüchtlingen und Asylbegehrenden auf die Kriminalität untersucht. Diese Statistik sagt aus: Die Zahl der Fälle von Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern sei in den ersten drei Quartalen 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent angestiegen. Aufschluss darüber, in welchen Regionen Deutschlands der Anstieg zu verzeichnen ist, gibt die Statistik nicht. Was sie aber aussagt: „Die Mehrzahl der in Deutschland aufhältigen Zuwanderer trat nicht im Zusammenhang mit einer Straftat in Erscheinung.“