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Wie zwei Frauen den Dorfladen retten

Anne Ritter-Hahn und Peggy Hocke übernehmen in Melaune bei Görlitz den Einkaufsmarkt. Künftig spielen regionale Produkte eine noch stärkere Rolle.

Von Constanze Junghanß
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Helga Schaffrath geht in Rente. Zum Abschied gibt’s ein musikalisches Ständchen.
Helga Schaffrath geht in Rente. Zum Abschied gibt’s ein musikalisches Ständchen. © Constanze Junghanß

Saxofon-Klänge zwischen Regalen mit Kondensmilch, Marmelade und Kräutertee: Helga Schaffrath lauscht Georg Krause sichtlich gerührt. Der Junge bringt zusammen mit seiner Mutter Simone ein Abschlussständchen in den Melauner Einkaufsmarkt. Verkäuferinnen klatschen Beifall. „Wir waren froh, dass es im Dorf diesen Laden gab“, sagt Simone Krause. Nun schließt er – aber nur ganz kurz. Helga Schaffrath fand gleich zwei junge Nachfolgerinnen. Am 3. Juni öffnen die Ladentüren wieder. 14 Jahre führte Helga Schaffrath den Einkaufsmarkt in Melaune.

„Mit sämtlichen Höhen und Tiefen“, wie sie erzählt. Nun zieht die 65-Jährige den Schlussstrich. „Ich gehe in Rente.“ Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie sie sagt. Ganz leicht fällt ihr dieser Schritt nicht. Aber auch die Gesundheit spielt eine Rolle: Frau Schaffraths Hüfte macht nicht mehr so mit, wie sie sollte. „Eine OP steht an, die ich nun ganz in Ruhe machen lassen kann“, sagt sie. Dass so viele Kunden Blumensträuße und kleine Abschiedsgeschenke letzte Woche vorbei brachten, freut sie sehr. Und auch, dass ihre sechs Mitarbeiterinnen von den neuen Betreiberinnen übernommen werden.

Das ist die Melaunerin Anne Ritter-Hahn, die 2019 die Görlitzer Marktschwärmerei ins Leben rief. Bei der Schwärmerei geht es um regionale Produkte, die nach Bestellung an festen Tagen abgeholt oder in die Gemeinden Vierkirchen und Königshain geliefert werden. Geschäftspartnerin für den Dorfladen an ihrer Seite ist Peggy Hocke aus Meuselwitz, die mit ihrem historischen Gewerk auf Mittelaltermärkten und Festivals seit Jahren Verkaufserfahrung sammelte. Beide Frauen überlegten während der Elternzeit mit ihren Kindern, wie die Infrastruktur im Dorf auch in Zukunft und langfristig erhalten bleiben und gleichzeitig regionale Produzenten unterstützt werden können. Sie gehören damit zu den Frauen, die in der Region bleiben und nicht ans Auswandern denken.

Autobahn ist nicht weit entfernt

Als sie von der Aufgabe des Einkaufsmarktes hörten, waren sie sich einig: Der Dorfladen dürfe nicht sterben. Denn nicht nur für die rund 1.700 Einwohner Vierkirchens mit den zugehörigen zehn Ortsteilen sei dieser Laden wichtig. Auch aus anderen Dörfern, in denen es weder Supermarkt noch Dorfkonsum gibt, kommen die Kunden. Die Jugendscheune fast nebenan beherbergt außerhalb von Corona-Zeiten viele Gäste und Pilger, die im Geschäft Brot, Wurst, Käse oder eine Nascherei kauften.

Die Autobahn A 4 ist nur einen Katzensprung entfernt, die Dussa GmbH betreibt eine Niederlassung in Döbschütz. Alles Standortvorteile für den zentral gelegenen Laden im gerade mal rund 300 Einwohner zählenden Melaune. Den Sprung in diese Form der Selbstständigkeit zu wagen, trauen sich die Frauen deshalb zu.

Anne und Peggy wollen Bewährtes im Laden behalten. Dazu zählt die Mittagsversorgung. Drei bis sechs Wahlessen gibt es täglich, alle frisch gekocht. Getestet werden soll, ob ein vegetarisches Essenangebot auch auf dem Dorf ankommt. Wie in einem Mini-Supermarkt gibt es eine große Bandbreite an Produkten. Die soll weiter ausgebaut werden.

Anne Ritter-Hahn (links) und Peggy Hocke sind die neuen Betreiberinnen vom Landshop Melaune.
Anne Ritter-Hahn (links) und Peggy Hocke sind die neuen Betreiberinnen vom Landshop Melaune. © Constanze Junghanß

Künftig spielt Regionalität eine noch größere Rolle: Milchprodukte, Obst und Gemüse heimischer Landwirte, Honig vom Imker, Fisch, Blumen aus der Gärtnerei des Nachbarorts, eine kleine Palette Bioprodukte, Eis und mehr wird es geben, wie Anne Ritter-Hahn erzählt. Ihre durch die Marktschwärmerei geknüpften Kontakte zu den einheimischen Erzeugern werden so mit genutzt. „Regionalität soll hier weiter wachsen“, sagt die 35-Jährige und auch, dass die Waren des täglichen Bedarfs wie gehabt im Sortiment bleiben.

Neu ist der Name des Einkaufsmarktes. „Landshop Melaune“ heißt der Laden nun. Neu ist ebenfalls das Angebot eines Lieferservice jeden Freitag im Umkreis bis zu 15 Kilometern. Beispielsweise Senioren, die sonst für den Einkauf auf eine Mitfahrgelegenheit angewiesen sind, können so per telefonischer Vorbestellung einkaufen und erhalten ihre Ware direkt nach Hause gebracht. Bleibt denn da noch Zeit für die Marktschwärmerei in Görlitz? „Die läuft weiter“, versichert Anne Ritter-Hahn. Ihre Geschäftspartnerin Peggy Hocke übernimmt gleichzeitig den Lotto- und Postladen auf der anderen Straßenseite. Dessen Betreiberin geht ebenfalls in Rente.

Die 32-Jährige eröffnet da am 2. August ihren „Glückskäfer-Shop“. Der Service rund um Post und Lotto bleibt, das Sortiment wird teilweise geändert. Neben Spielwaren soll es künftig Stahl- und Kurzwaren geben. Und ein SB-Digitalfotodrucker kommt auch neu dazu. Da können die Einheimischen und Durchreisende ihre Fotos ausdrucken.

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