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Schnaufen für gute Aussichten

Vom Jeschken aus führen viele Wege in die Oberlausitz. Für ambitionierte Radler lohnt sich eine Tour besonders. Die SZ stellt sie vor. Teil 5 unserer Serie "Grenzgänge".

Von Irmela Hennig
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Der futuristische Hotel- und Fernsehturm-Bau auf dem Berg Jeschken ist das Wahrzeichen der tschechischen Stadt Liberec. Bei schönem Wetter wandern, fahren und radeln täglich Hunderte Menschen hinauf.
Der futuristische Hotel- und Fernsehturm-Bau auf dem Berg Jeschken ist das Wahrzeichen der tschechischen Stadt Liberec. Bei schönem Wetter wandern, fahren und radeln täglich Hunderte Menschen hinauf. © Matthias Weber/photoweber.de

1. Schlosstürme oder Burgruine

© Matthias Weber

Ja, sie tun es – Sportliche rad-strampeln von Køižany hinauf auf den Gipfel des reichlich 1.000 Meter hohen Jeschken, Hausberg der böhmischen Stadt Liberec (Reichenberg). Einige nutzen die Seilbahn ab Horní Hanychov, begrenzt ist die Fahrradmitnahme möglich. Andere fahren Auto. Oder wandern.

Egal, wie man hochkommt. Runter muss man trotz herrlicher Aussicht irgendwann. Der Vorschlag dafür: eine Tour vom Jeschken zum Hochwald in Oybin bei Zittau. Je nach Route sind das bis zu 40 Kilometer. Dabei lohnt es sich, auf Schloss Lemberk zuzuhalten. Vom kostenlosen Parkplatz unter der Anlage mit Wurzeln im 13. Jahrhundert führt ein mit Grün- sowie Gelbstrich markierter kurzer Wanderweg hinauf. Tor- und Schlossturm, Park, ein mit Kassettendecken, Malerei und Stuck üppig gestaltetes Inneres locken; montags ist geschlossen. Im Gebäude herrscht noch Maskenpflicht.

Wer Menschen meiden und trotzdem Historie erleben möchte, macht stattdessen beim Wandern von Petrovice nach Oybin einen 500 Meter langen, aber sehr steilen Abstecher zur Ruine der Alten Falkenburg auf dem Sokol. Davon sind wenige – malerische – Reste vorhanden. Beim Abstieg gibt es den Ausblick auf den Hochwald.

Route des Europäischen Fernwanderweges E3

© Gernot Grunwald

2. Kulturdenkmal und Umgebinde-Romantik

© Matthias Weber

Nur wenige Kilometer von Lemberk entfernt befindet sich Jablonné v Podještědí (Deutsch Gabel) mit einer rund 800-jährigen Geschichte. Ein schmuckes Zentrum mit Markt, Brunnen unter schattenspendenden Bäumen, Pestsäule, Cafés, Restaurants und Läden bietet Gelegenheit für einen Bummel. Parkplätze hier sind kostenlos. Am Montag ist vieles geschlossen.

Fast neben dem Markt liegt ein Nationales Kulturdenkmal – die St.-Laurentius-Kirche samt Dominikanerkloster. Hinter einem kleinen Park erhebt sich der grau, weiß und rot gestrichene Kuppelbau. Im Inneren, das viel größer ist, als man von außen vermutet, dominiert barocke Pracht, scheint Sonne durch Buntglasfenster, ist die Decke bemalt und stuckverziert. Um 1250 wurde das Kloster gegründet. In den Hussittenkriegen und im Dreißigjährigen Krieg zerstört, entstand ab 1699 der heutige Kirchbau. Geschaffen vom italienischen Architekten Johann Lucas von Hildebrandt, von dem auch die Wiener Peterskirche stammt.

Den dörflichen Gegensatz zur Basilika minor von Jablonné finden Ausflügler etwa fünf Kilometer weiter nördlich im Dörfchen Petrovice. Hier gibt es schmuck sanierte Umgebindehäuser, blühende Gärten und eine ordentliche Portion Landluft für die Nase. Zwischen Sommerwiesen führt der Rad- und Wanderweg gen Kammloch bei Oybin. Wer hin-aufsteigt, sollte sich ab und zu umdrehen und noch einmal einen Blick auf den Jeschken erhaschen. Schließlich geht es durch einen Fichtenwald zur Grenze.

3. Hochwaldblick und Bähnlglück

© Irmela Hennig

Fast 40 Kilometer sind geschafft. Doch wer noch ein bisschen Puste hat, sollte sich die Tour auf den Hochwald, den knapp 750 Meter hohen "Aussichtsturm des Zittauer Gebirges", gönnen. Vom Grenzübergang am Kammloch gehen mehrere Wanderwege nach links ab, für Radler ist die Kombination aus Ankohrweg und Alter Rodelbahn zu empfehlen. Direkt an der Kammstraße zwischen Grenze und Oybin liegen zudem kostenlose Wanderparkplätze.

Ein lichter Wald mit einer Mischung aus Buchen, Fichten, Ulmen und Ahorn macht Sommerlaune. Auf dem Gipfel angekommen, lohnt es sich, die 1,50 Euro für den Hochwaldturm zu investieren und rund 130 Stufen hinaufzusteigen. Oben weht ordentlich der Wind. Doch bei gutem Wetter ist die Aussicht fast noch schöner als die vom Jeschken. Zittauer Gebirge, Lausitzer Bergland, die Burg- und Klosteranlage von Oybin, Böhmische Schweiz, dazu Städte und Dörfer und der ferne Jeschken sind zu sehen. Ganz nah erhebt sich die Hochwaldbaude. Dort, aber auch am Kiosk unter dem Turm, bekommen die Ausflügler einen Imbiss oder ein richtiges Essen.

Unter dem Turm fährt mehrmals am Tag, aber witterungsabhängig, der "Oybiner Gebirgsexpress" zum Bahnhof Oybin. Das Bähnl steuert auch andere sehenswerte Ecken an.

4. Schnaufend mit der Schmalspurbahn

© Matthias Rietschel

"Horch mal!" Beglückt lauschen Wanderer auf den Hochwaldwegen dem Pfeifen und Zischen der Zittauer Schmalspurbahn. Bis weit hinauf tönt das Tuten und Fauchen des historischen Gefährts. Vom Berggipfel aus ist es unter anderem mit dem Oybiner Gebirgsexpress zu erreichen. Allerdings verpasst man dann die Kelchsteine. Die pilzförmigen, rotbraunen Sandsteinfelsen sind ein Hingucker. Von hier aus führt ein mit Grünstrich markierter Wanderweg zum Bahnhof.

Dort wartet kein moderner Triebwagen auf Reisende, sondern ein echtes Stück – gerettete – Eisenbahngeschichte. Schon der Bahnhof selbst mit Hauptgebäude aus gelben Klinkern, mit Museum, Lehrpfad und Café ist einen Besuch wert. Täglich fahren Züge nach Zittau zwischen etwa 10 und 18 Uhr. Wäre es nach dem Willen der Regierung in den letzten DDR-Jahren gegangen, wäre der Personenverkehr 1990 eingestellt, die Trasse im Zuge dem wachsenden Olbersdorfer Braunkohletagebau geopfert worden. Doch Bürger engagierten sich gegen das Vorhaben, die Wende kam, mit der Kohleförderung hier war Schluss. Die Bahn schnauft immer noch.

Auf der Tour gen Zittau haben Fahrgäste die Burg- und Klosteranlage Oybin eher im Rücken. Deshalb lohnt sich auch die umgekehrte Strecke. Doch – mit Blick auf Teufelsmühle und Umgebindelandschaft, auf bewaldetes Bergland, in blühende Gärten, in denen die Kirschen an den Bäumen gerade rot werden – ist die Fahrt ein guter Abschluss nach ordentlicher Anstrengung.

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