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Landkreis Meißen: Hier arbeiten 3.619 Fachkräfte aus dem Ausland

Die Bundespolitik hat die Einwanderung von Spezialisten erleichtert. Wie verdienen sie ihren Unterhalt? Was sagen zuständige Einrichtungen?

Von Kathrin Krüger
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Ablelom Tewelde beim Etikettieren  der Pakete bei Amazon in Lampertswalde. Hier sind sehr viele ausländische Mitarbeiter tätig.
Ablelom Tewelde beim Etikettieren der Pakete bei Amazon in Lampertswalde. Hier sind sehr viele ausländische Mitarbeiter tätig. © Kristin Richter

Landkreis. Anfang Juli hatte der Bundestag das umstrittene neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz beschlossen. Es soll den Mangel an Arbeitskräften beheben helfen. Ein "Spurwechsel" soll für Asylsuchende möglich sein, damit sie eine qualifizierte Tätigkeit ausüben können. Wie sind aktuell die Bedingungen im Landkreis Meißen? Sächsische.de fragte nach.

Erste Station: Diakonie Großenhain

Erste Station: die Migrationsberatung der Diakonie in Großenhain. Hier werden aktuell nur zwei erfolgreiche Vermittlungen genannt. Die Betreffenden wollen sich aber weder fotografieren lassen, noch wollen sie namentlich genannt werden. Zuerst geht es um eine Frau aus Somalia, die an ein Labor in Riesa vermittelt wurde. "Im Kontext des Personal- und Fachkräftemangels ist das Labor aus Riesa gezielt auf uns zugekommen", heißt es aus dem Büro in der Marktgasse. Gesucht wurde eine Person für Tätigkeiten im Labor. Es gab Anforderungen. Dank der guten und engen Absprache zwischen Klinikum und Diakonie fand sich ein Weg, die Frau in Arbeit zu bringen. Das Unternehmen hat sich auch für die Anerkennung des Zeugnisses der Frau eingesetzt. Neben der Arbeit kann sich die Frau sprachlich weiterbilden. Dank dieses Einsatzes lebt sie inzwischen ohne Unterstützung durch Jobcenter-Leistungen, absolviert seit Juli einen Lehrgang, der sie für die Arbeit im Labor fit macht. Verläuft dieser Kurs erfolgreich, wird sie als Laborassistentin voll anerkannt sein und hat damit eine berufliche Perspektive.

Für die Diakonie ist das ein "tolles und starkes Beispiel, wie mit engagiertem Einsatz des Unternehmens und teils unbürokratischem Denken eine gute Lösung für beide Seiten entstanden ist". Im zweiten Fall geht es um einen Mann aus dem Libanon, der mit seiner Frau und zwei Kindern nach Deutschland eingereist ist. Ohne Vorkenntnisse hat er sich in der Zeit, die er hier ist, Deutsch im Selbststudium beigebracht. Sprachkurse fanden bisweilen nur zum Teil statt, so die Diakonie. Eigeninitiativ habe der Mann sich als Pflegehelfer beworben – und hatte damit Erfolg. "Auch wenn er den Betrieb daraufhin das eine oder andere Mal wechselte, hat er Weiterbildungen stets mitgenommen und war bei den Senioren immerzu ein beliebter Mitarbeiter", wird eingeschätzt.

In dieser Entwicklung kam es zu einem Bruch, als sich sein Aufenthaltsstatus in eine Duldung veränderte. Damit war es umso schwieriger, eine Arbeit neu aufzunehmen. In diesem Dilemma gelang es dem Mann aus eigener Kraft, seine Situation vor die sächsische Härtefallkommission zu bringen – die sich letztlich für ihn aussprach und ihn damit wesentlich unterstützte. Nach aktuellem Stand ist der Mann dem Bereich Pflege treu geblieben, arbeitet inzwischen sogar schon als Teamleiter. Aufgrund der guten Verbindung steht er der Migrationsberatung ehrenamtlich weiterhin zur Verfügung – bei Bedarf übersetzt er in drei Sprachen und ist eine wesentliche Hilfe im Beratungsalltag. "In unseren Augen ein gutes Beispiel für die Hindernisse, die es zu bewältigen gilt, und wie es dank des individuellen Einsatzes und einer guten Beratungsarbeit trotzdem gelingen kann", so der Kommentar der Diakonie.

Zweite Station: Agentur für Arbeit

Zweite Station: die Agentur für Arbeit Riesa. Hier erläutert Sprecherin Berit Kasten, dass bis 2030 laut Bevölkerungs-Vorausberechnung im Landkreis Meißen bis zu 11,8 Prozent weniger Einwohner im erwerbsfähigen Alter leben. "Auch wenn alle inländischen Hebel zur Fach- und Arbeitskräftesicherung greifen, wird das aus demografischen Gründen nicht reichen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken", so Kasten. Es sei daher wichtig, Schwellen zu senken und die Einwanderung in den Arbeitsmarkt einfacher, unbürokratischer und attraktiver zu gestalten. "Für schnellere Verfahren wünschen wir uns als Bundesagentur einen Digitalisierungsschub, bestenfalls mit einer digitalen Plattform, auf der alle beteiligten Akteure schnell Informationen austauschen können", heißt es.

Zur Deckung des zukünftigen Arbeits- und Fachkräftebedarfes stehen den Unternehmen im Landkreis die Vermittler im Arbeitgeber-Service zur Verfügung. Berit Kasten: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass gute Deutschkenntnisse, übertragbare Qualifikationen und Fähigkeiten und die Anerkennung beruflicher Abschlüsse die Beschäftigungschancen erhöhen." Eine Statistik der Bundesagentur gibt einen Überblick zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Ausländern. Deren Anteil stieg im Landkreis von 0,8 Prozent im Dezember 2010 auf 5,6 Prozent im Dezember 2022. In konkreten Personen ist das laut dieser Erhebung ein Anstieg von 612 auf 4.990.

Dritte Station: Firma Wendt

Die mit Abstand häufigste Ausländergruppe mit 1.419 Arbeitnehmern sind Polen. Sie sind oft männlich, zwischen 25 und 45 Jahre alt und arbeiten im Verkehr und der Lagerwirtschaft (1.206 Personen). Beispiele gibt es in Lampertswalde bei Kronospan oder Lidl bzw. in Thiendorf bei Netto. Etwa gleich ist der Anteil von Rumänen, Tschechen, Ukrainern und Syrern mit je etwa 300 für den gesamten Landkreis. Ein Drittel der Beschäftigten sind immerhin Frauen. Ein Beispiel sind hier die Elblandkliniken. Erstaunlich: Nur 1.370 Arbeitskräfte werden für Dezember 2022 als Helfer angegeben, aber 3.619 als Fachkräfte/Spezialisten/Experten. Einen hohen Anteil hat auch das verarbeitende Gewerbe (896 Personen), das Baugewerbe (632) sowie das Gesundheits- und Sozialwesen (462). 155 Ausländer waren Auszubildende.

Extra aufgelistet werden geringfügig entlohnte Beschäftigte. Ihr Anteil war und ist deutlich geringer. Im Dezember 2010 waren es 129 Ausländer (1,1 Prozent), im Dezember 2022 495 Ausländer (4,3 Prozent). Auch bei der Arbeitsagentur weiß man, dass es natürlich zuerst am persönlichen Willen der ausländischen Arbeitskräfte liegt, ob sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen oder von staatlicher Hilfe leben werden.

Dritte Station: die Heizungs-, Sanitär- und Fliesenfirma Wendt in Gröditz: Hier arbeiten seit sieben Jahren acht ehemalige unbegleitete männliche Ausländer (Umas) aus Afghanistan bzw. Syrien. "Einer war der Erste und hat dann die anderen mitgebracht", sagt Firmenchef Henry Wendt. Er ist mit seinen Leuten sehr zufrieden, zwei haben sogar den Lehrabschluss geschafft, die anderen sind als Helfer tätig. "Sie sind gut integriert und sprechen gut Deutsch", so Wendt. Bei den Kollegen sind sie anerkannt. Nur eine weiterer hätte mal die Probezeit nicht bestanden.