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„Ich habe den Anspruch, wieder aufzusteigen“

Dynamos Trainer Markus Kauczinski spricht über den Abstieg, Fehler in der Vergangenheit, sein Wunschpersonal und das Ziel für die neue Saison.

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Der Mundschutz trügt, das Wort verbieten lässt sich Markus Kauczinski nicht. Im SZ-Interview spricht er über die Lehren der Saison und wie er die Zukunft plant.
Der Mundschutz trügt, das Wort verbieten lässt sich Markus Kauczinski nicht. Im SZ-Interview spricht er über die Lehren der Saison und wie er die Zukunft plant. © dpa/Robert Michael

Herr Kauczinski, Dynamo steigt am Ende der Saison als Tabellenletzter in die 3. Liga ab. Bei Ihrem Amtsantritt in Dresden Mitte Dezember hatten Sie gesagt, dass Sie zufrieden sind, wenn Sie in den Spiegel schauen und sagen können: Ich habe alles gegeben. Sind Sie jetzt also zufrieden?

Nein, das spüre ich nicht. Wir können für uns sagen, dass wir alles gegeben und gekämpft haben. Aber zufrieden? Das fühlt sich anders an.

Wann haben Sie nach dem Neustart gespürt, dass es nicht klappen könnte mit dem Klassenerhalt?

Im Prinzip schon in der Halbzeit des ersten Spiels gegen den VfB Stuttgart. Da war mir klar: Das kann nicht funktionieren, weil wir nicht richtig konkurrenzfähig sind.

Wie haben Sie das gemerkt?

Es tut weh und macht sauer, wenn man sieht, dass die Spieler wollen, aber nicht können. Ihre Augen waren zum Teil leer. Jannis Nikolaou hat mal in einer Pause zu mir gesagt: „Trainer, ich will ja, aber ich komme nicht von der Stelle.“ Wie will man da Selbstvertrauen entwickeln? Wenn man fitter und schneller ist, sich erholen kann, spielt man auch besser. Ob man das Tor dann trifft oder nicht, weiß ich natürlich nicht. Es geht am Ende um die zwei, drei, vier Punkte, die wir unter normalen Umständen womöglich mehr geholt hätten. Das ist natürlich nicht beweisbar, aber wir alle haben das Gefühl, dass wir es ohne Quarantäne geschafft hätten.

Glauben Sie, dass der Abstieg jetzt noch juristisch abwendbar ist?

Das ist Sache des Vereins. Ich glaube, dass man zeigen sollte: Da ist ein Verein benachteiligt worden. Aber Recht haben und Recht bekommen sind zwei unterschiedliche Dinge. Deshalb weiß ich nicht, wie die Erfolgsaussichten stehen.

Hätte sich Dynamo mehr wehren müssen, als die Nachholspiele terminiert waren?

Das haben wir ja. Es wurde immer an die Solidarität appelliert, dass jeder seinen Beitrag leisten müsse, um den deutschen Fußball zu retten. Einige Vereine waren durch die Corona-Pause in finanzielle Schieflage geraten. Es gab eine Abstimmung darüber, ob wir die Spiele in den Juli verschieben können. Das wurde abgelehnt, und das ist Demokratie. Wir standen alleine da, und es hat keinen gejuckt.

Die ausführliche Analyse der erfolglosen Saison steht mit dem neuen Geschäftsführer Ralf Becker noch an. Was nehmen Sie persönlich mit für die neuen Aufgaben?

Ich werde mit Ralf Becker sicher über die Verhaltensweisen von Spielern reden, wie sie sich bei dem Stress der vergangenen Wochen verhalten haben, auf wen wir künftig möglicherweise bauen können. Bei der Auswahl der Spieler können wir nicht nur auf das Fußballerische achten, sondern auch auf Ausstrahlung, Führungsqualität, Mentalität. Die hatten wir vielleicht nicht in dem Ausmaß wie gewünscht. Ich habe beim Karlsruher SC mal die Erfahrung gemacht, dass es da einen Kreis von vier, fünf Spielern gab, bei denen der Trainer oder der Kapitän nichts regeln musste. Die waren so stark, standen für gewisse Werte – unabhängig davon, ob sie gespielt haben oder nicht. Natürlich braucht man eine fußballerische Philosophie, aber es geht auch um Grundsätzliches. Wenn ich auf unsere Wintertransfers schaue, denke ich, dass uns das ganz gut gelungen ist. Das macht mich auch für die Aufgabe jetzt optimistisch.

Welche Spieler würden Sie gerne in die 3. Liga mitnehmen?

Das ist nach einem Abstieg ja kein Wunschkonzert. Wir haben mit dem einen oder anderen vereinbart: Lass das erst mal sacken. Wenn ein Patrick Schmidt sechs Tore in der Rückrunde schießt, dann werden da natürlich Klubs auf ihn aufmerksam. Simon Makienok würde uns in der 3. Liga gut zu Gesicht stehen, aber er muss erst mal seine private Situation in Dänemark klären. Er hat nicht ja gesagt, aber auch nicht nein. Godsway Donyoh wäre gerne in Dresden geblieben, ist aber ein Nicht-EU-Ausländer. Das geht nicht in Liga drei.

Gab es bereits Anfragen für Spieler, die noch Vertrag haben – also Kevin Broll, Kevin Ehlers oder Jannis Nikolaou?

Ich habe noch nichts gehört, dass da was heiß ist oder spruchreif. Aber das kann natürlich passieren.

Mal angenommen, Dynamo hätte nicht zwei Wochen in Quarantäne gemusst, keinerlei Nachteile gegenüber den Konkurrenten gehabt und wäre trotzdem abgestiegen. Wären Sie dann auch geblieben?

Das hat damit nichts zu tun, ich habe einen Vertrag auch für die 3. Liga unterschrieben. Wenn man einen Tabellenletzten übernimmt, dann weiß man, was einen erwartet. Entscheidend war für mich das Gefühl, hier etwas bewegen zu können. Und das habe ich immer noch.

Man kann Verträge auch kündigen.

Ich bin noch nie durch die Hintertür rausgegangen. Nachdem ich mit Karlsruhe in der Relegation am Aufstieg in die Bundesliga gescheitert war, hätte ich mir – übertrieben formuliert – die Vereine aussuchen können. Ich habe es nicht getan.

Steigt eine Mannschaft ab, berät sich der Vorstand meist erst mal, ob der Trainer bleiben darf. In Ihrem Fall kam die Zusage des Geschäftsführers, als der Abstieg noch gar nicht besiegelt war. Hat Sie das überrascht?

Es war schön zu hören. In den Gesprächen mit Ralf Minge, Chefscout Kristian Walter, Geschäftsführer Michael Born und Aufsichtsrat Hans-Jürgen Dörner kam immer das Signal: Wir sind zufrieden, mache weiter so. Wenn man das Gefühl hat, die Leute stehen zu einem, dann kann daraus was werden. Das gilt auch für die Fans.

Es heißt, Trainer sind nach einem Abstieg verbraucht oder vorbelastet.

Das ist bei mir überhaupt nicht so. Ich fühle mich nicht ausgelutscht, nicht müde, nicht urlaubsreif. Es sind da eher Unruhe, Aufbruch, Tatendrang und die Lust, dass was Neues passiert.

Ist für Sie der direkte Wiederaufstieg das Ziel?

Das würde ich gerne erst mit dem neuen Sportdirektor absprechen. Und es wäre auch schön, wenn man einen Kader beisammen hat, bevor man ein Ziel formuliert. Prinzipiell finde ich, dass ein Verein wie Dynamo einen Anspruch haben muss. Ich habe den Anspruch, wieder aufzusteigen. Die prinzipielle Idee zu sagen, wir als Dynamo sehen uns nicht in der 3. Liga – das finde ich richtig, da bin ich dabei.

Wohin geht es in den Urlaub?

Ich versuche irgendwo eine Woche rauszuboxen. Gerne würde ich meinen Bruder und meine Schwiegermutti in Gelsenkirchen besuchen. Der Rest ist offen.

Das Gespräch führten Daniel Klein und Tino Meyer.