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Ein Haus für die Presse

Vor 55 Jahren zog die Sächsische Zeitung in das neu errichtete Gebäude im Dresdner Zentrum. Inzwischen hat das markante Gebäude eine völlig neue Hülle.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Das Haus der Presse ist der Sitz der Sächsischen Zeitung. Das Gebäude an der Dresdner Ostra-Allee ist 1966 nach den Plänen des bekannten Architekten Wolfgang Hänsch eröffnet worden. Seine Letter-Glasfassade erhielt das Haus 2003.
Das Haus der Presse ist der Sitz der Sächsischen Zeitung. Das Gebäude an der Dresdner Ostra-Allee ist 1966 nach den Plänen des bekannten Architekten Wolfgang Hänsch eröffnet worden. Seine Letter-Glasfassade erhielt das Haus 2003. © Marco Klinger

Was geht in einem Architekten vor, der mit ansehen muss, wie andere sein Werk verändern? Als sich die Sächsische Zeitung 2003 dazu entschließt, das von der Flut beschädigte Haus der Presse mit 4.000 bedruckten Glasscheiben zu verkleiden, zeigt sich Wolfgang Hänsch gekränkt. "Ich empfinde dies wie kleine Infarkte", sagt er in einem Interview. "Sie schmerzen, aber töten nicht."

Mit dem zwölfgeschossigen Haus der Presse verwirklichen Wolfgang Hänsch und Herbert Löschau ihre Idee, ans schlichte Bauhaus anzuknüpfen, und sich von der monumentalen stalinistischen Architektur mit all ihren Verzierungen, Säulen und Turmaufbauten loszusagen. Es ist das erste Hochhaus der DDR, das aus Fertigelementen errichtet wird.

In der Perspektiv-Plangruppe der Stadt Dresden werden am 24. Juni 1958 die ersten Gedanken über den Bau eines Zeitungsbetriebes im Stadtzentrum erörtert. Redaktion und Druckerei arbeiten zu dieser Zeit noch im demontierten, ehemaligen Rüstungsbetrieb "Goehle Werk" in der Riesaer Straße. Die Stadtredaktion ist im Hochhaus am heutigen Albertplatz untergebracht, damals der Platz der Einheit. Im Gespräch ist auch der Dippoldiswalder Platz, der heute mit der Centrum-Galerie und dem Margonhaus bebaut ist. Doch schon damals wird die verfügbare Fläche als zu klein eingeschätzt.

1966 ziehen Redaktion und Verlag ein

Am 7. November 1960 rollen die Bagger an der Ostra-Allee an und beginnen mit den Arbeiten an dem neuen Zeitungskombinat. Im ersten Abschnitt entsteht die Druckhalle. Das Richtfest wird am 16. März 1962 gefeiert. Im Mai des darauffolgenden Jahres läuft bereits die erste Ausgabe der Sächsischen Zeitung über die neue Rotationspresse. Die Redaktion muss mit ihrem Umzug noch warten: Erst im September 1963 wird der Grundstein für das 6,5 Millionen DDR-Mark teure Hochhaus gelegt.

Die Ostra-Allee ist inzwischen nach dem spanischen Kommunisten Julián Grimau benannt worden. Über den Fortschritt auf der Baustelle berichtet die SZ am 30. Juli 1964: "Trotz Eis und Schnee betonierten die Bauarbeiter des volkseigenen Spezialbaukombinates Magdeburg, Betriebsteil Bau-Union Süd, während der Wintermonate die Fundamente für das zwölfgeschossige Redaktionsgebäude. Später verzögerte sich die Montage der Elemente. 28 Tage Planverzug waren alles andere als ein Ruhekissen. Doch in diesen Tagen, unmittelbar vor dem Richtfest, ist der Verzug eingeholt." Die Flächen zwischen den Fensterreihen erhalten in den Monaten darauf Aluminiumpaneele, die Giebelflächen werden mit Waschbetonplatten verkleidet. Bis heute zählt das Hochhaus 638 Fenster und 228 Treppenstufen.

Das Haus der Presse erhielt anfangs eine Aluminium-Beton-Fassade
Das Haus der Presse erhielt anfangs eine Aluminium-Beton-Fassade © Archiv/Werner Mohn

Verlag und Redaktion ziehen im April 1966 von der Riesaer Straße in das neu gebaute "Haus der Presse". Wenige Tage später, am 30. April, wird es offiziell eingeweiht. Auch wer in welches Stockwerk zieht, wird den Lesern genau erklärt: "Besucher der SZ-Stadtredaktion finden diese im ersten Stock. Die Chefredaktion sowie die einzelnen Abteilungen sind im zweiten bis sechsten Geschoß untergebracht. Gleichfalls im sechsten Stock wird auch die ,ND‘ Bezirksredaktion arbeiten. Der Verlag ,Sächsische Zeitung‘, die DEWAG-Werbung, eine zentrale Buchungsstation und Intertex ziehen in die Räume des siebenten bis zwölften Stockes ein. Unter der Laterne können die Mitarbeiter des Hauses auf dem Dachgarten bei einer Tasse Tee ihre Blicke über das neu entstehende Dresden schweifen lassen. Fahrstühle, eine moderne Rohrpostanlage sowie weitere technische Einrichtungen werden die Zeitungsarbeit in diesem neuen Kombinat so rationell als möglich gestalten helfen." Die Laterne, das beleuchtete SZ-Signet, dreht sich bis zur Wende auf dem Dach in 46 Metern Höhe. Für ihre Arbeit erhalten Hänsch und Löschau, die zu diesem Zeitpunkt beim VEB Dresden Projekt arbeiten, 1967 den Architekturpreis der DDR für das beste Bauwerk Dresdens. Damit verbunden sind 5.000 Mark Preisgeld.

Die Neugestaltung kostet rund 4,6 Millionen Euro

Nach der Wende heißt die Heimatadresse der Sächsischen Zeitung wieder Ostra-Allee, und das Gesicht des ehemaligen Zeitungskombinats verändert sich: Im April 1994 verabschieden die Stadtverordneten den Bebauungsplan am Heller für ein neues Druckzentrum, in dem künftig auch die Sächsische Zeitung hergestellt wird. Ab 1998 wird dort volldigital und vierfarbig produziert. Die alte Druckhalle in der Ostra-Allee wird 2004 abgerissen.

Bereits im Vorjahr erhält das Haus der Presse in nur neun Monaten eine völlig neue Gebäudehülle: Nachdem die Weißeritz und dann die Elbe das Gebäude 2002 funktionsunfähig machten, wird nicht nur das Erdgeschoss repariert, sondern auch die Aluminiumfassade durch Glas ausgetauscht. Die Scheiben zeigen überlappte, gespiegelte und verzerrte Schriftzeichen auf kupfergrünem Grund. Als Inspirationsquelle dienten Texte aus "Vogelflüge - Essays zu Natur und Kultur" von Vilém Flusser. Das zentrale Thema des tschechoslowakischen Medienphilosophen und Kommunikationswissenschaftlers war der Untergang der Schriftkultur. Hergestellt wird der Vorhang im Siebdruckverfahren. Der Entwurf stammt aus der Feder des Darmstädter Architekten Martin Seelinger. Die Neugestaltung kostet rund 4,6 Millionen Euro. Die Neon-Buchstaben, die zuvor an der Fassade angebracht waren, sind noch heute in Glasvitrinen am Fuße des Hochhauses zu sehen.

Wolfgang Hänsch bezeichnet die Glaselemente später als "beliebig", legt Widerspruch gegen die Umgestaltung ein. "Den schmerzhaften Erfahrungen stand die jederzeit hohe Achtung seiner Architektenkollegen entgegen", heißt es in einem Nachruf der Sächsischen Akademie der Künste für Wolfgang Hänsch, der im September 2013 starb.

Anmerkung: Dieser Artikel ist bereits 2016 in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir haben uns dazu entschieden, ihn nun auch online für Sie zur Verfügung zu stellen.