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Einziehen und wohlfühlen: Kamenz bekommt gläsernes Minihotel

In Kamenz entsteht ein Minihotel im Containerformat. Das winzige Haus ist Teil eines komplexen neuen Gästequartiers, das das Zeug zur Touristenattraktion hat.

Von Torsten Hilscher
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Das Kamenzer Tiny House. Es steht im Garten der Alten Baderei. Die ersten Gäste können im März hier übernachten.
Das Kamenzer Tiny House. Es steht im Garten der Alten Baderei. Die ersten Gäste können im März hier übernachten. © Foto: Matthias Schumann

Kamenz. Noch wird gesägt, geschraubt, gelötet und gehämmert im rückwärtigen Teil des verwunschenen Gartens der Alten Baderei in Kamenz. Doch bereits im März 2024 sollen die ersten Gäste einziehen dürfen. Es ist die nächste Station eines Riesenprojekts: die Revitalisierung eines jahrhundertealten öffentlichen Treffpunkts. Hier, zwischen Pulsnitzer Straße und Schillerpromenade, haben sich der Produktdesigner Jan Eickhoff und die Fotografin Anne Hasselbach einen Traum erfüllt, der im Grunde eine Lebensaufgabe ist, wie beide sagen.

Das gläserne Tiny House (Minihaus) ist auf dem Areal der einzige Neubau, aber mit allem Schick, den Pensions- und Urlaubsgäste heute so erwarten. "Das Häuschen hat 18 Quadratmeter Grundfläche brutto. Bewohnbar sind 14,5", sagt Eickhoff. Anfang März sollen die Buchungsmodalitäten feststehen und auf der Webseite zu finden sein.

Begonnen hat die Geschichte des Häuschens mit der Corona-Zeit. In den verschiedenen Phasen aus Lockdowns und Öffnungen besannen sich Urlauber mangels Fernreisemöglichkeiten wieder auf die Schönheiten der Heimat. Auch Kamenz rückte in den Fokus.

Sächsischer Wettbewerb als Inspiration fürs Mini-Hotel

Die sächsische Staatsregierung unterstützte zudem landesweit Aktivitäten mit ihrem Wettbewerb "Sachsen geht weiter". Der prämierte Anträge, die originelle touristische Ideen zum Inhalt haben. Das konnte ein "Wanderweg zum Hören" sein, ein neuartiges Erholungsangebot oder auch neu gedachte Beherbergungsmöglichkeiten. Wichtig war der zu erwartende Regionaleffekt.

Das umtriebige Kamenzer Paar hörte davon und setzte sich ans Zeichenbrett. Es wurde gedacht, gerechnet, skizziert, kreiert, verworfen, geflucht, gemacht. Heraus kam der Grundriss eines gläsernen Hauses in der Größe eines Transport-Containers.

Die Bauherren Anne Hasselbach: und Jan Eickhoff.
Die Bauherren Anne Hasselbach: und Jan Eickhoff. © Foto: Matthias Schumann

Den nächsten Schritt bildete die Suche nach dem richtigen Platz im Garten. Kein leichtes Spiel, den die Bestandssubstanz und das Bauhausdesign des Häuschens bilden einen architektonischen Kontrast, der eine Wirkung entfalten kann - oder eine gegenseitige Abstoßung provoziert. Darüber hinaus waren die Proportionen des wildromantischen Gartens zu beachten, in dem sich ein klassischer Pavillon und eben die alte Baderei befinden. Eine stattliche Eibe musste ebenso beachtet werden.

Letztlich platzierten die Bauherren den Riegel im hinteren Gartenteil. "Der Effekt: Man hat einen Lärmschutz zur Schillerpromenade hin und schaut zugleich in den schönen Garten", so Hasselbach.

Die Realisierung übernahm die Kamenzer Firma Lorenz Systeme GmbH. Das Unternehmen mit Sitz an der Bautzner Straße hat sich auf ökologische Bau-Systeme spezialisiert, für die es auch Kurse anbietet. Hasselbach und Eickhoff belegten einen solchen Kurs und waren begeistert von den Möglichkeiten nachhaltigen Bauens.

Mini-Haus bietet Platz für zwei Personen

Das schlug sich auch im Tiny House nieder, für das zunächst ein völlig anderes Material vorgesehen war. Doch der Kurs führte zum Umdenken: "Es wurde ganz sparsam Material verwendet", schildert Eickhoff das Vorgehen. Darüber hinaus seien eine alte Tür und gebrauchte Holzlatten zum Einsatz gekommen. Eine ausgemusterte Nähmaschine wurde zum Waschtisch umgebaut. Ansonsten sorgen eine Wärmepumpe und intelligente Steuerung für ökologisch korrektes, aber höchst behagliches Wohnen, versprechen die Gastgeber.

Das Wohngefühl: individuell und doch licht. "Es ist für zwei Personen Platz. Alle sind willkommen. Das kann auch eine Mutti mit Kind sein oder ein Vati mit dem Nachwuchs", so Eickhoff weiter. Willkommen seien auch Radtouristen, für die demnächst am Grundstück eine E-Ladestation entsteht.

"Das Tiny House ist ein Vorgriff auf das, was alles noch kommt", sagt Hasselbach mit Blick auf die gesamte Baderei. So entstand parallel zur gläsernen Pension (die, keine Bange, auch mit Vorhängen ausgestattet ist) ein riesiger Freiluftbadezuber aus Holz. Gemeinsam mit einem knappen Dutzend Freunden testete das Paar den Riesenbottich vor wenigen Tagen.

Baderei: Ursprünge reichen bis ins 14. Jahrhundert

Bereits nutzbar ist die benachbarte Scheune. Sie kann für Feiern gebucht werden. Vor allem Hochzeitsgäste sind eingeladen, denn die Baderei ist von der Stadtverwaltung offiziell als standesamtlicher Ort zertifiziert. Das trifft sich: Hasselbach, die auch als Fotografin für Sächsische.de und Sächsische Zeitung arbeitet, bietet auch künstlerische Hochzeitsfotografie an. Kulisse sind auf Wunsch unter anderem die alten Mauern der Baderei.

Schon jetzt gibt es hier Lesungen, Konzerte und Vorträge. Ebenfalls im Gange sind Führungen durchs Gelände. Neugierige erfahren dabei eine Menge über Kamenzer Industriekultur und eben die Badetradition vor Ort. Reichen doch die Ursprünge des Komplexes bis ins 14. Jahrhundert zurück. Also "Geschichte geballt", wie Hasselbach formuliert. Schon richtig gemütlich ist es zudem im Gartenpavillon. Dort können sich Besucher in einer eingebauten Küche Speis und Trank anrichten. Es ist auch die Küche für die künftigen Nutzer des Tiny Houses.