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Flinke Feder: Schnellzeichner aus Kamenz verzaubert Besucher im Dresdner Stallhof

Maler und Karikaturist Gottlieb Grinda aus Kamenz ist eine Institution auf Mittelaltermärkten - und derzeit auf dem Weihnachtsmarkt im Dresdner Stallhof zu erleben.

Von Torsten Hilscher
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Zweimal Gottlieb Grinda: Der Maler und Schnellzeichner aus Kamenz hat sein Büdchen auf dem Mittelalter-Weihnachtsmarkt im Dresdner Stallhof aufgestellt.
Zweimal Gottlieb Grinda: Der Maler und Schnellzeichner aus Kamenz hat sein Büdchen auf dem Mittelalter-Weihnachtsmarkt im Dresdner Stallhof aufgestellt. © Matthias Rietschel

Dresden/Kamenz. "Ich hol' uns erstmal was zum Aufwärmen!" Gottlieb Grinda erhebt sich und stapft zum Glühweinstand, um dem neugierigen Gast einen Willkommenstrunk zu besorgen. Zeit, sich in seinem Weihnachtsmarkt-Büdchen umzusehen: Ölbilder des Dresdner Zwingers hängen da, ein Aquarell von Schloss Moritzburg, kirchliche Motive - und er selbst als Karikatur. Davor eine Preisliste, für all jene, die so ein Bild von sich haben möchten.

Jeden Morgen macht sich Grinda derzeit von seinem Haus in Kamenz-Schwosdorf auf zum Mittelalter-Weihnachtsmarkt in den Stallhof am Dresdner Residenzschloss. Abends geht's wieder zurück. Ein Marathon. "Dienst" ist täglich von 11 bis 21.30 Uhr.

"Aber ich mache das wahnsinnig gern", sagt Grinda, ein gemütlicher kräftiger Typ mit weihnachtsmann-tauglichem Bart. Ist mal nicht so viel los, zückt er sein Handy und überträgt per WhatsApp zugesandte Fotos. Gerade hat er das Bild eines etwa Achtjährigen in Arbeit. Ein Familienfoto, aus dem nun eine witzige Zeichnung wird. Die Spezialität des Kamenzers. Damit hat er sich einen Ruf auf Mittelaltermärkten und eben dem historischen Weihnachtsmarkt in Dresden erworben.

"Es sind die Begegnungen, die mir viel geben. Wir kommen hier ins Gespräch. Die Menschen öffnen sich", sagt er, und seine leuchtenden Augen lassen ahnen, dass da viel Wahrhaftigkeit drinsteckt.

Holzbude mit Sitzheizung und Sicherheitsdach

Grinda ist nicht zum ersten Mal im Stallhof. Aber er ist es jetzt wieder, nachdem Corona nicht nur diesem Markt den Garaus machte, vor zwei Jahren sogar urplötzlich einen Abend vor der Eröffnung. "Es war schon alles aufgebaut und eingerichtet", berichtet der Künstler. "Dann die Nachricht zu bekommen, das war schon ein Schlag." Auch ein Schlag ins Kontor.

Denn das Holzbüdchen ist sein Eigen. Es ist mehr als nur eine Holzbude. Ausgeklügelt angebrachte Lampen beleuchten die Bilder, eine Sitzheizung für die Gäste lässt sie die Sitzungen angenehmer aushalten. Dazu kommt eine teure Dachplane aus schwer entflammbarem Material.

Hatte doch am 17. Dezember 2007 ein Feuer auf dem Markt gewütet. Den Flammen fiel nicht nur ein Viertel der Stände zum Opfer, sondern auch die erst frisch restaurierten alten Arkaden. Seither geht es etwas enger auf dem Adventsmarkt zu, weil die Stände vor und nicht mehr unter den Arkaden stehen dürfen. Ursache war damals der technisch verschlissene Heizlüfter einer der Buden.

Vom Architekturstudenten zum Barbetreiber

Überstanden hat der Zeichner die karge Corona-Zeit auch mit ausgefallenen Aktivitäten. So setzte er sich in Kamenz ins Schaufenster vom Café "Aloha" und bot dort seine flinke Feder feil. Mit der Schließung des "Aloha" ist das nun zumindest dort nicht mehr möglich. Umso besser läuft es derzeit im Stallhof.

Ein Pärchen bleibt stehen. Grinda winkt die beiden heran. Zuerst ist die Dame dran, dann der Herr. Das gemeinsame Kohleporträt entsteht binnen 20 Minuten. Es kostet 28 Euro. Ein Schnellporträt ist für 24 Euro zu haben, ebenso die Karikatur. Ein Porträt nach Foto schlägt mit 40 Euro zu Buche.

Gottlieb Grinda hat auf dem Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt im Dresdner Stallhof Manfred Raedlein und dessen Partnerin Liane Schmidt, die aus Frankfurt/M. in Dresden zu Besuch sind, porträtiert.
Gottlieb Grinda hat auf dem Mittelalterlichen Weihnachtsmarkt im Dresdner Stallhof Manfred Raedlein und dessen Partnerin Liane Schmidt, die aus Frankfurt/M. in Dresden zu Besuch sind, porträtiert. © Matthias Rietschel

Der Gast von der Presse hat inzwischen seinen (alkoholfreien) Punsch geleert und wundert sich: Der Dialekt des Künstlers... "Sächsisch ist das nicht." Grinda schmunzelt. "Ich komme ursprünglich aus Göttingen. In die Lausitz hat es mich gleich nach der Wende verschlagen. Ich war neugierig auf den Osten."

Er kam, sah sich um - und blieb. Zunächst für fünfeinhalb Jahre in Cottbus, in denen er ein Architekturstudium begann und wieder abbrach, um sogleich in der alten Gärtnerei der Uni eine gefragte Cocktailbar zu eröffnen. Später verlegte er sich mehr und mehr aufs Malen; eine Kunst, die er sich im Selbststudium aneignete.

Im Geiste von DDR-Zeichner "Taddeus Punkt"

Es folgten erste Ausstellungen. Dann der Wechsel auf die Festung Königstein. Zufall oder nicht: Dort bezog er die ehemalige Wohnung des Schnellzeichners Heinz Fülfe (1920 - 1994), den alle in der DDR Großgewordenen aus dem Kinderfernsehen als "Taddeus Punkt" mit Hündchen Struppi kennen. Gottlieb Grinda muss dort so etwas wie den Geist des begnadeten Fülfe eingeatmet haben. Jedenfalls entwickelte er seine Fähigkeiten als Schnellzeichner, verkaufte an einem Stand aber auch bereits eigene Landschaftsansichten und Motive der Festung.

Dann die nächste Wendung. "Ich wurde für Mittelaltermärkte gebucht. Auf einem habe ich meine Frau kennengelernt." Das war 2000, im Jahr darauf heirateten beide. Grinda wurde Kamenzer. Dort wird es Weihnachten auch das große Familientreffen geben. "Dann werde ich erstmal schlafen, schlafen, schlafen."

Jedoch: Nach Weihnachten geht es weiter. Denn der Markt im Stallhof hat auch während der Raunächte vom 27. bis zum 30. Dezember 2023 geöffnet, im neuen Jahr nochmals vom 2. bis zum 6. Januar.

Wer es bis dahin nicht an den kleinen zauberhaften Zeichen-Stand geschafft hat, kann Grinda über seine Website anfordern. Er macht auch Hausbesuche.