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Kommentar zum Klima-Protest: Aufregung bitte!

Zwei Demonstranten haben eines der berühmtesten Bilder der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden für eine Klima-Aktion benutzt. Die Reaktionen darauf zeigen, dass viele den Ernst der Lage noch immer nicht begreifen. Ein Kommentar.

Von Leon Heyde
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In der Gemäldegalerie Alte Meister haben Aktivisten die Sixtinische Madonna für eine Aktion benutzt.
In der Gemäldegalerie Alte Meister haben Aktivisten die Sixtinische Madonna für eine Aktion benutzt. ©  [M] Sebastian Kahnert/dpa/Sächsische.de

Zwei Klimaaktivisten kleben sich an den Rahmen der Sixtinischen Madonna in Dresden und das Internet dreht durch. „Kleben lassen!“ oder „Kunstbanausen“, sind da noch einige der wenigen Kommentare, die immerhin zu einem zynischen Schmunzeln bewegen. Die Aktion der Protestgruppe „Letzte Generation“ spaltet die Gemüter. Aber vielleicht ist die Frage, warum Menschen diesen Protest wählen, der erste Schritt, um ins Gespräch zu kommen.

Der O-Ton bei vielen Kommentatoren ist, dass die Beschädigung wertvoller Kunstwerke eine Grenze überschreite. Klimaprotest sei schön und gut, aber es gibt doch andere Wege! Es muss die Frage erlaubt sein, welche das denn sind. Kohlekraftwerke besetzen? Wird seit vielen Jahren gemacht. Politikern Forderungen an den Kopf werfen? Auf etlichen Diskussionsformaten wurden Umweltaktivisten bereits vertröstet. In eine Partei eintreten? Die Grünen sind gerade drauf und dran die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern.

Diese Liste kann beliebig weitergeführt werden. Sie kommt aber immer wieder zu einem Punkt: Menschen, die auf die Auswirkungen des Klimawandels hinweisen, verstummen im lauten Getöse der Realpolitik. Dass diese Menschen meistens jung sind, oft nicht älter als Mitte 20, ist ein Hauptgrund dafür. Es gibt in unserem politischen System keinen Ort für junge Erwachsene, Ideen selbst Wandel umzusetzen. Beteiligungsformate verkommen oft zu reinen Beschäftigungstherapien und Wahlen werden von Generationen entschieden, die vor 40 Jahren das letzte Mal auf die Straße gingen. Deshalb geht es für Klimademonstranten darum, eine Mehrheit der Gesellschaft so zu sensibilisieren, dass der Druck auf Entscheidungsträger weiterwächst.

Aber die Reaktionen auf den Protest am Dienstag zeigen, dass viele den Ernst der Lage noch immer nicht begreifen. Die Beschädigung eines Gemälderahmens als unvertretbar darzustellen, ist naiv. Unvertretbar ist, dass in Europa Wälder aufgrund von historischer Trockenheit in Flammen aufgehen und dass das erst der Anfang ist. Die Augen davor zu verschließen, können sich nur Menschen erlauben, die so privilegiert sind, dass sie vom Klimawandel nicht betroffen sind. Und das werden in einigen Jahrzehnten selbst in Deutschland die wenigsten sein.

Deshalb braucht es Aktionen, die von einer Mehrheit der Menschen als drastisch wahrgenommen werden. Nur dann besteht die Chance, dass Menschen erkennen, wie ernst die Lage ist. Spätestens dann werden diese Kritiker auch feststellen, dass es Lösungen gibt. Und die nicht selten von denjenigen längst rausgeschrien werden, deren Protest sie vor kurzem noch verdammten. Also regen Sie sich gerne auf. Aber fragen Sie diese junge Menschen, warum sie sich dazu genötigt fühlen, sich an Kunstwerke zu kleben. Den Protest anderer zu kritisieren ist einfach. Vielleicht kann das eigene Umdenken dazu beitragen, dass die Madonnen dieser Welt künftig nicht nach Lösungsmittel riechen.

E-Mail an Leon Heyde

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