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Dynamo-Krawalle in Dresden: 32-Jähriger erneut freigesprochen

Gehörte ein 32-Jähriger zu den Dynamo-Randalierern vom Mai 2021 in Dresden? Eine "Super-Recognizerin" und Ermittler sind sich sicher, den Richtigen zu haben. Die Gerichte teilen ihre Sicherheit aber nicht.

Von Alexander Schneider
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Am 16. Mai 2021 haben Hunderte sogenannter Fans von Dynamo Dresden anlässlich des Aufstiegs ihrer Mannschaft randaliert. Die Polizei setzte auch "Wiedererkenner" ein, um Täter zu identifizieren. Ein 32-Jähriger stand nun zum zweiten Mal vor Gericht.
Am 16. Mai 2021 haben Hunderte sogenannter Fans von Dynamo Dresden anlässlich des Aufstiegs ihrer Mannschaft randaliert. Die Polizei setzte auch "Wiedererkenner" ein, um Täter zu identifizieren. Ein 32-Jähriger stand nun zum zweiten Mal vor Gericht. © Archivfoto: dpa/Robert Michael

Dresden. In den zahlreichen Gerichtsverfahren um die Krawalle bei einem Aufstiegsspiel von Dynamo Dresden am 16. Mai 2021, sagte nun erstmals eine sogenannte Super-Recognizerin aus. Mitten in der Corona-Pandemie hatten vor dem Dynamo-Stadion und im Großen Garten stundenlang Hunderte sogenannter Fans randaliert und mehr als 180 Polizisten zum Teil schwer verletzt.

Die 30-jährige Polizeihauptmeisterin aus Chemnitz ist seit mehr als zwei Jahren hauptamtliche Wiedererkennerin und gehört zu den ersten Beamten Sachsens in dieser Funktion. Sie verfügt über besondere Fähigkeiten, Gesichter wiederzuerkennen und zu identifizieren. Diese Gabe teile sie mit zwei Prozent der Menschen, sagte sie in dem Prozess am Landgericht Dresden gegenüber den sichtlich überraschten Richtern.

Wissenschaftlich nachvollziehbar sei das noch nicht, aber wenn sie ein Gesicht wiedererkennt, dann sei sie sich sicher, erklärte sie dem Gericht. Es gebe nur ja oder nein, keine Zwischentöne oder Wahrscheinlichkeiten. In dem Testverfahren anlässlich eines Pilotprojektes der Polizeidirektion Chemnitz hatte sie einen der ersten Plätze belegt – und seitdem macht sie dort nichts anderes mehr, als Fotos und Videos anzusehen, um ihre Kollegen bei der Suche nach Tätern zu unterstützen.

Auch die Dresdner "Sonderkommission Hauptallee" hat nach den folgenschweren Ausschreitungen auf die Dienste der 30-Jährigen zurückgegriffen, um Fußballchaoten zu identifizieren.

Verkäufer stellte sich in Dresden selbst

In dem Berufungsprozess wegen Landfriedensbruchs und sieben Flaschenwürfe auf Polizisten angeklagt ist ein 32-jähriger Verkäufer, der sich bei der Soko selbst gestellt hatte, als er sein Fahndungsfoto in der Zeitung sah.

Im ersten Prozess am Amtsgericht Dresden behauptete er, er habe sich verwechselt. Er sei das nicht auf dem Fahndungsfoto, sehe dem Täter nur zum Verwechseln ähnlich. Er habe sich gestellt, weil er glaubte, die Polizei habe Zeugen gesucht. Am Amtsgericht kam er damit durch, selbst der Staatsanwalt hatte auf Freispruch plädiert.

Dennoch legte die Behörde Rechtsmittel ein, weshalb es am Freitag vor dem Landgericht ein Wiedersehen gab – samt Vernehmung der Super-Recognizerin, die den Angeklagten wiedererkannte. Verteidiger Jens Lorek versuchte, die Aussage der Frau zu verhindern. Er behauptete, der auffällig olivgrün gekleidete Gesuchte auf den Polizei-Videos sei nur etwa 1,75 Meter groß und etwa 20 Jahre alt, sein Mandant aber 1,84 Meter und zehn Jahre älter. Woher er die Größe des Täters nahm (Lorek: "ein Ausschlusskriterium"), blieb offen.

Polizisten jedenfalls widersprachen dieser Behauptung. Zwei "anonyme Hinweisgeber" hätten den Angeklagten namentlich genannt, berichtete ein Ermittler nun im Zeugenstand. Von diesen beiden unbekannten Zeugen spielten in der ersten Instanz keine Rolle, den Rückzieher eines Selbststellers hatte niemand erwartet. Es sei noch nicht vorgekommen, dass sich Selbststeller plötzlich als Zeugen ausgaben. Dagegen behaupteten Täter oft, nichts getan zu haben, wie auch der Angeklagte.

"Sicher sehr wertvoll für die Polizeiarbeit"

Am Ende der Verhandlung jedoch bestätigte das Gericht den Freispruch. Der Vorsitzende Richter lobte die Fähigkeiten der Wiedererkennerin als "sicher sehr wertvoll für die Polizeiarbeit". Die Kammer wolle allein darauf jedoch nicht ein Urteil stützen. Insgesamt habe der Zweifel überwogen, dass der Angeklagte tatsächlich der abgebildete Täter ist. So sei die Bildqualität nicht so gut, dass ein Detailvergleich möglich gewesen wäre.

Die Staatsanwältin war dieses Mal jedoch überzeugt. Sie sagte, der Angeklagte habe sich zunächst selbst bei der Polizei gestellt, die körperlichen Merkmale passten und der gesuchte auf dem Foto habe wie der Angeklagte eine auffällige Tätowierung am rechten Unterarm. Dass die Person auf dem Foto kleiner und jünger sein soll, ergebe sich nicht aus den Akten. Neu seien zudem die beiden Hinweisgeber, die den Angeklagten namentlich genannt hatten, als der sich selbst gestellt hatte. Sieben Monate auf Bewährung forderte sie nun für den nicht vorbestraften Mann.

Man darf daher gespannt sein, ob die Staatsanwaltschaft in Revision geht.