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"Jugendliche Straftäter müssen wissen, dass sie in Dresden verfolgt werden"

Regelmäßig überfallen Jugendliche Gleichaltrige in Dresden. Sie sammeln sich an markanten Punkten und ziehen dann los. Was Polizei und Stadt dagegen unternehmen.

Von Kay Haufe & Alexander Schneider
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Jugendliche wenden bei Überfällen auf Gleichaltrige auch immer wieder Gewalt an.
Jugendliche wenden bei Überfällen auf Gleichaltrige auch immer wieder Gewalt an. © Kristin Richter (Symbolbild)

Dresden. Jugendliche überfallen andere Jugendliche, bedrohen sie und fordern von ihnen Handys, andere Wertsachen und Geld. Fast täglich sind solche Meldungen in den Dresdner Polizeiberichten zu finden. Erst am 14. Juli hat ein 16-Jähriger, der mit anderen Jugendlichen auf dem Volksfestgelände an der Pieschener Allee unterwegs war, zwei 14 Jahre alten Jungen Schläge angedroht und erpresste so die Herausgabe von fünf Euro. Der Tatverdächtige konnte gestellt werden. Gegen ihn wird nun wegen räuberischer Erpressung ermittelt.

Wie die Polizei Jugendliche ermittelt und was die Stadt unternimmt, um straffällig gewordene Jugendliche aus kriminellen Umfeldern herauszuholen, darüber hat Sächsische.de mit dem Dresdner Polizeipräsidenten Lutz Rodig und dem Dresdner Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) gesprochen.

Seit September 2022 häufen sich Raubdelikte von Jugendlichen auf Gleichaltrige in der Stadt. Hält die Steigerung an?

Rodig: Tatsächlich sind die Zahlen im vergangenen Vierteljahr nicht weiter angestiegen. Heute verzeichnen wir 13 bis 18 Delikte pro Monat, begangen von Jugendlichem im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Das ist immer noch eine hohe Zahl, aber der Trend nach oben ist gestoppt.

Im Vorjahr mussten wir 113 Fälle verzeichnen, vor allem zum Jahresende gab es einen steilen Anstieg. Zum Vergleich: 2021 gab es nur 38 dieser Taten. Sie haben zum Beginn meiner Amtszeit keine große Rolle gespielt.

Im Dezember 2022 haben Sie die Sonderkommission Iuventus ins Leben gerufen, um die Jugendkriminalität gezielt zu bekämpfen. Wie erfolgreich arbeitet die?

Die Aufklärungsrate von Iuventus ist mit 80 Prozent sehr hoch, bei den anderen Straßenraubdelikten liegt sie lediglich bei 60 Prozent. Die 17 Kollegen in der Soko, die aus den Bereichen Raub, Bandenkriminalität, Gewalt- und Jugendkriminalität darin zusammenarbeiten, konnten bisher 158 Tatverdächtige ermitteln, davon 26 Mehrfach-Intensivtäter, die mehr als fünf Straftaten begangen haben. Nur sechs der 158 Tatverdächtigen sind weiblich.

Dass die Soko so erfolgreich ermittelt, liegt vor allem an der Täterorientierung. Wir haben inzwischen eine große Personenkenntnis und verfügen über Lichtbildvorlagen. Erhalten wir eine Personenbeschreibung mit typischen Merkmalen, können wir den Opfern Fotos vorlegen und erzielen so auch immer wieder Treffer.

In welchen Bereichen der Stadt sind Überfälle von Jugendlichen besonders häufig?

Ein Schwerpunkt ist aktuell der Schillerplatz, an dem Gruppen von Jugendlichen zum Teil in Busse und Bahnen einsteigen und darin bereits ein Opfer aussuchen. Das wird dann nach dem Aussteigen verfolgt und beraubt. Weitere Plätze, an denen sich solche Taten häufen, sind die Elbwiesen, das Umfeld der Centrumgalerie und des Rundkinos sowie der Bereich Postplatz/Wallstraße.

Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig im Gespräch über die gehäuften Fälle, in denen Jugendliche von anderen Jugendlichen überfallen.
Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig im Gespräch über die gehäuften Fälle, in denen Jugendliche von anderen Jugendlichen überfallen. © Christian Juppe

Im Westen haben wir vor allem im und am Elbepark einen Schwerpunkt sowie am Merianplatz und auf dem Omsewitzer Ring in Gorbitz, auch auf dem Volksfestgelände Pieschener Allee. Der Alaunpark und der Alaunplatz sind Häufungsstellen im Dresdner Norden, auch das Umfeld des Simmelmarktes. Weniger oft kommen Raubdelikte von Jugendlichen im Süden vor. Sie gab es an der Leubener Kiesgrube.

Gibt es spezielle Zeiten, an denen die Taten verübt werden?

Freitag und Samstag sind prädestinierte Tage, zeitliche Schwerpunkte sind die Nachmittagsstunden ab 16 Uhr, es dauert bis etwa 22 Uhr an.

Wenn das bekannt ist, können die Ermittler doch ganz gezielt in den Zeiten zu den Schwerpunktbereich aktiv sein.

Man braucht Glück, um Täter auf frischer Tat zu stellen. Aber natürlich sind unsere Ermittler, gemeinsam mit den Kollegen der Bereitschaftspolizei, vordergründig an den Schwerpunkten im Einsatz, wo sie solche Personengruppen auch durch ihre Anwesenheit verdrängen und zum Teil Personalien von Jugendlichen aufnehmen. Für eine Kontrolle brauchen wir aber einen Anlass. Wenn es zum Beispiel Hinweise gibt, dass dort Straftaten verabredet werden oder es Überfälle in zeitlicher Nähe gegeben hat. Dann kommen auch die Kollegen von der Bereitschaftspolizei zum Einsatz wie bei unseren Einsätzen am Wiener Platz. Mit den Kontrollen erhöht sich für uns die Personenkenntnis, die bei der Aufklärung sehr hilfreich ist.

Sind die Jugendlichen immer in festen Gruppen unterwegs?

In Gruppen ja, aber die sind sehr inhomogen. Wir wissen, dass es meist einen festen Kern gibt, zu dem dann andere Personen dazukommen, die aber ständig wechseln. Das ist ein Unterschied zum Beispiel zu Halle, wo feste Gruppen agieren.

Wenn Sie Halle ansprechen, sind diese Überfälle von Jugendliche auf Gleichaltrige nicht nur ein Dresdner Problem?

Nein, das ist kein Dresdner Phänomen. Solche Delikte gibt es auch in anderen Großstädten. Ich weiß es aus bundesweiten Treffen der Leiter der Kriminalpolizei, dass ähnliche Probleme verstärkt seit dem zweiten Halbjahr 2022 auch in vielen anderen deutschen Großstädten registriert werden.