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Jugendkriminalität in Dresden: Raub-Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Aus "erzieherischen Gründen" verhandelt das Jugendgericht in einem der ersten Verfahren der Soko Iuventus in Dresden ohne Publikum. Die Angeklagten sollen ihre Opfer "abgezogen" haben.

Von Alexander Schneider
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Derzeit beginnen am Amtsgericht Dresden die ersten Prozesse gegen jugendliche Straftäter, deren Taten von der Sonderkommission Iuventus bearbeitet wurden.
Derzeit beginnen am Amtsgericht Dresden die ersten Prozesse gegen jugendliche Straftäter, deren Taten von der Sonderkommission Iuventus bearbeitet wurden. © Symbolfoto: SZ/Wolfgang Wittchen

Dresden. In Dresden kommt es im Schnitt monatlich zu 20 bis 30 Überfällen von Jugendbanden. Meist sind die Geschädigten ebenfalls Jugendliche. Weil die Zahlen solcher Taten in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind, hat die Dresdner Polizei Ende 2022 die Sonderkommission (Soko) Iuventus eingerichtet, in der sich die Beamten speziell mit dieser Form der Jugendkriminalität befassen.

Mehr als 150 Verdächtige wurden bereits ermittelt. Die hartnäckigeren Verdächtigen erhalten eine gezielte Ansprache der Polizei, den Unbelehrbaren versucht die Justiz, mit drastischeren Maßnahmen wie Freiheitsentzug beizukommen. Sie sitzen in einem Jugendgefängnis in Untersuchungshaft oder in einer U-Haft-Vermeidungseinrichtung, weit weg von ihrem gewohnten Umfeld. Inzwischen sind die ersten Strafprozesse vor Jugendgerichten des Amtsgerichts Dresden anhängig, die auf Ermittlungen der Soko zurückgehen.

Seit Anfang Juli stehen zunächst drei Angeklagte unter anderem wegen räuberischer Erpressung, Körperverletzung, Nötigung und Diebstahls vor dem Jugendschöffengericht. Die jungen Männer, 18, 17 und 16 Jahre alt, sollen in unterschiedlichen Beteiligungen und mit weiteren Tätern zwischen Ende Dezember und Anfang Januar viermal in der Innenstadt Jugendliche attackiert haben – darunter in der Reitbahn-, der Wallstraße und am Wiener Platz.

Sie forderten etwa Geld, Drogen und Feuerwerkskörper. Die Geschädigten sollten ihre Taschen öffnen, laut Anklage wurde ihnen gedroht, nicht zur Polizei zu gehen, und es wurde auch zugeschlagen. In der Hauptverhandlung hüllten sich die Angeklagten zunächst in Schweigen, was ihr gutes Recht ist und wie es ihnen ihre Verteidiger wohl auch empfohlen hatten.

Verdächtige waren schnell gefasst

Die Soko Iuventus hatte die Verdächtigen bald gefasst. Am 13. Januar, fünf Tage nach dem letzten Überfall, wurden zwei Beschuldigte verhaftet. Einer kam zwar bald wieder auf freien Fuß, aber nur vorübergehend. Die fast vierwöchige U-Haft scheint ihn nicht besonders beeindruckt zu haben.

Am Dienstag, dem zweiten Prozesstag, wurden die ersten Zeugen vernommen. Die Planung ist schwierig, denn wegen der Ferien sind viele Zeugen verreist. Daher musste das Gericht weitere Sitzungstage terminieren, was zu Terminproblemen unter den Verteidigern führte, sodass das Gericht das Verfahren gegen einen der Jugendlichen abtrennte.

Hauptverhandlungen gegen zur Tatzeit minderjährige Beschuldigte finden immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Anders ist es jedoch, wenn mindestens einer der Beschuldigten zur Tatzeit volljährig war, wie in diesem Fall. Daher ist der Prozess erstmal öffentlich, auch wenn Mitangeklagte jünger sind.

Doch am Dienstag hat das Gericht die Öffentlichkeit in diesem bemerkenswerten Verfahren ohne erkennbaren Grund ausgeschlossen. Anlass für die unerwartete Entscheidung waren mehrere Zuschauer, die dem Anschein nach zur Szene der Angeklagten gehörten, und sich nach Ansicht der Vorsitzenden nicht zu benehmen wussten. So hatte mindestens einer im Saal noch eine Basecap auf dem Kopf.

Die Staatsanwältin und ein Verteidiger betonten in ihren Stellungnahmen, dass die Öffentlichkeit ein hohes Gut in einem Rechtsstaat sei und der Ausschluss nur in absolut notwendigen Fällen gerechtfertigt sei. Nach kurzer Beratung des Schöffengerichts mussten fasst alle Zuschauer, mit Ausnahme der Mütter der Angeklagten und eines Justiz-Praktikanten, den Saal verlassen: "Aus erzieherischen Gründen", wie die Vorsitzende den Beschluss begründete. Auch das ist in Jugendstrafverfahren möglich.