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Wenn plötzlich Polizisten vor der Tür stehen: Auf Streife mit der Dresdner Soko Iuventus

Immer wieder gab es zuletzt in Dresden Überfälle von Jugendlichen auf Gleichaltrige. Am Freitagabend waren Polizeibeamte zu einer Streife unterwegs. Sächsische.de hat sie begleitet.

Von Julia Vollmer
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Die Beamten waren am Freitag in der Friedrichstadt unterwegs.
Die Beamten waren am Freitag in der Friedrichstadt unterwegs. © SZ / Julia Vollmer

Dresden. Es regnet in Strömen an diesem Freitagabend. Kurz vor 19 Uhr hält ein Streifenwagen der Polizei vor einem Mehrfamilienhaus in der Dresdner Friedrichstadt. Fünf Beamte in Uniform und Kriminalhauptkommissarin Nadine Schaffrath steigen aus und klingeln bei einer Familie.

Der Grund: Sie wollen eine sogenannte Gefährderansprache beim 13-jährigen Sohn der Familie durchführen. Sie statten Tätern oder potenziellen Tätern einen Besuch ab. Die Mutter ist mehr als erstaunt.

Der Junge hatte zuletzt mehrere Überfälle auf andere Jugendliche und Kinder verübt. Zum Schutz des Kindes werden hier keine Namen und Adresse genannt. Schaffrath leitet die Sonderkommission, die gegründet wurde, da sich in den vergangenen Monaten in Dresden die Fälle so gehäuft haben, dass die Polizei eine eigene Soko mit dem Namen Iuventus gegründet hat.

13-Jähriger muss für Fingerabdrücke mit auf das Polizeirevier

Bei der sogenannten Gefährderansprache mit dem 13-Jährigen und seiner Mutter erklärt Schaffrath, dass es ernste Konsequenzen für den Jungen geben wird, wenn die Überfälle weitergehen. Sie spricht vom Strafvollzug für Jugendliche im sächsischen Regis-Breitingen und belehrt ihn. "Du darfst diese Taten weder wiederholen noch Kontakt zu den Opfern aufnehmen, um sie nicht unter Druck zu setzen oder sie einzuschüchtern."

Nach dem Interventionsgespräch nimmt Kriminalhauptkommissarin Schaffrath den Jungen mit auf das Revier an der Schießgasse, um seine Fingerabdrücke zu nehmen und Fotos für die erkennungsdienstliche Behandlung zu machen. "Da er schon mehrere Überfälle begangen hat, sind diese Maßnahmen auch bei einem unter 14-Jährigen möglich", so Schaffrath. Der Junge ist kein Einzelfall.

An diesem Freitag geht Schaffrath mit einem Team aus der Soko und dutzende Beamten der Bereitschaftspolizei auf Streife und führt mehrere dieser schwierigen Gespräche. Beamten sprechen Jugendgruppen an und kontrollieren diese bei Bedarf. "Ziel heute ist es unter anderem herauszufinden: Mit wem sind die Täter unterwegs? Wer kennt wen?", erklärt die Soko-Leiterin. Zum Teil finden sie bei den Jugendlichen auch Drogen, meist Cannabis, sagt sie.

Über 200 Fälle in sieben Monaten

Seit der Gründung der Soko im Dezember 2022 gab es bis Mitte Juni schon 209 Fälle, für die die 17 Soko-Mitglieder die Ermittlungen übernommen haben. Über 140 Tatverdächtige konnten bisher ermittelt werden, ein einstelliger Anteil davon ist weiblich. Die Täter seien zwischen 13 und 18 Jahre alt.

Auch etwa 20 Mehrfach-Auffällige seien bei den 209 Taten dabei gewesen. Es gebe deutsche wie nicht-deutsche Täter. Motivation der Taten sind neben der Beute oft auch Machtdemonstration in der Gruppe, so die Beamten.

Im Vergleich zu den Jahren 2018 bis 2020 haben sich die Fallzahlen verdoppelt, zu 2021 sogar verdreifacht. Polizeipräsident Lutz Rodig sagte anlässlich der Veröffentlichung der Kriminalstatistik: "Dresden ist, gerade im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten, eine sehr sichere Stadt. Trotz dieser positiven Gesamteinschätzung gibt es immer wieder Phänomene, die herausragen und durch ihre besondere Charakteristik Menschen verunsichern können."

Aktuell seien es jugendliche Gruppierungen, die seit Oktober verstärkt durch Raubstraftaten und Gewalt in Dresden in Erscheinung treten. Die Taten konzentrierten sich nicht mehr nur auf Neu- und Altstadt, ein neuer Schwerpunkt seien der Schillerplatz und die Elbwiesen, beobachten die Beamten.

Nach Angriff auf 17-Jährigen rücken Polizisten bei Tatverdächtigen an

Schaffrath und ihr Team fahren an diesem verregneten Juni-Freitag auch zu einer Familie in die Neustadt. Der 16-jährige Sohn der Familie wird verdächtigt, einer Tat beteiligt gewesen zu sein, die sich erst einen Tag vorher ereignet hatte. Er soll laut den Beamten mit zwei weiteren Tatverdächtigen am Donnerstagnachmittag in der Johannstadt einen 17-Jährigen geschlagen und ihm 20 Euro gestohlen haben. Zudem wollte einer der 17-Jährigen das Fahrrad des Geschädigten stehlen, was dieser verhindern konnte.

Die Tatverdächtigen konnten durch Polizisten in der Nähe gestellt und vorläufig festgenommen werden. Zwei der Jugendlichen hatten ein Reizgas-Spray bei sich, einer zudem ein Einhandmesser. Die beiden 17-Jährigen sitzen nun in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen.

Schaffrath erklärt ruhig, aber sehr bestimmt, wie die Konsequenzen für den Jungen aussehen, wenn er nicht aufhört, andere "abzuziehen". Alles wird in der Akte gespeichert. "Das könnte auch Folgen für den Erwerb eines Führerscheins haben", sagt sie ihm. Anders als das 13-Jährige ist der 16-Jährige strafmündig.

Der Tatverdächtige und seine Mutter lauschen still den Ausführungen. Schaffrath geht danach begleitet von den Beamten der Bundespolizei die Treppe hinab. "Ich hoffe, die Ansprache bringt etwas und ich muss seinen Namen nicht nochmal irgendwo lesen in den Akten."