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So nahmen die Sachsen Abschied von ihrem letzten König

Friedrich August III. starb 1932. Über eine halbe Million Sachsen kamen zu seiner Beisetzung.

Von Peter Ufer
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Der Sarg wurde auf einem Feldgeschütz durch das Spalier der Trauernden gezogen. Hinter dem Sarg liefen die Söhne des Monarchen.
Der Sarg wurde auf einem Feldgeschütz durch das Spalier der Trauernden gezogen. Hinter dem Sarg liefen die Söhne des Monarchen. © Arkivi

Am 18. Februar 1932 starb Friedrich August um 22.10 Uhr in seiner Altersresidenz in Sibyllenort. Sein Leichnam wurde in der Uniform des Generalfeldmarschalls im großen Schlosssaal aufgebahrt. Es folgten am Vormittag des 21. Februar ein katholischer und ein evangelischer Gottesdienst. Danach fand eine Trauerfeier mit den engsten Angehörigen statt.

Am frühen Morgen des 22. Februar fuhr ein Zug mit dem Leichnam nach Breslau und von dort nach Dresden. Als der Zug um 10 Uhr eintraf, säumten an dem nasskalten Morgen Hunderttausende die Straßen. Der Trauerzug setzte sich vom Hauptbahnhof über die Bürgerwiese in Richtung Hofkirche in Bewegung. Zu dumpfen Trommelschlägen wurde der Sarg auf einem Feldgeschütz durch das Spalier der Trauernden gezogen. Dem Sarg des Königs wurden seine Orden und Ehrenzeichen vorangetragen. Hinter dem Sarg liefen die Söhne des Monarchen. Nach einer Stunde erreichte der Trauerzug die Hofkirche, wo Friedrich August aufgebahrt wurde. Dort nahmen Zehntausende Abschied vom letzten sächsischen Monarchen.

Medizinischer Notfalldienst am Italienischen Dörfchen

Vor der Kirche waren die Zustände chaotisch. In der zwischenzeitlich auf etwa 500.000 angewachsenen Menschenmenge kam es zu zahlreichen Rangeleien. Der medizinische Notfalldienst am Italienischen Dörfchen vermeldete für diesen Tag rund tausend Einsätze, darunter Quetschungen, Dutzende Ohnmachtsanfälle und zwei Tote.

Bei der Trauerfeier waren überall Uniformen und Insignien der alten Monarchie zu sehen. Auch wenn der Schein trog: Deutschland war eine Republik, aber politisch labil und wirtschaftlich schwer angeschlagen. Allein in Sachsen waren 1932 über 600.000 Menschen ohne Arbeit. Fritz Löffler beschreibt in seinem Buch "Das Alte Dresden" den Niedergang der Stadt in den 1920er-Jahren. "In Dresden verarmten während der Inflationszeit mehr Bürger als an anderen Orten. In dem Industrieland Sachsen mit seiner nur bescheidenen Landwirtschaft wurde mehr gehungert als in anderen Bundesländern. Die Luxus- und Veredlungsindustrien, vor allem der Zigaretten- und Schokoladenbranche, litten besonders unter dem eingetretenen Rohstoffmangel, die Zigaretten-Industrie verlagerte sich zudem mit den gegründeten Konzernen immer mehr von Dresden nach Hamburg." Die Weltwirtschaftskrise brach besonders schwer über das Elbflorenz herein und bescherte ihm die höchste Arbeitslosenquote im gesamten Reich.

Dresden war zu jener Zeit nicht die glänzende Stadt, nicht die aufstrebende Metropole, die sie nach 1870 war, sondern viele der Gebäude verfielen, der Zwinger und auch die Frauenkirche konnten aus Geldmangel nicht saniert werden. Neben den Mauern des Schlosses am Taschenberg gingen die Damen auf den Strich. Hier befand sich das Rotlichtviertel der Stadt. In den Gassen rund um den Neumarkt fiel Putz von den Fassaden, die Wände waren von Nässe beschädigt. Unweit des historischen Zentrums lagen die Vorstädte mit vielen kleinen Handwerksbetrieben und Fabriken mit ihren rauchenden Schloten. Viele sehnten sich nach den alten Zeiten zurück. Der tote König schien die Idealfigur für diese Projektion. Ein volkstümlicher, gutmütiger Monarch, ein treu sorgender Vater, so erinnerte man sich seiner mit Wehmut. Viele Sachsen fühlten sich zu dieser Zeit als Monarchisten und Republikaner zugleich, als königliche Demokraten, denen ein demokratischer König am liebsten gewesen wäre. Deshalb huldigten sie Friedrich August III. Seine Beisetzung in der Katholischen Hofkirche gestaltete sich zu einem postumen Triumphzug.

Schon zu Lebzeiten die ersten Denkmale

Schon zu Lebzeiten bekam der König 1913 in Bad Elster ein Denkmal aufgestellt. Da stand er stolz, aber nicht mit Krone und Zepter, sondern mit Filzhut, Jagdgewehr und Hund bei Fuß. Ein Jäger aus Dresden. Manch einer meinte, er würde auch sonst nicht aussehen wie ein König, sondern wie ein Landbriefträger am Sonntag. Das lag daran, dass er am liebsten einen Lodenmantel trug. Als der neu war, stand auf dem Stoff für jeden lesbar: "Das Wetter ist mir einerlei, der Mantel ist von Loden-Frei".

Der Adjutant des Königs sagte zu ihm: "Eure Majestät, Sie können doch nicht für ein Geschäft Reklame laufen:" Der König antwortete: "Warum denn ni, der Mandl had doch nischd gekosded, der is geschenkd!" Einmal spazierte er in diesem Lodenmantel durch Dresden die Pillnitzer Straße entlang. Direkt vor ihm gingen einem Fleischer die Pferde seiner Kutsche durch. Als passionierte Reiter griff der König forsch in das Geschirr der wild gewordenen Pferde. Der Fleischer, seinen Pferden eilig gefolgt und völlig außer Atem, dankte und fragte den König. "Danke, du bist wohl ooch Fleescher?" Da sagte seine Majestät: "Nee, ich sehe bloß so aus." Geblieben sind von Friedrich August III. vor allem derlei Anekdoten, sein politischer Einfluss hielt sich immer in Grenzen.

In den 1920-Jahren soll er während eines Jagdausfluges in einem Gasthaus in Bad Elster gegessen haben. Eine Tischgesellschaft rätselte, ob er es ist oder nicht. Schließlich fragte ein älterer Herr: "Entschuldigen Sie, sind Sie nicht der König von Sachsen?" Darauf Friedrich August: "Nu, aber ä Geenich ohne Sachsen!"

  • Der Film: "Der letzte König der Sachsen" zeigt Friedrich August III. in einmaligen historischen Aufnahmen aus dem Archiv von Ernst Hirsch. Erzähler ist Tom Pauls. Gezeigt wird der Film erstmals öffentlich zum 90. Todestag des Königs, am 18. Februar, 17 Uhr, im Dresdner Rundkino. Unser Autor Peter Ufer moderiert dort vorab ein Gespräch mit Tom Pauls und Ernst Hirsch.