SZ + Zittau
Merken

B178: Wird die Oberlausitz wirklich abgehängt?

Seit 25 Jahren wird an der neuen Bundesstraße gebaut. Fast genauso lange gibt es Vorwürfe an die Politik, dass es nicht schnell genug vorangeht. Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Auch anderenorts in Sachsen dauert es ewig.

Von Thomas Mielke
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die aktuellen Straßengroßbau-Projekte im Regierungsbezirk Dresden laufen ähnlich lange - und das Ende ist bei allen drei nicht abzusehen.
Die aktuellen Straßengroßbau-Projekte im Regierungsbezirk Dresden laufen ähnlich lange - und das Ende ist bei allen drei nicht abzusehen. © Gernot Grunwald

Vor 25 Jahren haben die Bauleute begonnen, den ersten Abschnitt der neuen B178 zu bauen. Im Zittauer Norden entstand eine Ortsumgehung beziehungsweise die Nordspange. Damals hieß es noch, die Schnellstraße aus dem Dreiländereck über Löbau zur A4 wäre wenige Jahre nach der Jahrtausendwende fertig. Der damalige Wirtschaftsminister sagte konkret: 2006. Dann hieß es: 2008, dann 2012. Seit dem ist Ruhe. Keine Behörde, kein Ministerium traut sich noch, einen Termin zu nennen. Derzeit läuft der Bau des vorletzten Abschnitts. Wann der letzte kommt, ist nicht abzusehen.

Mit den Jahren wurde die Verärgerung in der Oberlausitz über den schleppenden Bau immer größer. Immerhin gilt die B178n als Transport-Rückgrat der Region. Als Schuldige wurden die Landes- und die Bundesregierung ausgemacht - die die Region angeblich aus dem Auge verlieren und vom Fortschritt abkoppeln würden. "Man sieht die Tendenz, die in Sachsen wahrscheinlich gewollt ist, die Oberlausitz hinten anzustellen", sagte beispielsweise Michael Hiltscher, Sprecher der Interessengruppe B178, in der sich Unternehmen, Kommunen und Privatleute zusammengeschlossen haben. Land und Bund haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen und versichert, dass der Bau der B178 nach dem der Autobahn 72 das zweitwichtigste Straßenbauprojekt in Sachsen ist.

Ist die Oberlausitz wirklich abgehängt worden? Ein Blick über den Tellerrand klärt auf: Im Regierungsbezirk Dresden gibt es neben der B178 noch zwei ähnliche Großprojekte - der Neubau der B169 von Riesa zur A4 und die S177 als Dresdner Ostumfahrung von Pirna bis zur A4 bei Radeberg. Sie wurden fast gleichzeitig zum Bau der B178 gestartet - und sind ebenfalls noch nicht fertig. Auch dort wuchs mit den Jahren der Frust von Einwohnern, Unternehmern und Kommunalpolitikern. So machten zum Beispiel Städte und Gemeinden um Riesa gemeinsam mit dem Wirtschaftsforum Riesa vor der jüngsten Bundestagswahl mit einer groß angelegten Aktion ihrem Ärger Luft, forderten, Planung und Ausbau der B169 endlich zu forcieren und die Bürger auf, tausende Protestkarten zu schicken. Auch entlang der S177, die schon 2010 fertig sein sollte, begehrten Einwohner, Politiker und Firmenchefs immer wieder auf. So wandten sich zum Beispiel 2011 Gemeinderäte aus Leppersdorf und Wachau an den sächsischen Ministerpräsidenten mit der Forderung, den Bau der Straße endlich zu beschleunigen.

Auch die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Von der neuen B169 bei Riesa sind 7,1 der insgesamt 25,3 Kilometer langen Strecke fertig. Nach 27 Jahren. Die Dresdner Ostumfahrung wird 2026 - 29 Jahre nach Baustart - immerhin zu 90 Prozent fertig sein. Dann fehlen nur noch 3,2 der insgesamt 32 Kilometer. Die B178 wird 2025 - 27 Jahre nach dem Baustart - zu 87 Prozent vollendet sein. Dann fehlen noch die 5,8 Kilometer von Nostitz zur A4 bei Weißenberg. Wann die und damit die gesamten fast 44 Kilometer befahrbar sein werden, steht in den Sternen. Genau wie bei den letzten Abschnitten der anderen beiden Großprojekte.

Wenn die Oberlausitz also nicht politisch gewollt abgehängt wurde: Warum dauert der Bau der B178 dann so lange? Aus denselben Gründen wie bei den anderen beiden Straßenbauprojekten. Bei der Planung müssen laut der gültigen Gesetze öffentliche Wünsche und Interessen von Grundbesitzern, Bauern, Naturschützern und anderen berücksichtigt werden. In immer neuen Planungsschleifen wird versucht, sie unter einen Hut zu bringen. Das dauert Jahre. Und zieht oft Klagen der Betroffenen gegen den Straßenbau und damit langwierige juristische Verfahren nach sich. So wie es bei der B169, der B178 und der S177 auch passiert ist.

B178: 87 Prozent der Strecke in 27 Jahren

  • Länge A4 - Grenze bei Zittau: 43,6 Kilometer in acht Bauabschnitten
  • Baustart erster Bauabschnitt (Ortsumgehung Zittau): Oktober 1998
  • Bauabschnitt 1.1 (Nostitz-A4/Weißenberg, 5,8 Kilometer): Planfeststellung läuft, Baustart nicht abzusehen (geplante Kosten: 91,5 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 1.2 (Löbau/B6-Nostitz, 6,3 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Oktober 2008 (Kosten: 42,9 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 2 (Ortsumgehung Löbau, 3,9 Kilometer): Verkehrsfreigabe im November 2001 (Kosten: 29,2 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 3.1 (Obercunnersdorf-Löbau, 6,0 Kilometer): Verkehrsfreigabe im November 2011 (Kosten: 29,5 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 3.2 (Niederoderwitz-Obercunnersdorf, 10,2 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Dezember 2013 (Kosten: 65,4 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 3.3 (Eckartsberg/Oberseifersdorf-Niederoderwitz, 6,0 Kilometer): im Bau, Verkehrsfreigabe 2025 geplant (geplante Kosten: 51,2 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 4 (Ortsumgehung Zittau, 4,1 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Juli 2000 (Kosten: 13,2 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 5 (Zittau/B99-Grenze zu Polen, 1,3 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Juli 2007 (Kosten: 9,6 Millionen Euro)

B169: 28 Prozent der Strecke in 27 Jahren

  • Länge A4 - Riesa: 25,3 Kilometer in vier Bauabschnitten
  • Baustart erster Bauabschnitt (Ortsumgehung Riesa): Juli 1998
  • Bauabschnitt 1 (Ortsumgehung Riesa, 2,1 Kilometer): Verkehrsfreigabe im November 2001 (Kosten: 29,7 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 2 (B6-Riesa, 5,0 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Oktober 2012 (Kosten: 33,9 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 3 (Salbitz-B6, 7,8 Kilometer): Bauvorbereitung, Start voraussichtlich 2025 oder 2026 (geplante Kosten: 46,3 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 4 (Salbitz-A4/Döbeln, 10,4 Kilometer): Vorplanung, Baustart nicht abzusehen (geplante Kosten: 59 Millionen Euro)

S177/Ostumgehung DD: 90 Prozent der Strecke in 29 Jahren

  • Länge A4 - A17: 32 Kilometer in sieben Bauabschnitten
  • Baustart erster Bauabschnitt (Elbbrücke Pirna): April 1997
  • Bauabschnitt 1.1 (Ortsumgehung Pirna/Elbbrücke, 1,7 Kilometer): Verkehrsfreigabe im November 1999 (Kosten: 36,0 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 1.2 (Ortsumgehung Pirna, 3,7 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Oktober 2003 (Kosten: 20,8 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 2 (Ausbau nördlich Pirna, 4,9 Kilometer): Verkehrsfreigabe im November 2014 (Kosten: 38,2 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 3 (Ortsumgehung Wünschendorf/Eschdorf, 5,6 Kilometer): im Bau, Verkehrsfreigabe 2026 geplant (geplante Kosten: 71,5 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 4 (Verlegung südlich Großerkmannsdorf, 3,2 Kilometer): Planfeststellung läuft, Baustart nicht abzusehen (geplante Kosten: 21,1 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 5 (Ortsumgehung Großerkmannsdorf/Ortsumgehung Radeberg, 6,2 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Oktober 2008 (Kosten: 40,2 Millionen Euro)
  • Bauabschnitt 6 (Radeberg-A4, 6,7 Kilometer): Verkehrsfreigabe im Oktober 2023 (Kosten: 63 Millionen Euro)