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Warum für Herrnhuts Museum ein Unglück zur Chance wird

Das Völkerkundemuseum sollte nach einem Jahr Pause Ende 2023 neu eröffnen. Doch es gibt bauliche Probleme. Warum ein Besuch trotzdem lohnt.

Von Anja Beutler
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Die Standortleiterin im Herrnhuter Völkerkundemuseum, Silke Piwko, in der neuen Sonderausstellung mit vielen technischen Raffinessen.
Die Standortleiterin im Herrnhuter Völkerkundemuseum, Silke Piwko, in der neuen Sonderausstellung mit vielen technischen Raffinessen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Silke Piwko schmunzelt erleichtert in sich hinein, wenn sich Museumsbesucher in der Ausstellung des Herrnhuter Völkerkundemuseums auf den Tisch legen und mit geschlossenen Augen genießen. Dann haben sie eines der technischen Sahnebonbons entdeckt, die in der momentanen Schau über den Entdecker James Cook zu erleben sind: "Der Tisch ist mit Körperschalllautsprechern ausgestattet", sagt Museumsmitarbeiterin Piwko und erklärt: "Wenn man sich darauf legt, kann man das Knarren der losen Planken wie auf einem Schiff und das Rauschen der Wellen spüren als wäre man gerade selbst auf See." So faszinierend solche Raffinessen auch sind - ganz ungetrübt ist die Freude im Völkerkundemuseum derzeit nicht. Denn das Haus konnte nicht wie geplant, nach rund einem Jahr Umbau mit neuer Sonderschau wieder öffnen. Stattdessen gibt es jetzt nur ein Häppchen für die Besucher - in Anspielung auf den Seefahrer James Cook - ein "Cook-Loch".

Um die beiden Dauerausstellungsräume, in denen jahrzehntelang die Vitrinen in immer gleicher Weise standen, ebenso für eine neue Museumszeitrechnung zu rüsten, braucht es eben mehr als etwas Kosmetik. Es ist eine grundlegende Sanierung vonnöten. "Das war so nicht geplant, hat sich aber - wie das beim Hausbau so ist - ergeben", sagt Ute Uhlemann, Sprecherin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, zu denen das Herrnhuter Völkerkundemuseum gehört. Diese ungeahnte Hürde begreife man nun als Chance. Immerhin sollen die Museumsräume mindestens für die nächsten 20 Jahre fit gemacht werden. Mit Blick auf heute übliche moderne Museumstechnik hat Herrnhut einiges nachzuholen, gerade im Altbau, der um 1900 entstanden ist. Gemeinsam mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) werde nun grundlegend alles geplant und ausgeführt.

Hier standen immer die Vitrinen der Dauerausstellung - der Raum muss grundlegend saniert werden.
Hier standen immer die Vitrinen der Dauerausstellung - der Raum muss grundlegend saniert werden. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Klein aber oho: Das ist die Schau zu James Cook, die derzeit die Besucher erwartet.
Klein aber oho: Das ist die Schau zu James Cook, die derzeit die Besucher erwartet. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Dabei gibt es neben moderner Museumstechnik tolle Stücke zu bestaunen.
Dabei gibt es neben moderner Museumstechnik tolle Stücke zu bestaunen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Ein Logbuch von Cook im Original und im Bildschirm nebenan mit Erläuterungen und zum Blättern.
Ein Logbuch von Cook im Original und im Bildschirm nebenan mit Erläuterungen und zum Blättern. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wie es künftig aussehen kann, das zeigt in der Zwischenzeit das "Cook-Loch" auf der sonst für Sonderausstellungen genutzten Fläche. "Es ist auch ein Testballon, wie die neue Art der Präsentation ankommt", erklärt Silke Piwko. Und das sei durchaus ambivalent. Es gebe Gäste, die damit noch fremdeln, dass es keine großen Texte zum Lesen mehr gibt, aber eben Bildschirme, wo man die Dinge vertiefen kann. Viele aber sind so begeistert von den wortwörtlich begreifbaren Ausstellungsstücken aus dem 3-D-Drucker, dem Hologramm des Schiffes und der Klanginstallation mit Meeresrauschen und Möwenschreien, dass sie ganz enttäuscht sind, wenn sie bemerken, dass es derzeit nur diese kleine Schau zu bestaunen gibt. In der Tat haben die Ausstellungsmacher hier alle Register gezogen: Beispielsweise beim Cook-Logbuch, das in einer Vitrine im Original liegt und untendrunter in der digitalen Version über Anmerkungen erklärt ist, was die Eintragungen, Kürzel und Zeichen eigentlich bedeuten.

Themen aus neuer Perspektive

Genau wie es dann auch bei der neuen Dauerausstellung sein wird, gibt es auch bei der Cook-Schau kritische Einordnungen: Seine Rolle im Rahmen der Kolonialisierung, die Frage, wie die Ausstellungsstücke in den Besitz der Sammler gekommen sind oder auch Cooks Umgang mit Einheimischen oder Untergebenen. Aber nicht nur der Ansatz, auch Schattenseiten aufzuzeigen, hat für die neue Ausstellung Priorität. Auch die Art, wie man die Sammlung thematisiert, ändert sich grundsätzlich, betont Silke Piwko. Abgesehen davon, dass der Kern immer die Herrnhuter Missionsgeschichte und die daraus entstandene Sammlung bleibt, wird die Arktis unter dem Aspekt des Klimawandels thematisiert. Bei Artefakten aus Surinam stehen Sklaverei und Kolonialismus im Fokus. Und die Frage nach Missionsgeschichte und noch heute stattfindender Missionsarbeit soll am Beispiel von Tansania dargestellt werden. So ist zumindest aktuell der Plan.

Wann diese neue Sicht auf die Herrnhuter Sammlung im Völkerkundemuseum zu bestaunen sein wird, ist mit Blick auf die Bauarbeiten noch nicht ganz klar. "Wir hoffen, dass wir Mitte 2025 wieder richtig öffnen können", sagt Silke Piwko. Bis dahin will das Museum aber wieder stärker sichtbar sein als 2023: "Wir werden wieder verstärkt Veranstaltungen anbieten", sagt Piwko. In den Winterferien habe man begonnen, jetzt sollen auch Lesungen - beispielsweise mit dem Historiker und ZDF-Aspekte-Redakteur Frank Vorpahl - stattfinden. Er hat vor allem zu Cook vieles recherchiert und dazu auch veröffentlicht. Auf diese Weise hoffen die Herrnhuter, bis zur endgültigen, großen Neueröffnung, nicht in Vergessenheit zu geraten.

  • Öffnungszeiten der Cook-Loch-Ausstellung "Talanoa" Freitag bis Sonntag 9 bis 17 Uhr.