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Warum Erinnerung in Löbau manchmal kompliziert ist

Am Sonnabend wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht - auch in Löbau. Allerdings braucht es hier generell neue Ideen, um vor allem an jüdische Mitbürger zu erinnern.

Von Anja Beutler
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Stolperstein-Erfinder Günter Demnig verlegte am Löbauer Markt im September 2022 zwei Stolpersteine für Helene und Adolf Grünewald, die in Löbau ein Schuhgeschäft betrieben.
Stolperstein-Erfinder Günter Demnig verlegte am Löbauer Markt im September 2022 zwei Stolpersteine für Helene und Adolf Grünewald, die in Löbau ein Schuhgeschäft betrieben. © Matthias Weber/photoweber.de

Der 27. Januar wird auch in Löbau im Zeichen der Erinnerung stehen - im Zeichen des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Jahr gibt es, abgesehen von einem über die vergangenen Jahre in Löbau tradierten Treffen am Gedenkstein auf dem Wettiner Platz um 10 Uhr und einem Gedenkgottesdienst im Diakonatssaal, auch eine besondere Veranstaltung in der Stadtbibliothek. Dort stellt die Gedenkstätte Großschweidnitz zwei neue kleine Heftchen aus einer Schriftenreihe vor, die Lebenswege zweier ganz verschiedener Frauen aufzeigen, die beide in der damaligen "Landesanstalt Großschweidnitz" - dem heutigen Fachkrankenhaus - ums Leben kamen.

Die beiden Biografie-Heftchen zeigen an konkreten Personen - in dem Fall der Niedercunnersdorferin Helene Pietsch und in dem von Helene von Gersdorff - was damals zum Todesurteil werden konnte. Während sich die Familie von Gersdorff für die Rettung des Mädchens einsetzte, war Helene Pietsch eher schutzlos ausgeliefert.

Unrecht an konkreten Namen und Lebenswegen deutlich machen, will auch die Initiative "Löbaus jüdische Geschichte". Diejenigen, die sich in dem eher losen Bund derzeit engagieren, hatten auch die ersten Stolpersteinverlegungen in Löbau mit angestoßen. Marie Wobst ist eine der Mitstreiterinnen, die sich hier auch weiter engagieren werden. Das ist allerdings gar nicht so einfach - zum Beispiel, wenn es darum geht, ob Löbau weitere Stolpersteine für jüdische Mitbürger bekommen wird. Denn dabei gibt es eine große Hürde: "Bedingung für die Verlegung eines solchen Stolpersteines ist, dass die Personen dann auch von diesem Ort deportiert oder in den Selbstmord getrieben worden sind", umreißt Marie Wobst.

Stolpersteine mit großer Hürde

In Löbau war das aber gar nicht in vielen Fällen so - das hat auch das im vergangenen Jahr erschienene Buch von Regina Wünsche "Juden in Löbau" gezeigt: Viele jüdische Mitbürger sind bereits sehr zeitig aus Löbau in größere Städte weggezogen, von wo aus sie dann deportiert worden sind. Sonderlich groß war die Anzahl der jüdischen Personen ohnehin nie in der Stadt, weil es hier keine Synagoge gab. "Deshalb prüfen wir derzeit, ob es weitere Möglichkeiten gibt, Stolpersteine zu verlegen", sagt Marie Wobst, die von Haus aus Historikerin ist. Zwei, drei Namen seien durchaus im Gespräch - allerdings seien noch einige Recherchen nötig, um hier eine Entscheidung treffen zu können.

Dass man auch in Löbau dennoch an das Schicksal der so geächteten Mitbürger erinnern sollte, darüber ist man sich in der Initiative einig. "Deshalb diskutieren wir auch über ganz andere Formen der Erinnerung abseits einer Stolpersteinverlegung", sagt Wobst. Gedenktafeln wären eine Alternative - oder eine Art Stadtrundgang, bei dem man mit dem Smartphone QR-Codes in der Stadt einscannen und dann die Geschichte der Bewohner erfahren kann. Dies alles stecke aber noch in den Anfängen, vieles sei zu klären - von der Bereitschaft zum Mitwirken der Hauseigentümer bis zur Finanzierung - betont Marie Wobst.

Egal, welche Gedenkform es am Ende werden wird - weitermachen will die Initiative aber dennoch. Und sie sucht weitere Mitstreiter. Bislang sind neben dem Stadtmuseum und der Stadtbibliothek auch der Verein "Augen auf", die Hillersche Villa, die Gruppe "Vielfalt im Glauben" und Privatpersonen engagiert. Unterstützung könne man allerdings gut gebrauchen. Denn anders als in größeren Städten wie Zittau oder Görlitz bietet nicht nur die Geschichte der Juden, sondern auch die Geschehnisse in Löbau im Nationalsozialismus noch reichlich Recherchemöglichkeiten.

  • Kontakt zur Initiative über das Stadtmuseum Löbau: 03585 450360 oder [email protected].