SZ + Meißen
Merken

VGM-Chef: "Für die maßlosen Forderungen fehlt mir jedes Verständnis"

VGM-Geschäftsführer Jens Dehnert und Verkehrsplaner Konrad Albrecht sprechen im Doppelinterview über den Streik im Nahverkehr, Rufbusse und die Auswirkungen des 49-Euro-Tickets.

 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jens Dehnert, Geschäftsführer der VGM, im vergangenen Jahr. Für die aktuellen Gewerkschaftsforderungen zeigt er nur wenig Verständnis.
Jens Dehnert, Geschäftsführer der VGM, im vergangenen Jahr. Für die aktuellen Gewerkschaftsforderungen zeigt er nur wenig Verständnis. © Claudia Hübschmann

Im Landkreis Meißen rollen am Mittwoch und Donnerstag deutlich weniger Busse. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem Warnstreik aufgerufen und fordert unter anderem monatlich mindestens 750 Euro mehr Lohn. Dem Streik haben sich auch Mitarbeitende der Verkehrsgesellschaft Meißen angeschlossen. Geschäftsführer Jens Dehnert verhandelt auf der Arbeitgeberseite. Im Doppelinterview mit Verkehrsplaner Konrad Albrecht äußert Dehnert sich unter anderem zu den Forderungen.

Herr Dehnert, am 23. Februar startet die dritte Verhandlungsrunde, an der Sie beteiligt sind. Mit welchen Gedanken gehen Sie in die Gespräche?

Dehnert: Es ist unstrittig, dass es eine deutliche Lohnerhöhung für unsere Mitarbeiter geben muss, für die maßlosen Forderungen der Gewerkschaft fehlt mir allerdings jedes Verständnis. Die genannten mindestens 750 Euro bedeuten beim Fahrpersonal eine Lohnerhöhung von circa 26 Prozent, zusätzlich wurde die Wochenarbeitszeit bereits am 1. Januar auf 38,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich abgesenkt, was weitere 2,6 Prozent Mehraufwand bedeutet. Damit würden die Lohnzuwächse in diesem Jahr insgesamt 28,6 Prozent betragen. Dies ist wirtschaftlich in keiner Weise darstellbar, die Forderungen von Verdi sind verantwortungslos. Jeder Euro Lohnerhöhung muss auch erwirtschaftet werden, entweder in unserem Unternehmen oder vom Steuerzahler.

Wenn das nicht der Fall ist, drohen Einsparungen an anderer Stelle. Wie groß ist die Gefahr, dass Linien gekürzt werden?

Dehnert: Wir gehen erst mal davon aus, dass wir an dem Netz für 2024 festhalten können. Aber im äußersten Fall kann der Landkreis auch Abbestellungen durchführen, entweder prozentual oder bei bestimmten Linien. Dort, wo eine große Frequenz herrscht und das Angebot relativ gut ist, würde man am ehesten etwas wegnehmen. Die Politik greift immer mehr ein und bestimmt Preise, die nicht mehr regelmäßig an die Kostenbildung angepasst werden. Dadurch steigen dann die Zuschussbedarfe beim Landkreis und beim Zweckverband. Wenn dort die Mittel nicht ausreichen, dann denkt man über eine entsprechende Leistungsanpassung nach. Aber bisher gibt es noch keine entsprechenden Signale.

Aktuelles Beispiel für den Eingriff der Politik ist das Deutschlandticket. Wie bewerten Sie dessen Einführung?

Dehnert: Auf der einen Seite macht es den ÖPNV sicher attraktiver, wenn Preise abgesenkt werden. Andererseits fehlt dann wieder Geld für den ÖPNV. Denn die Leute, die sich das Ticket kaufen, haben in der Regel vorher mehr bezahlt, das fehlt dann im System. Hauptnutzer sind die Leute, die große Strecken pendeln. Die Gefahr ist da, dass die politische Willensbildung nicht so konstant ist, dass das langanhaltend ausgeglichen wird.

Am 21. und 22. Februar wird auch im Landkreis Meißen erneut der Nahverkehr bestreikt.
Am 21. und 22. Februar wird auch im Landkreis Meißen erneut der Nahverkehr bestreikt. ©  Archiv/Claudia Hübschmann (Symbolfoto)

Wie beobachten Sie Ihre Fahrgastentwicklungen?

Albrecht: Wir haben Zählbusse mit Sensoren über der Eingangstür, die dann jeden Fahrgast erfassen. Aber das ist sehr teure Technik, deswegen fährt die nicht auf jedem Bus mit. Manchmal nutzen wir das, wenn Eltern sich beschweren, dass der Schulbus zu voll ist. Oder auf der Linie M zwischen Meißen und Moritzburg. Die Linie steht immer unter starker Beobachtung und wird auch stark beworben.

Wie sieht es mit den "normalen" Linienfahrten aus?

Dehnert: Gerade läuft eine Fahrgastauswertung des VVO, dann wissen wir sicher mehr. Sicher haben wir auf einzelnen Linien Nachfragesteigerungen. Zum Beispiel auch auf der 477 zwischen Dresden und Moritzburg bei besonderen Events wie der Aschenbrödel-Ausstellung oder an schönen Ausflugstagen. Aber im normalen Linienverkehr ist der Zuwachs eher verhalten.

Das Angebot hat sich für die Menschen auf dem Land ja auch nicht verbessert.

Dehnert: Deswegen wäre der Klassiker gewesen, erst das Angebot aufzustocken und im zweiten Schritt ein attraktives Ticket einzuführen. Beim Thema Verkehrswende war es ja mal im Gespräch, dass ein regelmäßiger Takt auf dem Land eingeführt werden soll. Davon redet heute kein Mensch mehr. Jetzt ist man schon froh, wenn man das Angebot so wie es ist, halten kann. So naiv wie wir waren, dass nach der Pandemie sofort wieder alles wird wie früher, da wurden wir eines Besseren belehrt.

Der Schülerverkehr hat da wahrscheinlich oberste Priorität?

Albrecht: Genau, da gibt es strenge Qualitätskriterien vom Landkreis. Man versucht dann trotzdem ganz viel zusammenzustricken, dass auch andere Wege für die Berufspendler möglich sind. Vor knapp drei Jahren haben wir die Schülerverkehre so umgewandelt, dass jeder mitfahren kann. Auch, wenn vorne ein Schulbus-Logo dran ist, taucht die Verbindung in der App auf. Das versuchen wir nun zu propagieren, dass gerade auf dem Land auch zusätzliche Fahrtmöglichkeiten bestehen. Da sind wir auf einem ganz guten Weg. Wir wissen, dass es jetzt auch schon einige Fahrten gibt, auf denen Erwachsene mitfahren.

Außerhalb des Schülerverkehrs ist der Fahrplan aber dünn. Wie kommen Angebote wie ein Rufbus an?

Albrecht: Das ist erst mal eine kleine Schwelle, die man überwinden muss. Weil man sich nicht einfach hinstellen kann, sondern die Stunde vorher anrufen muss oder das per App bestellen. Aber es gibt schon einige Verbindungen, die regelmäßig nachgefragt werden. Gerade, wenn es Fahrten zum Schichtbeginn sind. Aber es ist noch nicht so, dass die Taxen überlaufen.

Wie schätzen Sie das Potenzial für die Zukunft ein? Rufbus statt ein leerer Bus?

Dehnert: Da muss man aufpassen, denn das ist ja quasi die Taxifahrt zum ÖPNV-Fahrpreis. Wir mieten ein Taxi an und haben einen anderen Preis, als den, den der Kunde zahlt. Wenn das fünf Leute nachfragen, ist das schon was anderes, aber eine einzelne Person, die regelmäßig für den Buspreis zum Einkaufen fährt, müsste finanziell letztendlich wieder vom Landkreis ausgeglichen werden.

Albrecht: Da kann es fürs Landratsamt in der Gesamtsumme das preiswertere Angebot sein, wenn der Busfahrer, der eh gerade Schicht hat, den fast leeren Bus durchs Dorf fährt, auch, wenn das erst mal unwirtschaftlich aussieht.

Das Gespräch führte Lucy Krille.