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Vom Zellwald nach Australien

Einer Frau gelang es im 19. Jahrhundert, in der Wissenschaft – einer Männer-Domäne – Anerkennung zu finden. Siebenlehn feiert Amalie Dietrichs 200. Geburtstag.

Von Uta Büttner
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Dietmar Lippert ist einer der Organisatoren des Amalie-Dietrich-Jahres 2021 in Siebenlehn. Er wirbt für den frisch gedruckten Kalender.
Dietmar Lippert ist einer der Organisatoren des Amalie-Dietrich-Jahres 2021 in Siebenlehn. Er wirbt für den frisch gedruckten Kalender. © Claudia Hübschmann

Siebenlehn/Nossen. Es ist klein. Aber dafür umso beeindruckender. Das Museum über Amalie Dietrich im ehemaligen Rathaus am Markt in Siebenlehn. Weltweit machte sie sich als Naturforscherin einen Namen. Dietmar Lippert vom Schulförderverein Siebenlehn ist einer der Organisatoren des Jubiläumsjahres. Er gerät ins Schwärmen: „Es war eine unheimliche Leistung dieser Frau in dieser Zeit.“ Im nächsten Jahr feiern die Siebenlehner den 200. Geburtstag der mutigen Frau. Im Museum sei ein Querschnitt ihrer Sammlungen wie nirgendwo zu finden, erklärt Lippert, weil vieles in großen Naturkundemuseen durch den Krieg verlorenging.

Amalie Dietrich beginnt zunächst mit Reisen größtenteils zu Fuß durch Europa, sammelt und präpariert Pflanzen. Knüpft viele Kontakte, macht sich einen Namen. Später gelingt es ihr, den Hamburger Reeder Cesar Godeffroy, der ein Museum für Natur- und Völkerkunde der Südsee plant, von ihrer Arbeit zu überzeugen. So schickt er sie 1863 mit einem Forschungsauftrag für zehn Jahre nach Australien.

In dem Siebenlehner Museum sind mehrere Fotos der im Zellwald Geborenen zu sehen. Sie lassen ihren Willen und ihre Charakterstärke erahnen. Herb sieht sie aus, niemals lächelt sie. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, lernt die, schon in der Kindheit Naturinteressierte, von ihrem Mann, dem Botaniker Wilhelm Dietrich, die Grundbegriffe der Botanik. Die Arbeit als Botanikerin steht bei ihr an oberster Stelle. So muss selbst ihre Tochter Charitas zurückstecken. Während ihrer Reisen gibt Dietrich sie zu Pflegeeltern.

Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum.
Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum. © Claudia Hübschmann
Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum.
Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum. © Claudia Hübschmann
Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum.
Einblicke in das Amalie-Dietrich-Museum. © Claudia Hübschmann

Vor zehn Jahren geriet Dietrichs Name in negative Schlagzeilen. „Der Todesengel der Aborigines“ werde sie in Australien genannt, so schrieb es der Hamburger Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht in der Zeitschrift „Geo“. Dafür gibt es allerdings keine Beweise, wie auch andere Forscher inzwischen herausfanden. Eine von ihnen ist die australische Historikerin Ray Sumner. Doch der ausnehmend gute Ruf Dietrichs ist seitdem beschädigt, zumal viele Medien in Deutschland über die angeblichen Gräueltaten bis hin zu Auftragsmorden berichteten. So sah sich beispielsweise die Stadt Germering, rund 20 Kilometer westlich von München gelegen, 2011 allein wegen der Berichte veranlasst, eine nach der Botanikerin benannte Straße umzubenennen. 2015 sagte Glaubrecht in einem Interview in der Freien Presse, dass es keine Belege für Auftragsmorde gebe. Und den schlechten Ruf habe Dietrich in Australien auch nicht, erklärt Lippert, der auch Kontakte in das Land habe: „Amalie Dietrich gehört dort zum Unterrichtsstoff.“

Dietmar Lippert freut sich schon auf die im Jubiläumsjahr geplante Podiumsdiskussion Ende Mai mit Glaubrecht und Sumner. „Hoffentlich lässt dies Corona zu“, sagt er. Mit dabei wird auch Birgit Scheps-Bretschneider vom Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig sein. „Sie ist in Deutschland die anerkannte Amalie-Dietrich-Kennerin“, sagt Lippert. Von ihr stammen auch die Texte über die Naturforscherin in dem kleinen Museum.

Amalie-Dietrich-Kalender im Handel erhältlich

Doch dies ist nur eine von vielen Veranstaltungen, die während des gesamten nächsten Jahres anlässlich des runden Geburtstages der Naturforscherin geplant sind. Beginnen soll alles am 15. Januar auf dem Markt in Siebenlehn mit einer Begrüßung. Im April wird vom sächsischen Landesfrauenrat eine Dietrich-Steele enthüllt. Der Festakt findet einen Tag vor der Podiumsdiskussion statt. Konzerte, Lesungen und ein Workshop sind geplant. Selbst ein Theaterstück soll aufgeführt werden. So existiere ein Drehbuch aus DDR-Zeiten für einen zweiteiligen Film über Dietrich, der den Konflikt zwischen ihr und ihrer Tochter Charitas darstellen sollte. Allerdings wurde es nie verfilmt, dient aber jetzt als Grundlage für die Bühnenaufführung im September, erzählt Lippert. „Die Proben mit Laiendarstellen haben jetzt begonnen. Ich bin selbst gespannt, wie es wird.“ Und auch eine 75-minütige Oper gebe es über Dietrich. Inwieweit Musik aus dieser während des Jubiläumsjahres mit einfließen kann, kann Lippert jetzt noch nicht sagen.

Ein Mammutprogramm, was die Organisatoren um Dietmar Lippert auf die Beine gestellt haben. „Es ist ein finanzieller Kraftakt“, sagt er. Erschwerend hinzugekommen sind die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen. So wurde ein Amalie-Dietrich-Kalender kreiert – vom Nossener Fotostudio Krüger layoutet – , der etwas Geld in die Kasse spülen soll. Allerdings sind die Geschäfte ab Montag wieder geschlossen. Aber in Nossen ist er noch in der Bäckerei Illgen in der Bismarckstraße oder im Online-Shop erhältlich.

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