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2024 doppelt so viel Abriss wie Neubau bei Genossenschaften

Für den Großraum Dresden wird ein erhebliches Einwohnerwachstum erwartet. Trotzdem geht das Angebot an sächsischen Genossenschaftswohnungen zurück.

Von Paul Meyer
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Der Neubau "Die perfekte Welle" von der Wohnungsgenossenschaft WGJ Dresden. In Zukunft wird seltener gebaut werden.
Der Neubau "Die perfekte Welle" von der Wohnungsgenossenschaft WGJ Dresden. In Zukunft wird seltener gebaut werden. © SZ/Georg Moeritz

Dresden. Mit Unbehagen schaut Mirjam Philipp, Vorstand des Verbands Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG), auf das kommende Jahr. "2024 wird's finster", sagt sie am Mittwoch bei Präsentation der Verbandsbilanz für 2023. Gleich mehrere Entwicklungen erschwerten den 201 Genossenschaften das Wirtschaften.

Wegen der um 10,5 Prozent gestiegenen Baupreise, der weiterhin zu hohen Inflationsrate und steigender Zinssätze für Baufinanzierungen würden alleine die Instandhaltungsinvestitionen 2024 um mehrere Millionen Euro auf 350 Millionen anwachsen. Zudem sei es aufgrund der schwankungsanfälligen Energiepreise schwierig, eine hinreichende Investitionssicherheit herzustellen, so Philipp.

Deshalb schrumpft nach VSWG-Angaben das Angebot an Genossenschaftswohnungen. 2023 seien zwar noch 230 neue Wohnungen gebaut, zugleich aber 300 bis 400 Einheiten abgerissen worden. 2024 würden ebenfalls um die 300 Wohnungen verschwinden, allerdings nur 150 neue gebaut. Und für die Jahre danach könnten dann erstmal keine weiteren Projekte geplant werden, heißt es. In Dresden wollten einige Genossenschaften zwar perspektivisch neu bauen, aber das hänge sehr von den Baupreisen ab und sei noch fern von festen Plänen.

Entwicklung in die falsche Richtung

Wegen der Neuansiedlung des Halbleiterunternehmens TSMC und den Wachstumsplänen von Infineon, Globalfoundries und Co. ist für Dresden in den kommenden Jahren ein starkes Einwohnerwachstum prognostiziert. Bis 2030 sollen allein in der Chip-Industrie 27.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Und bis 2038 soll Dresden auf 600.000 Einwohner anwachsen. Bei den Wohnungsgenossenschaften schrumpft währenddessen das Angebot.

Von Philipp ist zu dieser gegensätzlichen Entwicklung zweierlei zu hören: Einerseits sei das prognostizierte Wachstum eine "positive Botschaft". Andererseits seien die Genossenschaften von der Landeshauptstadt erst im Dezember über diese Entwicklungen informiert worden. Ein Neubauprojekt brauche jedoch eine Vorlaufzeit von zwei bis vier Jahren. Und schon 2026 könnten die Wohnungen gebraucht werden.

"Wir sind ein Tanker in rauer See"

Für die Wohnungsgenossenschaften sei Planungssicherheit entscheidend, denn sie sind laut Philipp "ein Tanker, der nicht schnell nach links oder rechts abbiegen kann". Allerdings gelte für alle Tanker: Sie geraten nicht leicht in Schieflage. Den Genossenschaften gehört in Sachsen mehr als jede fünfte Wohnung, darin leben etwa 500.000 Menschen. Ihr Jahresumsatz beträgt 1,42 Milliarden Euro.

Bei allen Unwägbarkeiten seien die bezahlbaren Mieten weiterhin gesichert, sagt Philipp. Obwohl genaue Zahlen für 2023 noch nicht vorlägen, sei absehbar, dass die Mieten nur leicht gestiegen sind. Hatten sie 2022 im Durchschnitt noch bei 8,10 Euro pro Quadratmeter gelegen, bewegten sie sich 2023 zwischen 8,20 Euro und 8,70 Euro. Der Anstieg komme durch die erhöhten Energiekosten und eine leichte Anhebung der Kaltmiete zustande, da nur über die Kaltmiete Investitionen in den Bestand finanziert werden könnten, so die Verbandschefin.

Ein anhaltendes Problem ist die hohe Leerstandsquote. Im Jahresmittel lag sie bei 8,7 Prozent. Das entspricht etwa 25.700 Wohnungen. Allerdings war sie aufgrund der günstigen Arbeitsmarktentwicklung und des Zuzugs geflüchteter Menschen zuletzt nicht mehr gestiegen, was Philipp als gutes Zeichen wertet. Jedoch betrug sie etwa im Erzgebirge um die 15 Prozent. Selbst in Dresden stünden 2,3 Prozent der Genossenschaftswohnungen leer, obwohl sie aktiv am Markt angeboten würden. Nicht nur die demographische Entwicklung, sondern auch das enorme Stadt-Land-Gefälle wirkten sich dort stark aus. Denn obwohl Sachsen im ersten Halbjahr um 600 Einwohner gewachsen ist, schrumpften die Gemeinden außerhalb der Städte durchschnittlich um 0,1 Prozent.

Unterbringung Geflüchteter scheitert an Landkreisen

Für die Unterbringung geflüchteter Menschen in ihren Wohnungen sind die Genossenschaften offen. Entsprechende Angebote an die Landkreise seien jedoch oft nicht beantwortet oder abgelehnt worden, kritisiert der VSWG. Derzeit wohnten etwa 3.000 Geflüchtete in genossenschaftlichen Wohnungen. Dafür müssten allerdings die Landkreise die Genossenschaftsanteile zahlen, wozu einige nicht bereit seien. Stattdessen würden weiterhin Container-Unterkünfte gebaut, die gerade nicht für eine integrationsförderliche Durchmischung stünden.