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Fassadenstreit: Görlitzer Häuser stehen noch immer unter Denkmalschutz

Der Streit um sanierte Häuser für das neue Landratsamt in Görlitz hält unverändert an. Warum die Denkmalbehörde in Dresden mit der Neugestaltung kein Problem hat.

Von Ingo Kramer
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Zweimal das gleiche Haus: Die Salomonstraße 14 in Görlitz im Jahr 2020 (links) und nach der Sanierung im Dezember 2023. Die Fassade wurde völlig entstellt.
Zweimal das gleiche Haus: Die Salomonstraße 14 in Görlitz im Jahr 2020 (links) und nach der Sanierung im Dezember 2023. Die Fassade wurde völlig entstellt. © Fotos: Wikipedia/Freddo213, Paul Glaser/glaserfotografie.de

Um die beiden Häuser Salomonstraße 13 und 14 in Görlitz, die gemeinsam mit weiteren Gebäuden für das neue Landratsamt saniert werden, ist ein heftiger Streit entbrannt, seit kurz vor Weihnachten die Gerüste an den Fassaden gefallen sind: Beide Häuser werden völlig unerwartet von der Denkmalliste genommen. Die alten Fassaden wurden komplett zerstört. Sämtlicher Stuck, aber auch massive Bauteile wie Simse und Fenstersohlbänke wurden abgeschlagen und die Fassaden vollkommen entstellt. Das Landratsamt begründete das mit „wirtschaftlichen Gründen“, räumte aber gleichzeitig ein, gar nicht geprüft zu haben, was ein Erhalt der Fassaden gekostet hätte.

Das Haus Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung ...
Das Haus Salomonstraße 13 in Görlitz vor der Sanierung ... © Foto: Wikipedia/Freddo213

Das Landesamt für Denkmalpflege als obere Denkmalbehörde hat sich dazu lange bedeckt gehalten und die Fragen der SZ unbeantwortet gelassen. Jetzt aber bezieht Sprecherin Sabine Webersinke doch noch Stellung und erläutert den ganzen Vorgang aus Sicht ihrer Behörde. Die große Überraschung: Bisher, sagt sie, sind die Gebäude Salomonstraße 13 und 14 noch nicht von der Denkmalliste gestrichen.

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Warum die Fassaden dennoch – mit Wissen der Denkmalschützer – abgeschlagen wurden, begründet sie ausführlich. Die Erweiterung des Landratsamtes war und sei ein langer Planungsprozess, an dem das Landesamt für Denkmalpflege punktuell eingebunden war. Im Wettbewerbsverfahren 2017 sei das Landesamt als sachverständiger Berater ohne Stimmrecht geladen gewesen. Die Ausschreibungsunterlagen zum Wettbewerb sahen „die Erhaltung der Fassaden als zwingend erforderlich“ vor, auch bei einem Teilabriss, erläutert Sabine Webersinke: „In den Vorgesprächen war von einer Erhaltung der Fassaden Salomonstraße 13 und 14 ausgegangen worden.“

... und das gleiche Haus hinterher.
... und das gleiche Haus hinterher. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Bei den Bauvoruntersuchungen durch Gutachter sei 2018 festgestellt worden, dass in beiden Häusern große Bereiche der Holzbauteile sowohl mit echtem Hausschwamm, weißem Porenschwamm, braunem Keller- und Warzenschwamm als auch mit Insekten nicht nur befallen, sondern auch zerstört waren. Sabine Webersinke spricht von Braunfäule und Würfelbruch: „In gemeinsamer Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde, den Fachplanern und dem Bauherrn wurde entschieden, alle verbleibenden Holzteile während der Sanierung zu entfernen, was zu einem großen Verlust an Denkmalsubstanz geführt hat.“

Nicht fachgerechte Sanierung 1993

Putze und Wände seien ebenfalls von Schwamm, aber auch von extremer Feuchtigkeit durchsetzt gewesen, sodass auch hier nur ein weiträumiges Entfernen dieser Bauteile in Betracht gezogen werden musste, was weitere Substanzverluste bedeutet habe. Bei weiteren Untersuchungen habe sich zudem herausgestellt, dass die Fassadengestaltung der Salomonstraße 13 bei der Sanierung 1993 nicht fachgerecht in Kunststoff (Styropor oder Styrodur) ausgeführt und alle anderen Stuckelemente durch Gipsmörtel ergänzt und teilweise rekonstruiert worden seien. Gips sei hoch hygroskopisch, zieht also aktiv Wasser an. „Durch den wenig diffusionsoffenen Farbanstrich konnte die im Gips gebundene Feuchtigkeit nicht abtrocknen“, erklärt sie: „Daher waren die Stuckelemente größtenteils bereits pulverisiert und wurden nur noch durch den Farbanstrich selbst zusammengehalten.“ Was sie nicht sagt: Das gilt nur für die Nummer 13. Die Nummer 14 hingegen ist davon gar nicht betroffen.

Trotzdem kommt sie zu dem Schluss, die Häuser Salomonstraße 13 und 14 hätten nicht durch die Sanierung ihre Denkmaleigenschaft verloren. Vielmehr sei erst bei der Sanierung deutlich geworden, dass von den beiden Bauten aufgrund des desolaten Zustands zu wenig dem Denkmalwert entsprechende Substanz übrigbleiben könne, um die Denkmaleigenschaft – Zeugnis eines Wohnhauses aus dem 19. Jahrhundert – zu erhalten.

Stadt hat Landesamt informiert

Über die Ergebnisse der Gutachten und des deshalb kaum zu erhaltenden Denkmalcharakters habe die untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Görlitz das Landesamt für Denkmalpflege in Kenntnis gesetzt und am 24. März 2021 das Landratsamt als Eigentümer in der Baugenehmigung über den abzusehenden Verlust der Denkmaleigenschaft informiert. „So musste das Landesamt für Denkmalpflege von der Neugestaltung der Fassaden ausgehen“, sagt sie.

Das Landesamt habe bisher keine Bedenken, die Häuser von der Denkmalliste zu nehmen. Nach Fertigstellung der Sanierung werde das Amt eine Überprüfung, wie sie vor Streichungen generell durchgeführt werden, vornehmen. Bislang sei die Fertigstellung der Maßnahme aber noch nicht angezeigt worden. Deshalb seien auch noch keine Überprüfung und auch keine Streichung durch das Landesamt erfolgt.

„Die Erhaltung eines jeden Kulturdenkmals mit größtmöglicher Bewahrung der bauzeitlichen Originalsubstanz ist für das Landesamt für Denkmalpflege Aufgabe und Verpflichtung“, sagt Sabine Webersinke. Im konkreten Fall habe es aufgrund der vorliegenden Gutachten und des damit begründeten drohenden Wegfalls der Denkmaleigenschaft beider Gebäude aus denkmalrechtlicher Sicht vor allem zwei Optionen im weiteren Umgang mit den Fassaden gegeben: Rekonstruktion oder Neugestaltung. „Seitens des Landesamtes wurde im Einvernehmen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde keine Rekonstruktion gefordert“, erklärt die Sprecherin. Das entspreche dem gängigen Handeln. Komplette Rekonstruktionen werden selbst bei Kulturdenkmalen nur in Ausnahmefällen gefordert: „Die vorliegenden Gutachten konnten eine Neugestaltung begründen.“ Mit anderen Worten: Das Landratsamt durfte selbst zwischen beiden Optionen entscheiden. Und es hat sich gegen die – mögliche – Rekonstruktion entschieden.

Für Menschen wie Michael Vogel, den früheren obersten Görlitzer Denkmalschützer, stellt das Vorgehen bei den beiden Häusern indes eine Ordnungswidrigkeit dar, gegen die vorgegangen werden müsse: Die Fassaden wurden zerstört, obwohl beide Gebäude nach wie vor auf der Denkmalliste stehen. Sabine Webersinke indes widerspricht der Auffassung, dass hier die Reihenfolge vertauscht wurde: „In der Baugenehmigung wurde nach den seinerzeit erfolgten Abstimmungen bereits der weitere Verfahrensweg beschrieben, in dem die beiden Objekte nach Abschluss der Maßnahme ihre Denkmaleigenschaft verlieren werden.“ Mutmaßungen hinsichtlich vertauschter Sachverhalte könne sie nicht bestätigen.