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Polizeihochschule Rothenburg: Abmahnung nach Sexismus-Vorwurf

Im März wurde Manja Hussner der Job als Kanzlerin der Polizeihochschule verwehrt. Weil sie eine Frau ist?

Von Frank-Uwe Michel
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Da war die Welt in Rothenburg noch in Ordnung. Im September 2020 stellte Rektor Carsten Kaempf Manja Hussner als Verantwortliche für die Digitalisierung und Leiterin des Rektoratsbüros vor.
Da war die Welt in Rothenburg noch in Ordnung. Im September 2020 stellte Rektor Carsten Kaempf Manja Hussner als Verantwortliche für die Digitalisierung und Leiterin des Rektoratsbüros vor. ©  Archiv/André Schulze

Das hätte sich Carsten Kaempf wahrscheinlich anders gedacht. Seit Juli 2021 ist der 53-Jährige Chef der Polizeidirektion Chemnitz. Seine Position als Rektor der Hochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg wurde neu ausgeschrieben. Allerdings fand sich bisher kein geeigneter Nachfolger. Deshalb ist Kaempf nun zeitweise wieder im äußersten Osten des Freistaates gefordert. Sein Dienstherr, der Innenminister, hat ihn "mit der Wahrnahme der Dienstgeschäfte des Rektors" beauftragt, wie es auf der Internetseite der Hochschule heißt.

Hier war Kaempf, der in Rothenburg einst selbst zu den ersten Studenten gehörte, schon des Öfteren Feuerwehrmann. Unter seiner Regie lief die Aufarbeitung des Prüfungsskandals mit der daraus resultierenden Neustrukturierung der Ausbildung. Kaempf war auch derjenige, der stolz auf die Einstellung von Manja Hussner war. Im Oktober 2020 wurde die damals 46-jährige Juristin als "Frontfrau fürs Digitale" gepriesen. Unter ihrer Regie sollte das digitale Studienmanagement Fahrt aufnehmen - mit dem Slogan "Campus 4.0". Zugleich wurde sie als Leiterin des Rektoratsbüros installiert - und damit "rechte Hand" ihres Chefs.

Nun muss Kaempf als Aushilfsrektor der Hochschule miterleben, wie sich rund um die einstige Digital-Hoffnung des Campus eine Art Schlammschlacht entwickelt. Hussner war im März 2022 zur kommissarischen Kanzlerin aufgestiegen. Zugleich bewarb sie sich um die vakante Stelle als Verwaltungschefin der Bildungseinrichtung an der Neiße, wollte diesen Posten ganz regulär übernehmen. Daraus wurde jedoch nichts. Fakt ist: Sie war einst Studienkollegin der Frau des damaligen Innenministers Roland Wöller (CDU). Damit kannte sie folglich auch den für die Polizei Zuständigen in Sachsens Kabinett. Opposition und Gewerkschaften vermuteten Schiebung und Vorteilsnahme. Es hagelte Kritik von allen Seiten. Wöller musste - auch wegen anderer Vorwürfe - gehen. Manja Hussner kam nicht mehr infrage für das Amt der Kanzlerin.

Unregelmäßigkeiten im Verwaltungsapparat

Vielmehr meldete sich am 22. Juni Corinna Franke-Wöller, die Frau des einstigen Ministers, via Facebook zu Wort. Und schrieb in einer "persönlich und sicher für mich künftig nachteiligen Betrachtung" über eine "sächsische Farce". Ohne Namen zu nennen, erzählt sie von einer "erfahrenen Spezialistin", die sich für den Job als Verwaltungschefin beworben habe, nachdem bei der "Institution, versteckt in den Wäldern bei den sieben Zwergen" in der ersten Runde nichts eingegangen sei. Trotz "exzellenter deutschlandweiter Referenzen" hatte die Frau jedoch einen Makel: "Sie kennt die falsche Person seit ihrer Promotion in Sachsen", schreibt Corinna Franke-Wöller.

Danach geht es in ihrem Facebook-Post um das, was nun auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt: "Sie erlebt die Hölle vor Ort, sexuelle Anspielungen sind die Tagesordnung." Ende Juni landete der Fall tatsächlich beim Landespolizeipräsidium. Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa habe bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden daraufhin "unverzüglich" eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht, betont Polizeisprecherin Kirstin Ilga vom Sächsischen Innenministerium. Das war nach SZ-Informationen am 28. Juni. Zuständigkeitshalber wurde die Anzeige an die Staatsanwaltschaft Görlitz weitergeleitet. Oberstaatsanwältin Irene Schott bestätigt das, teilt aber auch mit, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Dass der Sexismus-Vorwurf nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt das weitere Vorgehen von Innenministerium und Polizeihochschule - unabhängig von den noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen. Aus "Unbekannt" wurde aufgrund von "belastbaren Fakten" eine mutmaßlich verursachende Person. Laut Kirstin Ilga habe man daraufhin "personalrechtliche Konsequenzen geprüft und im Ergebnis eine Abmahnung ausgesprochen." Die betreffende Person habe das Arbeitsverhältnis an der Hochschule daraufhin beendet und werde die Einrichtung "zeitnah verlassen". Derartige Vorkommnisse würden weder geduldet noch akzeptiert, so die Sprecherin. Dabei war vor Wochen bereits ein Fall vom Februar dieses Jahres bekannt geworden. Damals soll eine Polizeischülerin von einem Mitstudenten sexuell genötigt worden sein. Weil beide früher angeblich in einer Beziehung waren, beließ es die Hochschule bei der Versetzung des jungen Mannes in einen anderen Kurs.

Unregelmäßigkeiten im Verwaltungsapparat gab es an der Rothenburger Einrichtung in der Vergangenheit immer wieder. Damit drängt sich die Frage auf: Wie lange soll das so weitergehen? Angeblich, besagen Gerüchte, werde deshalb bereits die eventuelle Übergabe der Verwaltungsgeschäfte an die regional am nächsten befindliche Hochschule Zittau/Görlitz geprüft. Falk Lange, Sprecher von Sachsens Wissenschaftsministerium, weist das jedoch zurück. Ein Prüfauftrag zur Optimierung der Verwaltung beider Einrichtungen sei an das Ministerium bislang nicht ergangen. Auch Planungen für einen Zusammenschluss der Polizeifachhochschule mit der Hochschule Zittau/Görlitz gebe es nicht. Allerdings, so Lange, erarbeite das Wissenschaftsministerium mit allen sächsischen Hochschulen derzeit den neuen Entwicklungsplan.

Neubesetzung der Rektor-Stelle zieht sich noch hin

Carsten Kaempf kann noch keinen Schlussstrich unter seine zweite Amtszeit in Rothenburg ziehen. Wie bei der Kanzlerschaft scheint es auch mit der Stelle als Rektor schwierig zu sein, geeignetes Personal für die "Institution, versteckt in den Wäldern bei den sieben Zwergen" zu finden. Laut Kirstin Ilga wird der Posten aktuell neu ausgeschrieben, bis zum 21. August reicht die Bewerbungsfrist.

Ein "ansprechendes Bewerberfeld" vorausgesetzt, sei eine zügige Fortsetzung des Verfahrens beabsichtigt. Wann die Besetzung der Stelle erfolgen kann, hänge dann unter anderem von der Verfügbarkeit des erfolgreichen Bewerbers oder der Bewerberin ab. Der doppelt geforderte Carsten Kaempf dürfte hoffen, dass es diese Person dann tatsächlich gibt.