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Heidenauer Mafa-Familie hat Neues zu erzählen

Den Betrieb gibt es seit mehr als 25 Jahren nicht mehr. Dafür einen Treff ehemaliger Mitarbeiter. Und die haben nach langer Zeit des Verfalls nun wieder Hoffnung.

Von Heike Sabel
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Vier von ehemals rund 750 Heidenauer Mafa-Mitarbeitern: Anne Heiland, Dieter Henke, Wolfgang Kürbis und Jürgen Rittner.
Vier von ehemals rund 750 Heidenauer Mafa-Mitarbeitern: Anne Heiland, Dieter Henke, Wolfgang Kürbis und Jürgen Rittner. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Mafa ist tot, es lebe die Mafa. Das trifft auf die Heidenauer Maschinenfabrik mehrfach zu. Den Betrieb gibt es seit Ende 1998 nicht mehr in der Stadt, doch die ehemaligen Mitarbeiter treffen sich nach wie vor und inzwischen gibt es auch einen Plan für die Flächen mitten in Heidenau.

Die Mafa-Familie pflegt seit 25 Jahren die Erinnerungen und den Zusammenhalt. Fast jeden Monat gehen inzwischen noch etwa zehn Leute wandern, beim Treff danach in einer Gaststätte kommen einige dazu. Es ist ein bisschen wie Klassentreffen. Lange Zeit gab es da nicht viel Neues zu erzählen, jedenfalls nichts, was die Mafa betrifft. Seit 2020 ist das anders.

Kulka-Pläne werden in Handbuch festgeschrieben

Nach dem Verkauf des Geländes im Februar 2019 stellte die Dresdner Brockhaus Projektierungsgesellschaft als neuer Eigentümer 2020 ihre Pläne vor. Wohnort für bis zu 2.000 Menschen, Ort zum Arbeiten, Einkaufen, für die Freizeit. Die Pläne für "Heidenaus neue Mitte" mit dem ersten Heidenauer Hochhaus stammen vom Architekten Peter Kulka. Sein kürzlicher Tod ändert daran nichts. Die Eckpunkte seiner Pläne werden in ein Gestaltungshandbuch aufgenommen, das dann für Investoren bindend ist, sagt die Heidenauer Stadtverwaltung.

Petra Brune dachte, es geht schneller mit dem Umsetzen der Pläne. Doch bevor es so weit ist, waren viele Gutachten und Genehmigungen einzuholen und musste viel abgerissen werden. Als Erstes sollen die Häuser an der Seite zur Heinrich-Heine-Straße gebaut werden. Baurechtlich können voraussichtlich ab Mitte 2024 Bauanträge gestellt werden. Wenn es gut läuft, könnten erste Bauarbeiten im dritten, vierten Quartal 2024 beginnen.

Zum Arbeiten nach Franken

Petra Brune hat nicht in der Mafa gearbeitet, aber ihr Mann und damit gehörte sie zur Familie. Jürgen Brune hat die Wandergruppe mitgegründet, jetzt ist er im Pflegeheim und kann nicht mehr dabei sein. Für sie sind die Kollegen immer noch ein Stück Familie. "Es war und ist ein super Zusammenhalt", sagt Petra Brune. Schon früher hieß es: "Ihr in der Mafa ihr seid was Besonderes." Es klang immer ebenso anerkennend wie unverständlich.

Einen Blick in die Heidenauer Produktion um 1984 zeigt dieses Foto aus der Sammlung von Markus Altmann.
Einen Blick in die Heidenauer Produktion um 1984 zeigt dieses Foto aus der Sammlung von Markus Altmann. © privat

Die Mafa-Familie feierte alles, was es zu feiern gab zusammen und fuhr auch gemeinsam in den Urlaub. Das war eben so. Als die Familie durch das Aus Ende 1998 getrennt wurde, blieb sie doch verbunden. Gisela und Bernd Nietert zum Beispiel gingen vier Jahre nach Franken. "Wir waren dort bloß arbeiten", sagt Bernd Nietert. In den vier Jahren pendelten sie und kehrten danach zurück. Nun wandern sie mit.

Wechsel nach Dresden

Erst seit vier Jahren wandert Wolfgang Kürbis mit. Er war in der Mafa zuletzt Fertigungsleiter, genau wie danach im Maschinen- und Anlagenbau Königsbrück. Die Verbindung nach Heidenau sei nie abgebrochen, auch wenn er nicht mehr hier wohnt. Die Pläne für die Fläche der Heidenauer Mafa seien besser als wenn das Areal weiter verkommt, sagt er. Weil auch einiges erhalten wird, ist er dafür. Zu den Gebäuden, die in die Neugestaltung einbezogen werden, gehört die markante lange Werkhalle mit dem Schornstein.

Alte Industriebauten und neue Gebäude mit viel Grün und dem ersten Heidenauer Hochhaus: Das sind die Pläne von Peter Kulka für Heidenaus Mafa-Areal.
Alte Industriebauten und neue Gebäude mit viel Grün und dem ersten Heidenauer Hochhaus: Das sind die Pläne von Peter Kulka für Heidenaus Mafa-Areal. © Architektur Peter Kulka

Beim Jubiläumstreffen in Pirna ruft Dieter Henke immer mal wieder "Ruhe". Dann hat er einen ehemaligen Kollegen am Telefon. So erreichen die Runde Grüße von Teneriffa und aus Pulsnitz. Henke kam 1963 in die Mafa und ging 1998 als einer der Letzten. Er war Betriebsrat, saß als Vertreter der Beschäftigten im Aufsichtsrat der nach der Wende gegründeten GmbH und nach der Insolvenz im Gläubigerausschuss. Als Henke 2016 noch einmal auf das Mafa-Gelände zurückkehrte, war er schockiert. Nun, acht Jahre später, bleibt die Vergangenheit ein Teil seines Lebens und wartet auch er gespannt auf die Zukunft.

Ein Foto von um 1984 aus der Sammlung von Markus Altmann. Gut erkennen ist die lange Werkhalle, die Teil der neuen Pläne ist.
Ein Foto von um 1984 aus der Sammlung von Markus Altmann. Gut erkennen ist die lange Werkhalle, die Teil der neuen Pläne ist. © privat

Markus Altmann ist bei der 25 Jahre-Wandergruppen-Feier der jüngste - und geht statt wandern noch arbeiten. Er war nach dem Heidenauer Konkurs einer von 28 Mafa-Mitarbeitern, die nach Dresden zur heutigen Hamburg Dresdner Maschinenfabriken GmbH auf dem Mikromat-Gelände wechselte. Jetzt arbeiten noch vier von den 28 dort. Die Dresdner haben damals Heidenauer Verarbeitungsmaschinen für die Kakao- und Schokoladenherstellung übernommen, sagt Altmann. "Ich glaube, nicht viele wissen, dass es die Mafa indirekt heute noch in Dresden gibt", sagt er. Er war in Heidenau Konstrukteur, in Dresden ist er seit 2011 Konstruktionsleiter. Bald geht er in Vorruhestand. Ob er dann mit wandern geht, weiß er noch nicht. Doch was auf dem Mafa-Gelände passiert, interessiert auch ihn weiter.

  • 1834: Gründung der Maschinenfabrik J. M. Lehmann in Dresden; Maschinen zur Herstellung von Farben, Seifen und Schokolade
  • 1912: Neubau eines Werkes in Heidenau
  • Nach 1945: Teilweise Demontage, Enteignung, Verstaatlichung zu Nagema
  • 1962: Entwicklung der weltweit ersten horizontalen Kakaopresse
  • 1991: Heidenauer Maschinenfabrik GmbH (Treuhandanstalt)
  • 1992: Privatisierung
  • 1993: Erwerb und Übernahme durch die Firma Petzholdt aus Frankfurt/Main, Umfirmierung in Petzholdt-Heidenauer Maschinenfabrik GmbH
  • 1998: Verfahren zur Gesamtvollstreckung eröffnet, 2013 eingestellt.
  • 1999: Sitz und Produktion werden nach Dresden verlagert, wo die Firma 1834 gegründet worden war.
  • 2005: Projektierung und Neubau einer neuen Fertigungsstätte in Dresden, ein Jahr später Aufnahme der Produktion.
  • 2013: Eingliederung in die Hamburg Dresdner Maschinenfabriken GmbH
  • 2019: Verkauf der Heidenauer Brache.