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Berühmten Winzern ins Glas geschaut

Noch nie gab es so viele virtuelle Weinproben wie in Corona-Zeiten. Doch wie läuft so was ab? Sommelier Silvio Nitzsche weiß es.

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Silvio Nitzsche ist Sommelier und betreibt in Dresden die WeinKulturBar.
Silvio Nitzsche ist Sommelier und betreibt in Dresden die WeinKulturBar. © Thomas Kretschel

Von Silvio Nitzsche

Weintrinken lebt vom geselligen Miteinander, vom Austausch von Informationen und Emotionen. Doch das ist in Corona-Zeiten kaum möglich. Und so entstand eine eigene Welt von Weinverkostungen – virtuell. Schon seit Jahren wird das von einem der renommiertesten Sommeliers und tiefsinnigsten Weinhändler der Republik praktiziert: Hendrik Thoma, Inhaber von Wein am Limit. Er ist sozusagen die Mutter, besser der Vater, der virtuellen Weinprobe. Er praktiziert sie mit einer Konstanz und Lebendigkeit, die seines Gleichen sucht. Mit seinen über 330 Youtube-Videos hat er nicht wenige Weinfreunde begeistert und bereichert.

Doch wie läuft so etwas ab? Der Wein wird als Testpaket zugesandt. Von der Zweierversion bis hin zu zwölf Flaschen wird alles angeboten. Analog zu den Videos setzen sich dann alle vor ihren Bildschirm und verkosten. Formate gibt es viele, zum Beispiel über Facebook oder Youtube. Das Schöne ist, dass man sich hier einbringen und Kommentare platzieren oder Fragen stellen kann, aber nicht muss. Gut und gerne dauern solche Proben zwischen 30 und 90 Minuten. Man erfährt sehr viel Lehrreiches über Winzer und Weine.

Die andere Variante lebt noch intensiver vom gegenseitigen Austausch. Bei einer Weinprobe in Form einer Konferenz geht es nicht so sehr darum, einen Fachmann zu belauschen, sondern seine eigenen Gedanken mit einzubringen. Hierbei wird man vom Veranstalter zu einer Skype-, Zoom- oder Google-Konferenz eingeladen und verkostet dann in einem virtuellen Raum die Weine.

Derzeit bieten viele Menschen aus der Weinbranche so etwas an, die ihre Kunden und Gäste nicht aus den Augen verlieren möchten. Allein auf der Webseite des Deutschen Weininstituts finden sich Hunderte Weinproben. Es ist unglaublich interessant und oft sehr berührend, auch einfach nur den Winzern zuzuhören, mit welcher Liebe und Hingabe sie ihr Jahreswerk präsentieren. Sie werden wahrscheinlich nie wieder die Möglichkeit haben, so vielen – oft weltberühmten – Winzerpersönlichkeiten einfach so in den Keller, auf die Hand, in den Gaumen oder über die Schulter zu schauen. Somit hat die missliche Corona-Situation auch etwas Gutes.

Wer bei möglichst vielen Proben mitmachen möchte, kann die Probeflaschen mit Freunden teilen. Fachleute haben hierfür immer 0,2-Liter-Saftflaschen gereinigt im Haus. Darin kann man den Wein, der an dem Probeabend nicht zur Neige gegangen ist, im Kühlschrank recht luftverschlossen auch gerne bis zu einer Woche lagern.

Schön ist es, wenn die Weine, die Gefallen gefunden haben, im Nachhinein auch noch bestellt würden – wenn ich das unter vorgehaltener Hand erwähnen darf. Viele Winzer machen so eine Probe zwar gerne, tun es aber auch, um zu überleben. Von den Probepaketen kann niemand wirklich leben, weil diese nicht selten auch ein wenig vergünstigt angeboten werden.

Natürlich muss man nicht so weit in die Ferne schweifen. Denn auch hierzulande finden spannende virtuelle Weinproben statt – zum Beispiel bei den „Tresen-Skype-Abenden“ von Top-Sommelier Jens Pietzonka aus der Dresdner Weinzentrale. Nach Martin Schwarz, Signalwinzer der Region, lädt er am kommenden Dienstag zur 3er-Weinprobe mit Katharina Prüm ein, der neuen Generation im Weingut an der Mosel. Wann hat man sonst schon mal die Chance auf der vinophilen Bettkante so vieler Weinexperten das Mäuschen zu sein?