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Jeder könnte potenziell ansteckend sein

Lockerungen sind okay, aber dann nur mit Disziplin. Eine Kolumne von Prof. Alexander Dalpke aus dem Corona-Labor in Dresden.

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Die Menschen in Sachsen freuen sich, dass die Ausgangsbeschränkungen gelockert wurden. Aus infektionsepidemiologischer Sicht hätten die Experten gern die Beschränkungen noch einige Wochen weiter aufrechterhalten.
Die Menschen in Sachsen freuen sich, dass die Ausgangsbeschränkungen gelockert wurden. Aus infektionsepidemiologischer Sicht hätten die Experten gern die Beschränkungen noch einige Wochen weiter aufrechterhalten. © Christian Juppe

Schutzanzüge, Luftschleusen und stets die allergrößte Vorsicht am Arbeitsplatz im Labor. Hier geht es um Viren und Bakterien. Im Sicherheitslabor der Dresdner Universität werden derzeit die Corona-Tests ausgewertet. Dessen Direktor und zugleich der Institutsleiter schreibt hier und ab jetzt regelmäßig in diesen Zeiten der Corona-Krise für Sächsische.de.

Lockerungen mit Augenmaß – das habe ich mir gewünscht. Glauben Sie mir: Wir alle im Labor freuen uns darüber, dass Unternehmungen allein, zu zweit oder mit den Kindern nun wieder außerhalb des engen Radius um die eigene Wohnung herum und ohne triftigen Grund möglich sind. Klar, wir sollten jetzt nicht alle auf einmal in die Sächsische Schweiz fahren. Sachsen bietet aber noch andere schöne Ziele für den Frühlingsausflug.

Doch wie gefährlich sind diese Lockerungen? Aus infektionsepidemiologischer Sicht hätten die Experten gern die Beschränkungen noch einige Wochen weiter aufrechterhalten, um die Zunahme der Fälle weiter zu drücken. Doch die Wirtschaft leidet darunter genau wie das gesellschaftliche Miteinander, die Akzeptanz für einschneidende Maßnahmen sinkt. Im Moment empfinde ich die Lockerungen deshalb als vertretbar. Die Pandemie ist mit den getroffenen Maßnahmen aktuell weiter beherrschbar. Aus meiner Sicht könnte es nun Lockerungen für individuelle Reisen, in der Gastronomie und auch in den Schulen geben – vorausgesetzt die Abstandsregeln werden eingehalten.

Prof. Alexander Dalpke ist Direktor der gemeinsamen Institute für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene sowie Virologie der TU Dresden.
Prof. Alexander Dalpke ist Direktor der gemeinsamen Institute für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene sowie Virologie der TU Dresden. © Jürgen Lösel

Das allein reicht aber nicht. Um ein erneutes deutliches Ansteigen der Fälle zu verhindern, muss jeder bei sich selbst anfangen. Wir müssen uns bewusst sein, dass ein jeder selbst potenziell ansteckend sein könnte. Wer sich nur ein wenig krank fühlt, plötzlich Husten oder leichtes Fieber hat, der sollte unbedingt zu Hause bleiben, seine sozialen Kontakte minimieren und sich nach Möglichkeit testen lassen. Nur wenn wir alle besonnen und vernünftig sind – nicht nur jetzt, sondern anhaltend für die nächsten Monate –, kann es weitere Lockerungen geben.

Die größte Gefahr sehe ich dabei bei Menschenansammlungen, vor allem in geschlossenen, engen Räumen. Konzerte, Tagungen und Festivals werden auf lange Zeit kaum möglich sein. Auch Studentenkneipen oder Szeneclubs, in denen Gäste dicht beieinander sind, sind Orte mit erhöhtem Infektionsrisiko. Viren, die sich auf Griffen oder Türklinken niederschlagen, sind dagegen aus unserer Sicht weniger gefährlich – diese Oberflächen können einfach desinfiziert werden. Für Kinder in Schulen, die bei anderen Tröpfcheninfektionen wie der Virusgrippe eine wichtige Rolle bei der Verbreitung spielen, ist für Sars-CoV2 die Datenlage uneinheitlich. Schulkinder scheinen nach ersten Studien aber eine weniger relevante Quelle für Infektionen zu sein.

Wie sich die aktuellen Lockerungen auf die Infektionszahlen auswirken, werden wir leider frühestens in zwei Wochen wissen. Ich bin jedoch optimistisch: Das Labor und die Krankenhäuser sind vorbereitet, auch wenn die Zahlen moderat steigen. Damit es nicht soweit kommt, wünsche ich mir viel Sensibilität, Abstand und Einsicht in die getroffenen Maßnahmen.

Prof. Alexander Dalpke ist Direktor der gemeinsamen Institute für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene sowie Virologie der TU Dresden. In seiner Kolumne für Sächsische.de beantwortet er die drängendsten Fragen, schreibt als Wissenschaftler, wie er die Dinge sieht und gibt Orientierung in diesen schweren Zeiten.

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