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Warum der Enkel die Oma brüskiert

Görlitzer Kita-Kinder sind auf Corona-Regeln eingeschworen. Die wenden sie auch zu Hause an, obwohl es jetzt weitere Lockerungen in den Kitas gibt.

Von Gabriela Lachnit
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Kinder der Kita Spatzennest am Birkenwäldchen in Görlitz-Rauschwalde lieben das Klettern auf ihrem Spielplatz. Sie sind wie die Leiterin der Einrichtung, Heike Keller, froh, dass das nun wieder ohne Einschränkung möglich ist.
Kinder der Kita Spatzennest am Birkenwäldchen in Görlitz-Rauschwalde lieben das Klettern auf ihrem Spielplatz. Sie sind wie die Leiterin der Einrichtung, Heike Keller, froh, dass das nun wieder ohne Einschränkung möglich ist. © Gabriela Lachnit

Der Verkehrsstrom reißt nicht ab: Mit Rollern und Laufrädern haben sich die Mädchen und Jungen der Kita "Spatzennest am Birkenwäldchen" in Görlitz-Rauschwalde den Parcours im Garten der Einrichtung erobert. Die Kleinen sind dabei,  und auch die  Vorschulkinder. Das gibt es in der Corona-Krise so erst seit Montag dieser Woche. Denn seitdem herrscht wieder Regelbetrieb in den Kitas.

Was Eltern zum Regelbetrieb sagen

Die Lockerungen kommen vom Freistaat Sachsen. Die meisten Eltern freuen sich über diese weiteren Schritte zur Normalität im Kita-Alltag. Der Görlitzer Janos Szöke zum Beispiel findet das prinzipiell gut, obwohl der Vater einer Tochter Bedenken hat, dass die freie Begegnung der Kinder in den Kitas zu einer zweiten Covid-19-Welle beitragen könnte. Dennoch sei der Regelbetrieb alternativlos, vor allem für Berufstätige. "Ich war selbst drei Monate mit der Tochter zu Hause", sagt er. "Das war eine Herausforderung - Kindbetreuung bei Homeoffice."

Für Anne und André Zimmer bedeutet der Regelbetrieb keinen großen Unterschied, denn ihr Sohn war zuvor in der Notbetreuung. Beide Eltern glauben, dass der Kita-Alltag für Kinder und Eltern entspannter wird, je mehr Lockerungen es gibt. Während der Vater mit einem Lachen erzählt, dass man beim schnellen Kind-Abgeben an der Tür etwas Zeit gespart habe, ist die Mutter froh, dass die Zusammenarbeit mit der Kita jetzt wieder besser wird. Ihr habe das tägliche, kurze Gespräch mit den Erzieherinnen "so zwischen Tür und Angel" gefehlt.

Für Josefine Drossel war es ein Glück, sagt sie, dass sie ihre beiden Kinder zu Hause betreuen konnte. "Damals hätte ich es nicht so gut gefunden, wenn die Kinder in der Kita so eng beieinander gehockt hätten", erklärt die Mutter. Aktuell sei sie aber nicht besorgt, das wäre sie erst, wenn die Fallzahlen hier steigen.

Regelbetrieb ermöglicht Begegnungen

Für Kessrin Schulze, die bei der Arbeiterwohlfahrt Oberlausitz (Awo) für die  Kindertageseinrichtungen zuständig ist, bedeutet der Regelbetrieb vor allem: "Die Gruppen in den Kitas sind wieder so wie vor der Corona-Schließzeit. In der Notbetreuung gab es andere Gruppeneinteilungen." 

Jetzt können wieder offene und teiloffene Konzepte in den Kitas umgesetzt werden. Seit Wochenbeginn dürfen sich die Kinder verschiedener Gruppen im Gebäude und im Freien wieder begegnen. Abgegrenzte Spielbereiche im Garten oder festgelegte Zeiten für die Gartennutzung jeder Gruppe gehören der Vergangenheit an. Wichtig vor allem für berufstätige Eltern ist die Rückkehr zu den normalen Öffnungszeiten.

Durften noch bis vor Kurzem die Eltern das Kita-Gebäude nicht betreten, ist das nun gelockert. Martin Kulke, Sachgebietsleiter Kita im Görlitzer Rathaus, erläutert: Wie viele Eltern zeitgleich in die Kita dürfen, hänge von den räumlichen Gegebenheiten ab, sagt er. Bei der Awo, die in Görlitz das Zauberwäldchen und die Kita Storchennest in Ludwigsdorf betreibt, dürfen sich zum Beispiel in der Garderobe in Görlitz zwei Eltern, in Ludwigsdorf drei zur gleichen Zeit aufhalten.

Noch ein ganzes Stück entfernt von Normalität

Trotz des Regelbetriebes könne von Normalität in den Kitas  keine Rede sein, bestätigt Kulke. Eltern müssen beim Bringen und Abholen ihrer Kinder weiter Mund-Nasen-Schutz tragen. Überall sind für Eltern Hinweise zu Verhaltens- und Abstandsregeln zu lesen. Die Hygieneauflagen in den Kitas sind hoch. Häufiges Händewaschen und Abstand halten kennen die Kinder schon. Mädchen und Jungen sind von Erziehern darauf eingeschworen. Christine Müller erzählt:  "Das wirkt bei vielen sogar zu Hause." Die Oma wurde von ihrem fünfjährigen Enkel überrascht, als er beim Besuch das Begrüßungsküsschen ablehnte mit dem Hinweis: "Corona, Abstand halten."

Trotz der Lockerungen bleibt manche ungeliebte Regel: Eltern müssen täglich Auskunft zum Gesundheitszustand ihres Kindes geben.  Allerdings wird nun nicht mehr jedes Kind wegen eines Schnupfens von der Betreuung ausgeschlossen. Leidet das Kind zum Beispiel an einem Heuschnupfen, darf es in die Kita.  

Nicht alle Konzepte in den Kitas können jetzt umgesetzt werden. Bei der Awo zum Beispiel ist es üblich, dass Kinder und Erzieher die Vesper gemeinsam anrichten. "Weil die Kinder dabei die Lebensmittel anfassen, geht das aber nicht", erklärt Kessrin Schulze. Das Vesperbrot schicken die Eltern nun für ihr Kind mit. In der Kita "Spatzennest am Birkenwäldchen" in Görlitz-Rauschwalde, einer Montessori-Einrichtung, ist es ähnlich. Hier geben Eltern auch das tägliche Frühstück mit.

Wie weit der Weg zur Kita-Normalität noch ist, erfahren derzeit vor allem Vorschulkinder. Sie freuen sich auf die Zuckertütenfeste, weil sie bald zur Schule gehen. Diese Abschiedsfeste sind anders als gewohnt. In den Awo-Kitas entfällt dabei  das gemeinsame Grillen mit Eltern. Im Spatzennest gibt es nach Auskunft von Kita-Leiterin Heike Keller keinen  Ausflug mit dem öffentlichen Nahverkehr für die künftigen Erstklässler,  stattdessen Wandertage, die mit dem Zuckertütenfest auf dem Lindenhof in Pfaffendorf enden.

Positive Nebeneffekte

Obwohl Notbetreuung und eingeschränkter Regelbetrieb für alle eine Herausforderung waren, freut sich Kessrin Schulze über einen schönen  Nebeneffekt: Die Kinder wurden an der Kita-Tür abgegeben. Das heißt, Eltern konnten beim An- und Ausziehen nicht helfen. Das mussten die Kleinen meist allein oder mit wenig Hilfe tun. Jetzt können sie es allein. "Die Kinder sind selbstständiger geworden", freut sich Frau Schulze. 

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